Edward Snowden: "Permanent Record. Meine Geschichte"
Aus dem Amerikanischen von Kay Greiners
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2019
432 Seiten, 22 Euro
Psychogramm der Geheimdienste
05:17 Minuten
Vor sechs Jahren legte Edward Snowden die Spionageaktivitäten von NSA und CIA offen. Seitdem gilt der Überwachungsexperte als Gallionsfigur der Whistleblower. Dass es auch ganz anders hätte kommen, wird jetzt in einer faszinierenden Autobiografie deutlich.
Vor sechs Jahren enthüllte Edward Snowden, wie umfassend US-amerikanische Geheimdienste die eigene Bevölkerung über Internet und Telefon ausspionieren. Und dass auch ganz selbstverständlich Ausländer/innen permanent im Visier von NSA und CIA stehen. Das Ziel der Geheimdienste: die dauerhafte Aufzeichnung aller Informationen, "Permanent Record" also. Zum Beweis legte der ehemalige NSA-Mitarbeiter rund 1,8 Millionen Dokumente vor - und lebt seitdem im Exil in Moskau.
Skepsis gegenüber Autoritäten
Was treibt jemanden an, so radikal mit seinem bisherigen Leben zu brechen, Job, Heimat und Familie zu verlassen und eine lebenslange Freiheitsstrafe zu riskieren? Genau das will der 36-Jährige mit seiner Autobiografie erklären, will die moralischen Grundsätze zeigen, die ihn zu seiner Entscheidung gebracht haben – auch adressiert an jene, die ihn als Verbrecher oder russischen Agenten bezeichnen.
Und das gelingt ihm überzeugend. Dass Edward Snowden so und nicht anders handeln konnte, ahnt man bereits, wenn er von seiner Kindheit und Jugend erzählt – erst in North Carolina, später in Maryland, wo schon seine Eltern für den Staat arbeiteten. Deren Loyalität und Demokratietreue sind für ihn Vorbild gewesen.
Autoritäten konnte Edward Snowden trotzdem nie unhinterfragt gehorchen, wie er an etlichen Beispielen durchaus unterhaltsam schildert. Etwa in der Schule, die er einen "illegitimen Raum" nennt, weil sie – ganz undemokratisch – keinen legitimen Widerspruch duldete. Statt gelangweilt dem Lehrer zu folgen, holte er sich sein Wissen schon damals online.
Nach 9/11 zog er in den Krieg
Bedrückend wird sein Buch, wenn er schildert, wie sich sein kritisches Denken nach den Anschlägen von 9/11 ins Nichts auflöste, so als sei es "von meiner Festplatte gelöscht". Statt für demokratische Werte zu kämpfen, seien die USA in den Krieg gezogen, konstatiert Snowden und beschreibt, wie er selbst als Soldat seinen Teil dazu beitragen wollte, bis er, aufgrund von Knochenbrüchen, bei der CIA als Systemadministrator anheuerte.
Dort bei der CIA begann seine innere Wandlung – zurück zu seinen Prinzipien.
Eine spannende, faszinierende Lektüre
Das liest sich äußerst spannend! Denn Snowden liefert einzigartige Einsichten in das Innenleben amerikanischer Geheimdienste: ein Psychogramm der Mitarbeiter/innen und eine Analyse der Strukturen. Beides verbindet der 36-Jährige mit seiner eigenen ungewöhnlichen Geschichte. Die 2009 beginnt, als er CIA und NSA verdächtigt, mit ihrem Datensammeln gegen die US-amerikanische Verfassung zu verstoßen.
Faszinierend ist es, mit welcher Hartnäckigkeit Snowden dem nachging und mit welcher Intelligenz er jeden seiner Schritt plante: vom Recherchieren, Aufbereiten und Sichern der Beweise bis zur Kontaktaufnahme der Journalisten, die die Dokumente im Juni 2013 an die Öffentlichkeit brachten.
Wie seelisch belastend diese vier Jahre für Edward Snowden und für seine Lebensgefährtin und heutige Ehefrau Lindsay waren, erwähnt er dabei immer wieder. Das zeigen auch die Auszüge aus Lindsays Tagebüchern am Ende des Buches. Der Mut und die Konsequenz der beiden Amerikaner sind enorm inspirierend. Mehr noch: Edward Snowden ist ein Vorbild dafür, was es heißt, sich für Rechtsstaatlichkeit und die eigenen Werte zu engagieren.