Adriano Mannino ist freischaffender Philosoph und sozialer Unternehmer. Er hat diverse NGOs im Bereich des "effektiven Altruismus" mitgegründet und arbeitet aktuell an einem Buch über Strategien zur Weltverbesserung, die sich aus der Verbindung von Ökonomie und Ethik ergeben.
Mit Spenden die Welt retten
Es gibt einen Weg, die Welt besser zu machen, davon ist der Philosoph Adriano Mannino überzeugt: Er plädiert dafür, dass jeder zehn Prozent seines Einkommens spendet. Möglichkeiten, effizient zu spenden, gebe es viele.
Mehr und mehr Menschen schließen sich der globalen Bewegung des "Effektiven Altruismus” an und spenden zehn Prozent ihres Einkommens. Ganze zehn Prozent? Auch in meinen Ohren klang das zunächst schräg. Doch tausende normalverdienende Menschen tun es weltweit bereits. Wer in einem westlichen Land lebt und durchschnittlich verdient, gehört zu den reichsten Menschen, die je auf diesem Planeten gelebt haben. Wir sind das eine Prozent.
Zum Kontrast: 500 Millionen Menschen leiden jedes Jahr an Malaria - die meisten von ihnen können sich keine Gesundheitsversorgung leisten. Der Krankheitsverlauf ist oft unvorstellbar schlimm: Stechende Blitze fahren in alle Körperglieder und man hat das Gefühl, der Tod sei einem gewiss. Und in der Tat endet die Krankheit jeden Tag für 3000 Kinder tödlich.
Distanz als faule Ausrede
Wenn wir - die Bewohner der reichsten Länder - uns überlegen, was wir mit unserer Zeit und unserem Geld anstellen wollen, denken wir primär an unser eigenes Glück. Warum eigentlich? Wie würden wir denn reagieren, wenn sich die Malaria-Katastrophe direkt vor unseren Augen abspielte, in unserer Wohnstadt, Tag für Tag? Würden wir an unser eigenes Glück denken oder uns ganz der Leidminderung widmen? Was, wenn sich die Katastrophe in der Nachbarstadt abspielte? Im Nachbarland? Auf dem Nachbarkontinent?
Leid wird nicht dadurch weniger schlimm, dass man es räumlich verschiebt. Distanz sollte keine Rolle spielen, denn im Global Village haben wir die Möglichkeit, etwa durch kluge Spenden viele Leben zu retten.
Der Mythos von der wirkungslosen Spende
Es ist ein für uns bequemer und für die Opfer tödlicher Mythos, dass Spenden generell nichts bewirken. Selbst wenn es so wäre, dass die Hilfeleistungen unserer Gesellschaft insgesamt einen neutralen Effekt hätten, wäre eine pauschale Kritik ungerechtfertigt: Ein neutraler Gesamteffekt kommt statistisch so zustande, dass manche Hilfsprojekte positiv, viele neutral und manche negativ sind. Es geht also darum, mithilfe relevanter Studien die positiven Hilfsprojekte zu identifizieren und diese zu skalieren.
Gesundheitsökonomische Studien zeigen, dass die Verteilung von Anti-Malaria-Bettnetzen einen effektiven Schutz bietet. Ein Bettnetz kostet nur fünf Euro und schützt zwei Menschen. Wer 50.000 Euro spendet, kann also 20.000 Menschen vor Malaria schützen - das sind mehrere Dörfer!
Entscheiden wir uns jedoch gegen die Spende, dann entscheiden wir uns faktisch dafür, diese Menschen den Malariamücken auszuliefern.
50.000 Euro - das ist viel Geld. Doch die meisten von uns können im Lauf ihres Berufslebens locker 50.000 Euro spenden. Mit 2000 Euro pro Jahr sind wir gut dabei.
Eine andere Welt durch Spenden
Wer an der Effektivität von Hilfswerken zweifelt, kann und soll an politische Organisationen spenden. Gerade bei denjenigen NGOs und Parteien, die sich stark für globale Gerechtigkeit interessieren, ist das Geld immer ein Flaschenhals. Doch viele ihrer Mitglieder könnten locker zehnmal mehr spenden. Man stelle sich vor: Progressive Parteien mit zehnfach erhöhten Budgets. Das wäre ein politischer Game Changer.
Auch Kapitalismuskritik liefert keinen Einwand gegen die Spendenidee. Denn auch in einem kapitalistischen System gibt es viele Berufe, die kaum Schäden erzeugen und gutes Geld abwerfen, das man spenden kann - zum Beispiel an kapitalismuskritische Organisationen, wenn man ihre Strategie überzeugend findet.
So oder so: Die meisten Bewohner reicher Länder könnten viel mehr spenden - nämlich etwa zehn Prozent, statt des aktuell üblichen einen Prozents. Wäre der Topf, der uns zur Weltverbesserung zur Verfügung steht, zehnmal größer - die Welt sähe anders aus. Nicht zuletzt wären auch die Spenderinnen und Spender selbst glücklicher: Der beste Weg, sich Glück zu kaufen, besteht darin, das Geld zu verschenken.