Effizienztipps für Bischöfe und Co.
Der Unternehmensberater Thomas von Mitschke-Collande bescheinigt der katholischen Kirche, in keinem guten Zustand zu sein. Er will zwar nicht spalten, sagt aber auch, die Kirche müsse "katholischer, nicht römischer" werden.
Der Unternehmensberater Thomas von Mitschke-Collande war Direktor bei McKinsey und ist engagierter Katholik. Daher führt er in seinem Buch sowohl allerhand Zahlen und Statistiken an, Umfrageergebnisse und entsprechende Grafiken als auch kirchliche Äußerungen, etwa zu Selbstverständnis, notwendigem Krisenmanagement und möglichen Reformschritten.
Der Aufbau des Buches folgt annähernd dem Dreischritt "Sehen - urteilen - handeln". Ausgiebig beschreibt von Mitschke-Collande anfangs "die Kirche in der Krise" und setzt diesem großen Kapitel am Ende ein ebenso umfangreiches entgegen, überschrieben mit "Wege aus der Krise". Dazwischen findet man Anmerkungen zur Realitätsverweigerung seitens der Amtskirche und zu deren Bevorzugung allzu bequemer, ja problematischer Fluchtwege sowie ein Kapitel mit dem Titel "Eigentlich müsste die Kirche boomen".
Derzeit sieht von Mitschke-Collande die katholische Kirche in Deutschland jedoch in einer Abwärtsspirale. Sechs Krisen machen ihr zu schaffen: die Glaubenskrise und die Vertrauenskrise, die Autoritäts- und die Führungskrise, die Struktur- und die Vermittlungskrise. Folge all dessen ist eine Identitätskrise, anders gewendet: Das Ende der Volkskirche ist unübersehbar.
Zwar steigt noch die Kirchensteuer pro Kopf, aber die Tauf- und Trauquote etwa hat sich deutlich reduziert. Gründe für die Krisen sind zum Beispiel die Abnahme christlich geprägter Elternhäuser, Missbrauchsskandal, Unterordnung der Bischöfe unter die Weisungen aus dem Vatikan sowie "eine Infrastruktur, die auf 30 Millionen Katholiken ausgelegt ist" angesichts von weniger als 20 Millionen Katholiken im Jahr 2030. Kurzum: Die Kirche in Deutschland ist und macht sich heute zunehmend selbst unattraktiv.
Dennoch ist für von Mitschke-Collande das Glas halbvoll, nicht halbleer. Er sieht gute Chancen für die Kirche, sich neu, anders, attraktiver aufzustellen auf dem unübersichtlichen Markt religiös-spiritueller Angebote. Denn den Umfragen nach ist noch reichlich "Religiosität vorhanden, die mobilisiert werden könnte", zumal auch die deutsche Wohlstands- und Zivilgesellschaft von vielerlei Krisen geprägt ist wie etwa Alterung und sinkende Geburtenraten, steigende Armut und Überlastung der Sozialsysteme nebst Politikverdrossenheit.
Grundlegend für die notwendige, aktive Krisenbewältigung ist von Mitschke-Collande zufolge ein neues Selbstverständnis der Kirche. Das Bild der Pyramide, mit dem Papst an der Spitze, den geweihten Würdenträgern darunter und dem Gottesvolk ganz unten, müsse mental auf den Kopf gestellt werden. Gemeinsam mit dem Papst als "Diener aller Diener" müsse sich die gesamte Kirche mehr als "dienende, hörende, helfende, lernende Kirche" verstehen.
Auf diesem Weg, so der Autor, müsse sie wieder lernen, die Sprache der Menschen zu sprechen und die neuen Medien zu nutzen. Sie sollte die Kultur des Miteinanders intensivieren und dabei kritikfähiger werden, ein Mehr an Partizipation ermöglichen und "Mut zur Innovation und zu neuen Wegen" beweisen. Spiritualität und charismatische Menschen ("burning persons"), so der 62-Jährige, würden der Kirche Zukunft eröffnen.
Wenngleich der Buchtitel an Tilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" erinnert, will der Unternehmensberater weder verunglimpfen noch spalten. Manches spitzt er zu, will und kann so im besten Sinne provozieren. Zwei Beispiele: "Kirche muss in Personen, nicht in Gebäude investieren." Sie müsse "katholischer, nicht römischer werden."
Fakten und Interpretationen in von Mitschke-Collandes Buch sind meist nicht neu. In der Zusammenschau jedoch ergeben die Einzelbefunde ein drastisches Bild. Den Insidern bietet es viel Diskussionsstoff und Nachdenkenswertes. Kirchenfremden gewährt es einen gut les- und verstehbaren Einblick in die katholische Kirche, bei dem es nicht nur um Strukturen, sondern, davon untrennbar, um Inhalte sowie um Stilfragen geht.
Besprochen von Thomas Kroll
Thomas von Mitschke-Collande: "Schafft sich die katholische Kirche ab? Analysen & Fakten eines Unternehmensberaters"
Kösel-Verlag: München 2012
253 Seiten, 19,99 Euro.
Der Aufbau des Buches folgt annähernd dem Dreischritt "Sehen - urteilen - handeln". Ausgiebig beschreibt von Mitschke-Collande anfangs "die Kirche in der Krise" und setzt diesem großen Kapitel am Ende ein ebenso umfangreiches entgegen, überschrieben mit "Wege aus der Krise". Dazwischen findet man Anmerkungen zur Realitätsverweigerung seitens der Amtskirche und zu deren Bevorzugung allzu bequemer, ja problematischer Fluchtwege sowie ein Kapitel mit dem Titel "Eigentlich müsste die Kirche boomen".
Derzeit sieht von Mitschke-Collande die katholische Kirche in Deutschland jedoch in einer Abwärtsspirale. Sechs Krisen machen ihr zu schaffen: die Glaubenskrise und die Vertrauenskrise, die Autoritäts- und die Führungskrise, die Struktur- und die Vermittlungskrise. Folge all dessen ist eine Identitätskrise, anders gewendet: Das Ende der Volkskirche ist unübersehbar.
Zwar steigt noch die Kirchensteuer pro Kopf, aber die Tauf- und Trauquote etwa hat sich deutlich reduziert. Gründe für die Krisen sind zum Beispiel die Abnahme christlich geprägter Elternhäuser, Missbrauchsskandal, Unterordnung der Bischöfe unter die Weisungen aus dem Vatikan sowie "eine Infrastruktur, die auf 30 Millionen Katholiken ausgelegt ist" angesichts von weniger als 20 Millionen Katholiken im Jahr 2030. Kurzum: Die Kirche in Deutschland ist und macht sich heute zunehmend selbst unattraktiv.
Dennoch ist für von Mitschke-Collande das Glas halbvoll, nicht halbleer. Er sieht gute Chancen für die Kirche, sich neu, anders, attraktiver aufzustellen auf dem unübersichtlichen Markt religiös-spiritueller Angebote. Denn den Umfragen nach ist noch reichlich "Religiosität vorhanden, die mobilisiert werden könnte", zumal auch die deutsche Wohlstands- und Zivilgesellschaft von vielerlei Krisen geprägt ist wie etwa Alterung und sinkende Geburtenraten, steigende Armut und Überlastung der Sozialsysteme nebst Politikverdrossenheit.
Grundlegend für die notwendige, aktive Krisenbewältigung ist von Mitschke-Collande zufolge ein neues Selbstverständnis der Kirche. Das Bild der Pyramide, mit dem Papst an der Spitze, den geweihten Würdenträgern darunter und dem Gottesvolk ganz unten, müsse mental auf den Kopf gestellt werden. Gemeinsam mit dem Papst als "Diener aller Diener" müsse sich die gesamte Kirche mehr als "dienende, hörende, helfende, lernende Kirche" verstehen.
Auf diesem Weg, so der Autor, müsse sie wieder lernen, die Sprache der Menschen zu sprechen und die neuen Medien zu nutzen. Sie sollte die Kultur des Miteinanders intensivieren und dabei kritikfähiger werden, ein Mehr an Partizipation ermöglichen und "Mut zur Innovation und zu neuen Wegen" beweisen. Spiritualität und charismatische Menschen ("burning persons"), so der 62-Jährige, würden der Kirche Zukunft eröffnen.
Wenngleich der Buchtitel an Tilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" erinnert, will der Unternehmensberater weder verunglimpfen noch spalten. Manches spitzt er zu, will und kann so im besten Sinne provozieren. Zwei Beispiele: "Kirche muss in Personen, nicht in Gebäude investieren." Sie müsse "katholischer, nicht römischer werden."
Fakten und Interpretationen in von Mitschke-Collandes Buch sind meist nicht neu. In der Zusammenschau jedoch ergeben die Einzelbefunde ein drastisches Bild. Den Insidern bietet es viel Diskussionsstoff und Nachdenkenswertes. Kirchenfremden gewährt es einen gut les- und verstehbaren Einblick in die katholische Kirche, bei dem es nicht nur um Strukturen, sondern, davon untrennbar, um Inhalte sowie um Stilfragen geht.
Besprochen von Thomas Kroll
Thomas von Mitschke-Collande: "Schafft sich die katholische Kirche ab? Analysen & Fakten eines Unternehmensberaters"
Kösel-Verlag: München 2012
253 Seiten, 19,99 Euro.