Ego-Shooter "Blade of Agony"

Sechs Jahre Arbeit an einem Hobbyspiel

07:19 Minuten
Ein Screenshot aus "Blade of Agony"
Technisch hat das Team hinter "Blade of Agony" viel aus dem 1993 erschienen "Doom" herausgeholt © boa.realm667.com
Von Dennis Kogel |
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Für sein Hobby hat der Grafikdesigner Daniel Gimmer bis zu 40 Stunden die Woche unbezahlt gearbeitet. Herausgekommen ist ein komplett neues Videospiel, das auf dem Klassiker "Doom" basiert und für alle gratis herunterladbar ist.
"Doom" gilt als der erste 3D-Ego-Shooter, ein Videospielgenre, das seit der Entstehung vor fast 30 Jahren zu einer der erfolgreichsten Spielgattungen überhaupt geworden ist. Doch "Doom" hat noch mehr erreicht. Es hat Spielerinnen und Spielern die Möglichkeit gegeben, das Spiel selbst weiterzuentwickeln – modden nennt sich das.
Bis heute lebt um das uralte "Doom "eine aktive Szene aus Hobbyisten, die an neuen Versionen arbeiten. Eine besonders aufsehenerregende ist jetzt herausgekommen. Meine erste Reaktion auf "Blade of Agony" ist Ungläubigkeit. Wie kann es sein, dass ein Videospiel, das auf fast 30 Jahre alter Technologie basiert, so beeindruckend aussehen?

Streit mit der Partnerin

"Blade of Agony" spielt in einer fiktiven Version des Zweiten Weltkriegs. Als US-Supersoldat BJ Blazkowicz, der auch die Hauptfigur der Spielreihe "Wolfenstein" ist, jage ich Nazis und erkunde britische Landhäuser, marokkanische Städte und geheime Gefängnisse. Wo die alten Level von "Doom" minimalistisch und abstrakt wirken, so erscheint die Welt von "Blade of Agony" lebendig und glaubwürdig, als wäre das hier ein ganz modernes Spiel und keine kostenlose Modifizierung einer fast 30 Jahre alten Software, gemacht von einer Gruppe von Amateurentwicklern.
"Ich habe da wahnsinnig viel Zeit investiert", beschreibt der 36-jährige Leiter des Modprojekts, Daniel Gimmer, die Entstehung. "Ich habe irgendwie gemerkt: Man kommt mit der Partnerin in Streitsituationen, wenn man sagt: Du, was machen wir am Wochenende? Und ich sage: Ich muss meine 'Doom'-Levels machen."
Hauptberuflich ist Gimmer Grafikdesigner, aber bis zu 40 Stunden die Woche hat er in den vergangenen sechs Jahren unbezahlt in die Entwicklung von "Blades of Agony" gesteckt. Seine Motivation: "Ich habe mich immer dafür interessiert über die Grenzen hinauszugehen. Die 'Doom'-Engine ist technisch sehr limitiert. Ich habe immer versucht, das ein bisschen auszureizen."

Bis zu 16 Leute haben an dem Spiel gearbeitet

Genau damit macht sich Gimmer auch einen Namen in der Community der "Doom"-Modder. Letztendlich ist es auch genau diese Community, die "Blade of Agony" überhaupt erst möglich macht. Inspiriert von einer anderen Mod, die "Doom" mit dem Shooter-Klassiker "Wolfenstein 3D" kombiniert, beginnt Gimmer mit der Arbeit. Es soll nur ein kleines Konzept werden, doch immer mehr Leute finden es im Forum spannend, erzählt er:
"Das ist unwahrscheinlich schnell gewachsen mit Entwicklern, die gesagt haben: Geil, die Idee finde ich klasse, da möchte ich mitmachen. Am Ende waren wir sechs Leute, die mitgearbeitet haben, und zehn, die immer mal wieder geholfen haben."
Das ist üblich für die Community. Um vielversprechende Projekte herum, sammeln sich Modder, die mitmachen wollen. So wurde "Blade of Agony" viel größer als geplant.

Technisch beeindruckend, aber auch schwer zu verdauen

"Das lief völlig aus dem Ruder. Glücklicherweise war das Ergebnis am Schluss unglaublich toll. Aber hätte ich vor sechs Jahren gewusst, wie viel Zeit ich da reinstecke, ich hätte es nicht angefangen."
Das Ergebnis ist beeindruckend. "Blade of Agony" tauscht nicht nur Dämonen gegen Nazis, es erweitert das alte "Doom" um komplett neue Spielmechaniken wie Verkleidungen, Fahrzeuge, Schleichpassagen und eine Geschichte mit Charakteren und Dialogen.
"Ich denke, ein Spiel funktioniert nur dann gut, wenn einen die Story mitreißt. Wenn man denkt, wie geht es weiter, was steckt dahinter. Sonst ist es nur stumpfes Geballer", so Gimmer.
Doch es gibt eine Sache, die mich stutzig macht. Eine Mission spielt in einem Konzentrationslager, aus dem ich Gefangene befreien muss. Während ich leidenden Pixel-Männern dabei helfe, zu entkommen, sehe ich Erschießungskommandos.
Damit habe ich nicht gerechnet und ich bin zwiegespalten. Zum einen finde ich es wichtig, wenn Spiele, in denen der Kampf gegen Nazis Thema ist, den Holocaust nicht unerwähnt lassen. Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob gerade eine "Doom"-Mod, in der ich Nazi-Zombies in die Luft sprenge, dafür geeignet ist.
Daniel Gimmer erzählt, dass hier ein israelisches Teammitglied viel Input gegeben hat, um einen möglichst sensiblen Umgang mit dem Thema zu finden: "Wir haben wahnsinnig viel Zeit investiert, dass am Ende nicht das ganze Ding als naziverherrlichendes Thema den Umlauf macht und um da einen richtig guten Umgang mit zu machen."

Von der Community für die Community

Tatsächlich: An keiner Stelle bekomme ich das Gefühl, dass hier Nazis verherrlicht werden. Im Gegenteil. Sie sind Schießbudenfiguren, lachhafte Bösewichter mit Namen wie "General Fettgesicht".
Aber vielleicht zeigt meine Irritation an dieser Stelle auch die Grenzen in der Mod-Entwicklung im Vergleich zu kommerziellen Spielen auf. Es gibt keine Prüfinstanz oder professionelle Beratung, sondern nur ein paar Leute, die Spiele für sich und ihre Community machen und nicht erwarten, dass sie außerhalb Resonanz finden.
Gimmer möchte mit dem Ende des Projekts seine aktive Modding-Zeit beenden. Zu groß ist seine Angst, dass die nächste Mod zwölf statt sechs Jahre verschlingen wird.
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