Ehehölle mit Poststempel
Schon beim Briefwechsel von August Strindberg mit der Journalistin Frida Uhl bekam der Leser Einblicke in eine spannende wie spannungsreiche Beziehung. Nun macht das Hörstück "Der Abgrund, der uns verschlang" den Briefwechsel lebendig.
"Lieber Igel. Du stichst, wenn ich dich liebkose, und du weinst, wenn du gestochen hast."
Sie geben sich zärtliche Tiernamen und bekämpfen sich bis aufs Blut. Gerade einmal vier Jahre lang dauerte die Ehe zwischen der jungen österreichischen Journalistin Frida Uhl und dem 24 Jahre älteren August Strindberg. Es ist der Versuch, in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine moderne Beziehung zu verwirklichen, jenseits bürgerlicher Moralvorstellungen.
"Ich will Ihre Freundin sein, nicht Ihre Herrin, verstehen sie doch. Es steht Ihnen frei, das zu tun, was Ihnen gefällt. Halten Sie sich vor allem nicht dazu verpflichtet, mir treu zu bleiben. Ich gestatte Ihnen alle Seitensprünge, nach denen Ihr Herz begehrt. Ich weiß, dass das überhaupt keine Bedeutung für die Liebe hat."
August Strindberg und Frida Uhl lebten oft getrennt. Was für das Hörstück von Susanne Kittelberger und Robbie Fischer ein Glück ist. Denn so verhandelten die Eheleute ihre vielen Krisen in Briefen, mal wild und emotional, mal kühl und geschäftlich. Strindberg litt unter Schreibblockaden, die Schulden wuchsen. Er musste seiner ersten Frau Alimente zahlen und kaum ein Theater wollte seine Stücke spielen. Seine Verzweiflung ließ er an Frida aus.
"Du glaubst zu wissen, dass dich deine mütterliche Liebe für mich leitet. Das möchte ich sehen! Weißt du, kleines Ding, was sich in einer Menschenseele unter dem Deckmantel edler Gefühle abspielt? Die Mächte der Finsternis spielen ihr hässliches Spiel, und nur der Seher sieht hier klar. Ich bin ein Seher."
André Jung, ein prägender Schauspieler der Münchner Kammerspiele, spricht Strindberg mit bitterbösen Untertönen. Das Unausgesprochene ist schlimmer als jede offene Beleidigung. Fast immer brodeln Aggression, Enttäuschung und tiefe Selbstzweifel in seiner Stimme. Katja Kolm findet als Frida direktere Töne. Sie porträtiert eine aufopferungsvolle Frau, die für Strindberg arbeitet und, versucht, seine Texte zu verkaufen. Dafür erntet sie heftige Vorwürfe. Bis sie nicht mehr kann.
"Ich habe dir alles gegeben, Herz, Seele und meine Arbeitskraft. Ich habe dir meine Liebe gegeben und meine Ruhe. Ich hatte in einigen Sachen Unrecht, das geben ich zu, aber das war nichts Wesentliches. Du, du hast mich behandelt wie ein Wesen, das extra dafür gemacht ist, deine Launen zu ertragen. Du hast mich bis aufs Blut gekränkt."
Nur einmal hört man die beiden zusammen, entspannt, ein fröhliches Paar. Da lesen sie gemeinsam einen Brief von Frida Uhls Vater, der ihrer Hochzeit zustimmt.
"Ich kenne Sie aus Ihren Werken und habe eine hohe Meinung von Ihnen. – Hochachtungsvoll ergebenst – Friedrich Uhl."
Es ist ein liebevoll gestaltetes Hörbuch, subtil in den Nuancen, präzise in der Zusammenstellung der Texte. Nur die Erzählerin Ingrid Mülleder, die verbindende Texte spricht, kann mit den beiden großartigen Schauspielern nicht mithalten. Ihre Stimme klingt oft hart, sie lässt keine Bilder entstehen. Im Laufe der Ehe wird der Ton immer schärfer. Strindberg ist krankhaft eifersüchtig.
"Handelst du mit Absicht und bewusst, oder ist es deine schmutzige Natur, die dich treibt? In London ist dein Ruf gefestigt nach deinem Abendessen in der Öffentlichkeit mit einem jungen Mann. Du als Jungvermählte!"
Wenn die beiden sich sehen, versöhnen sie sich schnell. Doch das ist nur von kurzer Dauer. Strindberg wohnt auf Rügen, in Paris und bei Fridas Eltern im österreichischen Mondsee, fast immer ohne seine Frau. Es scheint fast so, als ob sie sich aus dem Wege gehen. Sie bekommt ein Kind, aber auch das stiftet keine Gemeinsamkeit.
"Du willst, dass ich dein Kind liebe. Dass ich meinen Rivalen liebe."
Auch nach solchen Sätzen verliert Frida nicht die Fassung. Sie analysiert, was gerade passiert. Das sind die beeindruckendsten Momente des Hörbuchs.
"Aber das Schlimmste ist, dass du selber nicht deine furchtbaren Beschuldigungen glaubst. Das ist das Schlimmste! Wenn du nur ein Wort von all dem ernstlich glauben würdest, ich würde mich mit tausend Freuden rein waschen. Ich würde dir auf jede Art beweisen, wie weltenferne mir das alles ist. Aber deine Beschuldigungen sind nichts als eine Waffe."
Nach zwei Jahren beendet sie den Kampf. Strindberg versucht noch, sie zurück zu gewinnen. Aber Frida Uhl hat genug. Der Titel des Hörbuchs überzeugt: "Der Abgrund, der uns verschlang", ein Zitat aus einem ihrer letzten Briefe an Strindberg.
"Das Ganze ist unser beider so unwürdig, dass ich uns nicht wiedererkenne und dich und mich verloren habe."
Besprochen von Stefan Keim
Der Abgrund, der uns verschlang
zwei Audio-CDs, ca. 150 Minuten mit
zwölfseitigem Booklet, Kaleidophon Verlag Berlin.
Sie geben sich zärtliche Tiernamen und bekämpfen sich bis aufs Blut. Gerade einmal vier Jahre lang dauerte die Ehe zwischen der jungen österreichischen Journalistin Frida Uhl und dem 24 Jahre älteren August Strindberg. Es ist der Versuch, in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine moderne Beziehung zu verwirklichen, jenseits bürgerlicher Moralvorstellungen.
"Ich will Ihre Freundin sein, nicht Ihre Herrin, verstehen sie doch. Es steht Ihnen frei, das zu tun, was Ihnen gefällt. Halten Sie sich vor allem nicht dazu verpflichtet, mir treu zu bleiben. Ich gestatte Ihnen alle Seitensprünge, nach denen Ihr Herz begehrt. Ich weiß, dass das überhaupt keine Bedeutung für die Liebe hat."
August Strindberg und Frida Uhl lebten oft getrennt. Was für das Hörstück von Susanne Kittelberger und Robbie Fischer ein Glück ist. Denn so verhandelten die Eheleute ihre vielen Krisen in Briefen, mal wild und emotional, mal kühl und geschäftlich. Strindberg litt unter Schreibblockaden, die Schulden wuchsen. Er musste seiner ersten Frau Alimente zahlen und kaum ein Theater wollte seine Stücke spielen. Seine Verzweiflung ließ er an Frida aus.
"Du glaubst zu wissen, dass dich deine mütterliche Liebe für mich leitet. Das möchte ich sehen! Weißt du, kleines Ding, was sich in einer Menschenseele unter dem Deckmantel edler Gefühle abspielt? Die Mächte der Finsternis spielen ihr hässliches Spiel, und nur der Seher sieht hier klar. Ich bin ein Seher."
André Jung, ein prägender Schauspieler der Münchner Kammerspiele, spricht Strindberg mit bitterbösen Untertönen. Das Unausgesprochene ist schlimmer als jede offene Beleidigung. Fast immer brodeln Aggression, Enttäuschung und tiefe Selbstzweifel in seiner Stimme. Katja Kolm findet als Frida direktere Töne. Sie porträtiert eine aufopferungsvolle Frau, die für Strindberg arbeitet und, versucht, seine Texte zu verkaufen. Dafür erntet sie heftige Vorwürfe. Bis sie nicht mehr kann.
"Ich habe dir alles gegeben, Herz, Seele und meine Arbeitskraft. Ich habe dir meine Liebe gegeben und meine Ruhe. Ich hatte in einigen Sachen Unrecht, das geben ich zu, aber das war nichts Wesentliches. Du, du hast mich behandelt wie ein Wesen, das extra dafür gemacht ist, deine Launen zu ertragen. Du hast mich bis aufs Blut gekränkt."
Nur einmal hört man die beiden zusammen, entspannt, ein fröhliches Paar. Da lesen sie gemeinsam einen Brief von Frida Uhls Vater, der ihrer Hochzeit zustimmt.
"Ich kenne Sie aus Ihren Werken und habe eine hohe Meinung von Ihnen. – Hochachtungsvoll ergebenst – Friedrich Uhl."
Es ist ein liebevoll gestaltetes Hörbuch, subtil in den Nuancen, präzise in der Zusammenstellung der Texte. Nur die Erzählerin Ingrid Mülleder, die verbindende Texte spricht, kann mit den beiden großartigen Schauspielern nicht mithalten. Ihre Stimme klingt oft hart, sie lässt keine Bilder entstehen. Im Laufe der Ehe wird der Ton immer schärfer. Strindberg ist krankhaft eifersüchtig.
"Handelst du mit Absicht und bewusst, oder ist es deine schmutzige Natur, die dich treibt? In London ist dein Ruf gefestigt nach deinem Abendessen in der Öffentlichkeit mit einem jungen Mann. Du als Jungvermählte!"
Wenn die beiden sich sehen, versöhnen sie sich schnell. Doch das ist nur von kurzer Dauer. Strindberg wohnt auf Rügen, in Paris und bei Fridas Eltern im österreichischen Mondsee, fast immer ohne seine Frau. Es scheint fast so, als ob sie sich aus dem Wege gehen. Sie bekommt ein Kind, aber auch das stiftet keine Gemeinsamkeit.
"Du willst, dass ich dein Kind liebe. Dass ich meinen Rivalen liebe."
Auch nach solchen Sätzen verliert Frida nicht die Fassung. Sie analysiert, was gerade passiert. Das sind die beeindruckendsten Momente des Hörbuchs.
"Aber das Schlimmste ist, dass du selber nicht deine furchtbaren Beschuldigungen glaubst. Das ist das Schlimmste! Wenn du nur ein Wort von all dem ernstlich glauben würdest, ich würde mich mit tausend Freuden rein waschen. Ich würde dir auf jede Art beweisen, wie weltenferne mir das alles ist. Aber deine Beschuldigungen sind nichts als eine Waffe."
Nach zwei Jahren beendet sie den Kampf. Strindberg versucht noch, sie zurück zu gewinnen. Aber Frida Uhl hat genug. Der Titel des Hörbuchs überzeugt: "Der Abgrund, der uns verschlang", ein Zitat aus einem ihrer letzten Briefe an Strindberg.
"Das Ganze ist unser beider so unwürdig, dass ich uns nicht wiedererkenne und dich und mich verloren habe."
Besprochen von Stefan Keim
Der Abgrund, der uns verschlang
zwei Audio-CDs, ca. 150 Minuten mit
zwölfseitigem Booklet, Kaleidophon Verlag Berlin.