"Für Journalisten ist Afrika ein Paradies"
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Fünf Jahre lebte Linda Staude in Nairobi und berichtete von dort aus Ost- und Zentralafrika. Ein Traumjob, sagt die Journalistin, die vorher auch schon in Washington war. Jetzt ist sie zurück, aber das Ankommen im deutschen Alltag ist nicht einfach.
Der "ganz bizarre Baum" vor ihrem Schlafzimmerfenster, dazu das Licht der aufgehenden Sonne, das vermisst Linda Staude derzeit am meisten, wenn sie an ihre Zeit in Nairobi zurückdenkt.
Fünf Jahre berichtete sie nicht nur aus Kenia, wo sich das ARD-Hörfunkstudio befindet: Die Korrespondentin war zuständig für Ost- und Zentralafrika. Die Entwicklung von 16 Ländern musste Linda Staude im Auge behalten.
Aber wie soll das gehen? "Mit Schwierigkeiten. Man muss wissen, dass von der Berichterstattungsseite her nicht jedes Land gleich ist", erzählt die Journalistin. Aus Gabun hätte sie z.B. nicht berichtet, "da will nie jemand etwas darüber wissen." Und Geschichten aus Äquatorialguinea suche man deshalb vergebens, "weil die keine Journalisten rein lassen." Chaos, Krankheiten und Katastrophen, "das wird überall vermeldet. Aber all das andere, das auf dem afrikanischen Kontinent passiert, das ist sehr viel schwieriger zu verkaufen."
Vor der Zeit in Nairobi war Linda Staude fünf Jahre in Washington. Für die meisten Korrespondenten der Höhepunkt ihrer beruflichen Karriere. Für die 55-Jährige eher nicht, denn hier stand vor allem die politische Berichterstattung im Vordergrund, für Geschichten "über Land und Leute" wäre kaum Zeit gewesen. "Für Journalisten ist Afrika wirklich das Paradies. Sie haben das gesamte Spektrum der Berichterstattung. Von Geschichtenerzählen, Leute treffen, von Reportagen schreiben. Sie haben natürlich auch Krisen und Katastrophen, Sie haben Geschichten die scheußlich sind, da müssen Sie manchmal selbst mit den Tränen kämpfen. Aber es ist alles da, weswegen man den Beruf irgendwann mal ergriffen hat."
"Ich liebe das Radio"
1964 im Ruhgebiet geboren, wollte Linda Staude zunächst Medizin studieren. Das klappte nicht, also musste Plan B her, der Journalismus. Zeitung, Film und Fernsehen- Linda Staude ist in ihrem Beruf ordentlich herumgekommen. Beim Hörfunk aber ist sie geblieben. "Ich liebe das Radio. Es hat den großen Vorteil zum Fernsehen, dass ich die Bilder mit meiner Sprache, mit meinem Text, im Kopf des Hörers schaffe."
Nach den Jahren in Ost- und Zentralafrika ist sie nun wieder in Köln gelandet. "Man freut sich auf solche Sachen, dass mal wieder alles funktioniert. Wenn Sie in Nairobi von einer Ecke zur anderen wollen, müssen Sie mindestens eine Stunde einkalkulieren. Es sind bestimmte Dinge, die man in Deutschland einfach nicht berücksichtigen muss. Man erwartet einfach, dass der Strom aus der Steckdose kommt und dass das Wasser fließt." Aber nach den Jahren in den USA und Kenia fällt Linda Staude auf, "dass die Deutschen unheimlich unfreundlich geworden sind. In anderen Ländern ist der Umgangston höflicher. Die Kenianer begrüßen einen morgens. Das ist sehr wichtig, dass man auch zurückgrüßt. Das wird sehr geschätzt. Es ist auffällig, dass die Deutschen relativ brummlig sind."
Gedanken macht sich Linda Staude auch um ihre Familie. Ihr Mann stammt aus Nigeria. "Dieser Disput um Ausländer und Flüchtlinge, die Feindlichkeit, die macht mir Angst. Einfach weil meine Familie nun mal schwarz ist. Zwar haben alle inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft, aber das sieht man ihnen ja nicht an."
Wütend über die Flüchtlingsdebatte
Schon als Korrespondentin war Linda Staude verärgert, wie in Deutschland über Flüchtlinge gesprochen wird. "Wenn ich auf das winzige Uganda blicke: Die allein haben zwei Millionen Flüchtlinge aus den Nachbarländern aufgenommen. Und Uganda ist alles andere als reich. Und was mich an dieser ganzen Debatte so wütend macht: Wir gucken nur noch auf die Länder, das ist mein Eindruck, aus denen Flüchtlinge nach Europa zu kommen drohen. Wo das nicht der Fall ist, fällt alles hinten runter."
Mit Hoffnung, vor allem aber auch Skepsis, beobachtet Linda Staude die Diskussionen um das koloniale Erbe, die Rückgabe von afrikanischer Kunst, etwa in Frankreich und Deutschland. "Diese Debatte um Kunst ist der Tatsache geschuldet, dass die afrikanischen Länder jetzt auch ein bisschen selbstbewusster werden und solche Sachen zurückfordern. Man kommt endlich von diesem Entwicklungshilfegedanken runter, dass der Afrikaner ja zu blöd ist, irgendetwas alleine auf die Beine zu stellen."
Am liebsten zurück nach Afrika
In der Wohnung von Linda Staude sieht es inzwischen wieder wohnlich aus. Die Möbel aus Nairobi sind nach zwei Monaten endlich eingetroffen. Und dennoch blickt sie "mit zwei weinenden Augen" auf ihre Korrespondentenzeit zurück. Würde ein Angebot kommen, Linda Staude würde sofort die Koffer packen. Wohin? Fast egal, aber am liebsten nach Afrika.