Ehemaliger polnischer Botschafter: Chopin prägt Identität der Polen noch heute
Der polnische Komponist Frédéric Chopin spiele auch heute noch eine maßgebliche Rolle für die nationale Identität der Polen, sagt Janusz Reiter, ehemaliger polnischer Botschafter in Deutschland und den USA.
Hanns Ostermann: Mit zahlreichen Konzerten und Ausstellungen würdigt derzeit die Musikwelt einen der ganz großen Söhne Polens. Vor 200 Jahren wurde Frédéric Chopin geboren. Laut Taufschein zwar am 22. Februar, die Eltern aber feierten seinen Geburtstag heute, am 1. März. Er war ein Meister seines Fachs, ein genialer Künstler, zugleich aber auch ein verzweifelter Liebhaber und gesundheitlich labiler Eigenbrötler. Ein Mann, der getrieben fast die Hälfte seines Lebens im Ausland verbrachte. Vor allem hielt er sich in Paris auf, wo er im Alter von nur 39 Jahren 1849 starb. Was bedeutete Frédéric Chopin seinen Landsleuten damals und welchen Stellenwert hat er heute? Darüber möchte ich mit Janusz Reiter sprechen. Der gelernte Germanist war früher Botschafter Polens in den USA und Deutschland. Guten Morgen, Herr Reiter!
Janusz Reiter: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Chopin hat einmal geschrieben, da war er 20, 21 Jahre alt: Ich leide darunter, wie ein Zaungast auf die Ereignisse in meiner Heimat schauen zu müssen. Warum litt er so?
Reiter: Ja, stellen Sie sich vor einen jungen Mann, der voller patriotischer Gefühle ist und aus der Ferne, aus der Entfernung zuschauen muss, was in seinem Land vor sich geht. Und das war die Zeit des Aufstandes und seine Generation war im Grunde genommen die, die den Aufstand gemacht hat. Es waren Leute wie er aus dem Kleinadel, die diese Revolution gemacht haben und die dann gescheitert sind. Gott sei Dank war er in der Sicherheit, aber er litt darunter. Ich glaube, was er schrieb darüber, das war echt.
Ostermann: Er hat einmal gesagt: Ein Leichnam hat aufgehört zu leben und auch ich bin des Lebens satt - 1832, als russische Truppen dem Traum eines unabhängigen Polen ein jähes Ende bereiteten. Aber warum blieb er Zaungast, warum ist er nicht nach Polen zurückgekehrt?
Reiter: Na ja, das ... Er war wohl hin und her gerissen zwischen diesem patriotischen Drang, dabei zu sein und den der Realität des Lebens. Er war auch, man muss glaube ich auch ehrlich sagen, als Aufständischer nicht gerade von, wäre nicht von größter Bedeutung gewesen für den Aufstand. Er war ja eher, seine Gesundheit war eher schwach. Also so einer gehörte nicht auf das Schlachtfeld, so einer gehörte nicht auf die Barrikaden. Er war ein Mann, der auch damals schon sehr kränklich war. Also im Grunde genommen, glaube ich, spiegelten diese Sätze eher seinen inneren Zustand wider als ein wirkliches Dilemma, was tun. Wenn er in Polen geblieben wäre, ja dann habe ich keinen Zweifel, dass er in der einen oder der anderen Form sich an dem Aufstand beteiligt hätte.
Ostermann: Kannte man ihn in Polen damals eigentlich schon als den großen Chopin?
Reiter: Als den großen Chopin nicht, aber man kannte ihn. Man kannte ihn nicht in der Weise, wie man heute Komponisten kennt. Selbstverständlich es war eine viel kleinere Schicht, die ihn kannte. Aber sein Ruhm hatte damals noch nicht den Höhepunkt erreicht. Er lebte ja auch in Frankreich. Wobei, zwischen Frankreich, wo viele der für Polen damals wichtigen Vertreter der polnischen Kultur, der Künste, große Dichter wie Mickiewicz gelebt haben, und Polen, der polnischen Schlachter, dem Adel, und das war mehr als in Deutschland, Schlachter war etwa ein Zehntel der Bevölkerung und auch dem Bürgertum, da war ein reger Austausch. Und ja, er wurde zu einer Legende. Wenn man auch heute Gedichte, oder wenn man so Schriftsteller liest aus der damaligen Zeit: Chopin war damals ein Mittelpunkt in dem Leben der polnischen Exilanten in Paris, aber auch in dem Leben von insbesondere jüngeren, gebildeten Polen in Polen selbst.
Ostermann: Er ist vor allem natürlich für seine Klavierstücke bekannt, also für Musik, die sich doch eigentlich dem Politischen entzieht. War er vielleicht dennoch auf seine Weise auch ein politischer Komponist, wenn man an die Bauerntänze denkt?
Reiter: Selbstverständlich, selbstverständlich. Und ich glaube, das Entscheidende für Chopins Bedeutung in Polen liegt darin, dass er in einer wirklich unglaublichen Weise das Besondere, das spezifisch Polnische versöhnte, vereinbarte mit dem Universalen. Also kein polnischer Komponist ist so universal, so kosmopolitisch, wenn Sie so wollen. Und kein Komponist ist gleichzeitig so polnisch in seinem Denken, in seinem Fühlen gewesen wie Chopin. Und das ist wirklich einmalig für ihn. Viele polnische Komponisten, die sich der nationalen Sache verschrieben fühlten, blieben für die Welt, für die Außenwelt mehr oder weniger unverständlich. Aber nicht so Chopin. Insofern ist er wirklich schon einmalig.
Ostermann: Herr Reiter, welche Rolle spielt Chopin heute für das nationale Bewusstsein Polens?
Reiter: Na ja, er spielte vor allem damals und nicht nur damals, sondern in dem ganzen 19. Jahrhundert und auch Anfang dieses Jahrhunderts eine wirklich prägende Rolle für die Bildung des polnischen Nationalbewusstseins, so wie Romantiker in Deutschland eben einen riesigen Einfluss hatten auf die Bildung des deutschen Nationalbewusstseins. Wenn, wenn … Als Anfang des 20. Jahrhunderts der große polnische Pianist Paderewski seine Konzertreise in Amerika machte und dabei auch die große Politik erreichte und für die polnische Sache war, spielte er selbstverständlich Chopin. Und Chopin wurde insofern zu einem Inbegriff des polnischen Schicksals in der Zeit der Teilungen Polens oder auch in Zeiten von Katastrophen wie dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Welche Rolle er heute spielt? Es gab in der kommunistischen Volksrepublik eine Art staatlichen Chopinkult. Heute wird der Chopinkult Gott sei Dank nicht mehr so politisiert, aber er spielt selbstverständlich für die nationale Identität eine ganz große, entscheidende Rolle auch heute. Und ich glaube, das ist heute nicht mehr aufgezwungen, also es gibt heute nicht mehr, wie in meiner Generation, noch in den Schulen den Zwang, sich mit Chopin zu beschäftigen. Aber die Faszination Chopin, die hört nicht auf.
Ostermann: Der frühere Botschafter in Deutschland, Janusz Reiter. Herr Reiter, danke für das Gespräch.
Reiter: Danke schön.
Janusz Reiter: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Chopin hat einmal geschrieben, da war er 20, 21 Jahre alt: Ich leide darunter, wie ein Zaungast auf die Ereignisse in meiner Heimat schauen zu müssen. Warum litt er so?
Reiter: Ja, stellen Sie sich vor einen jungen Mann, der voller patriotischer Gefühle ist und aus der Ferne, aus der Entfernung zuschauen muss, was in seinem Land vor sich geht. Und das war die Zeit des Aufstandes und seine Generation war im Grunde genommen die, die den Aufstand gemacht hat. Es waren Leute wie er aus dem Kleinadel, die diese Revolution gemacht haben und die dann gescheitert sind. Gott sei Dank war er in der Sicherheit, aber er litt darunter. Ich glaube, was er schrieb darüber, das war echt.
Ostermann: Er hat einmal gesagt: Ein Leichnam hat aufgehört zu leben und auch ich bin des Lebens satt - 1832, als russische Truppen dem Traum eines unabhängigen Polen ein jähes Ende bereiteten. Aber warum blieb er Zaungast, warum ist er nicht nach Polen zurückgekehrt?
Reiter: Na ja, das ... Er war wohl hin und her gerissen zwischen diesem patriotischen Drang, dabei zu sein und den der Realität des Lebens. Er war auch, man muss glaube ich auch ehrlich sagen, als Aufständischer nicht gerade von, wäre nicht von größter Bedeutung gewesen für den Aufstand. Er war ja eher, seine Gesundheit war eher schwach. Also so einer gehörte nicht auf das Schlachtfeld, so einer gehörte nicht auf die Barrikaden. Er war ein Mann, der auch damals schon sehr kränklich war. Also im Grunde genommen, glaube ich, spiegelten diese Sätze eher seinen inneren Zustand wider als ein wirkliches Dilemma, was tun. Wenn er in Polen geblieben wäre, ja dann habe ich keinen Zweifel, dass er in der einen oder der anderen Form sich an dem Aufstand beteiligt hätte.
Ostermann: Kannte man ihn in Polen damals eigentlich schon als den großen Chopin?
Reiter: Als den großen Chopin nicht, aber man kannte ihn. Man kannte ihn nicht in der Weise, wie man heute Komponisten kennt. Selbstverständlich es war eine viel kleinere Schicht, die ihn kannte. Aber sein Ruhm hatte damals noch nicht den Höhepunkt erreicht. Er lebte ja auch in Frankreich. Wobei, zwischen Frankreich, wo viele der für Polen damals wichtigen Vertreter der polnischen Kultur, der Künste, große Dichter wie Mickiewicz gelebt haben, und Polen, der polnischen Schlachter, dem Adel, und das war mehr als in Deutschland, Schlachter war etwa ein Zehntel der Bevölkerung und auch dem Bürgertum, da war ein reger Austausch. Und ja, er wurde zu einer Legende. Wenn man auch heute Gedichte, oder wenn man so Schriftsteller liest aus der damaligen Zeit: Chopin war damals ein Mittelpunkt in dem Leben der polnischen Exilanten in Paris, aber auch in dem Leben von insbesondere jüngeren, gebildeten Polen in Polen selbst.
Ostermann: Er ist vor allem natürlich für seine Klavierstücke bekannt, also für Musik, die sich doch eigentlich dem Politischen entzieht. War er vielleicht dennoch auf seine Weise auch ein politischer Komponist, wenn man an die Bauerntänze denkt?
Reiter: Selbstverständlich, selbstverständlich. Und ich glaube, das Entscheidende für Chopins Bedeutung in Polen liegt darin, dass er in einer wirklich unglaublichen Weise das Besondere, das spezifisch Polnische versöhnte, vereinbarte mit dem Universalen. Also kein polnischer Komponist ist so universal, so kosmopolitisch, wenn Sie so wollen. Und kein Komponist ist gleichzeitig so polnisch in seinem Denken, in seinem Fühlen gewesen wie Chopin. Und das ist wirklich einmalig für ihn. Viele polnische Komponisten, die sich der nationalen Sache verschrieben fühlten, blieben für die Welt, für die Außenwelt mehr oder weniger unverständlich. Aber nicht so Chopin. Insofern ist er wirklich schon einmalig.
Ostermann: Herr Reiter, welche Rolle spielt Chopin heute für das nationale Bewusstsein Polens?
Reiter: Na ja, er spielte vor allem damals und nicht nur damals, sondern in dem ganzen 19. Jahrhundert und auch Anfang dieses Jahrhunderts eine wirklich prägende Rolle für die Bildung des polnischen Nationalbewusstseins, so wie Romantiker in Deutschland eben einen riesigen Einfluss hatten auf die Bildung des deutschen Nationalbewusstseins. Wenn, wenn … Als Anfang des 20. Jahrhunderts der große polnische Pianist Paderewski seine Konzertreise in Amerika machte und dabei auch die große Politik erreichte und für die polnische Sache war, spielte er selbstverständlich Chopin. Und Chopin wurde insofern zu einem Inbegriff des polnischen Schicksals in der Zeit der Teilungen Polens oder auch in Zeiten von Katastrophen wie dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Welche Rolle er heute spielt? Es gab in der kommunistischen Volksrepublik eine Art staatlichen Chopinkult. Heute wird der Chopinkult Gott sei Dank nicht mehr so politisiert, aber er spielt selbstverständlich für die nationale Identität eine ganz große, entscheidende Rolle auch heute. Und ich glaube, das ist heute nicht mehr aufgezwungen, also es gibt heute nicht mehr, wie in meiner Generation, noch in den Schulen den Zwang, sich mit Chopin zu beschäftigen. Aber die Faszination Chopin, die hört nicht auf.
Ostermann: Der frühere Botschafter in Deutschland, Janusz Reiter. Herr Reiter, danke für das Gespräch.
Reiter: Danke schön.