Ehrenamt statt Arbeitslosigkeit
Am 5. Dezember ist der Internationale Tag des Ehrenamts - dann wird traditionell auf viele vorbildliche Engagements hingewiesen. Doch es knirscht auch an der Front: Nämlich dort, wo bezahlte und unbezahlte Arbeit aufeinandertreffen.
Simone Schuster: "Es ist ja schon so, dass man denkt: Ich hab keinen Job, alle anderen machen was, nur ich nicht, dann geht man zum Briefkasten, dann ist wieder der große Umschlag drin."
Absagen über Absagen. Trotz ihres guten Examens fand die Juristin Simone Schuster keinen Job. Sie erfuhr, dass der Sozialdienst Katholischer Frauen Freiwillige für einen anonymen Chat für Frauen mit Gewalterfahrungen sucht.
"Ein ganz großes Thema ist eben sexueller Missbrauch, vor allen Dingen in der Kindheit oder viele Frauen, die in 'ner Beziehung leben, wo sie halt regelmäßig verprügelt werden und da irgendwie den Absprung nicht schaffen – das sind so zwei große Themenbereiche."
Ehrenamt jenseits aller Klischees. Fordernd, anspruchsvoll, teilweise belastend. Und typisch für das moderne Ehrenamt. Ohne Menschen wie Simone Schuster könnte der SKF solche Projekte gar nicht anbieten. Auf zwei Hauptamtler kommt hier ein Ehrenamtler. Von denen wiederum ist jeder Zweite arbeitslos, erklärt Anne Rossenbach, zuständige Referentin für Ehrenamt:
"Da gibt's die Bankerin, die arbeitet jetzt im Bereich Verwaltung, es gibt die Unternehmensberaterin, die macht jetzt Fremdsprachenkurse für Frauen. Es gibt eine Lehrerin, die jetzt auch wieder unterrichtet, nur ganz andere Kinder, als die früher unterrichtet hat."
Jeder achte Ehrenamtler engagiert sich im Bereich "Religion und Kirche", so das Ergebnis der vom Familienministerium herausgegebenen Studie "Monitor Engagement".
In Zeiten knapper Kassen werden gerade qualifizierte Freiwillige stark umworben. Mit Nächstenliebe und Fürsorge hat das wenig zu tun – vielmehr mehr mit ökonomischen Zwängen. Doch zweckorientierte Motive finden sich auf beiden Seiten: Jeder zehnte engagierte Arbeitslose hofft, durch seine freiwillige Tätigkeit beruflich voranzukommen. Eigennutz statt Nächstenliebe? Selbstverwirklichung statt Barmherzigkeit? Das scheint der Wandel im bürgerschaftlichen Engagement zu sein.
Doch kann sich nicht auch daraus eine Win-Win-Sitaution ergeben? Die Sozialwissenschaftlerin Dr. Rosine Schulz hat über das ehrenamtliche Engagement Arbeitsloser promoviert und sieht viele Vorteile:
"Wenn sich ein Arbeitsloser freiwillig engagiert, dann hat er auch wieder das Gefühl, gebraucht zu werden. Ein Arbeitsloser, der sich engagiert, der bekommt wieder den Eindruck, einer sinnvollen Aufgabe nachzugehen. Diese neue Aufgabe und dieses Gefühl, gebraucht zu werden, das bestärkt ihn in seinem Selbstwertgefühl."
Tagesstruktur, soziale Kontakte und Kompetenzvorteil durch Ehrenamtsfortbildungen sind die wichtigsten immateriellen Vorteile. Doch wie viel hat das noch mit christlicher Nächstenliebe zu tun, wenn der Ehrenamtler seine – eigentlich uneigennützige - Tätigkeit vor allem aus Eigeninteresse aufnimmt? Das fragte die Caritas provokant auf ihrem diesjährigen Kongress – ohne klar eine Antwort auf diese Frage zu geben.
Anne Rossenbach: "Diese Fachfrauen, die dann arbeitslos sind, hoffen natürlich so ein bisschen quasi über den 'Klebeeffekt' – 'Da bin ich schon mal da, da ergibt sich vielleicht schon mal was.' Und das macht es für alle schwierig."
Streichung des Zivildienstes, Milliardendefizit der Kommunen – der Sozialstaat würde auf dem Rücken der Ehrenamtler umgebaut, so befürchten manche. Und das funktioniert auch deshalb so gut, weil es so viele hoch qualifizierte Arbeitslose gibt.
Donnerstagabend in einem städtischen Bürgerzentrum in Köln. Achim Niewind , studierter Psychologe und Sozialwissenschaftler, leitet unter der Woche hier eine Selbsthilfegruppe für depressive Menschen. Vor Jahren war er selbst erkrankt und verlor darüber seine Arbeit:
"Es ist nicht immer Zuckerschlecken – ich führe nicht Pudel aus, sondern es geht um manchmal belastende Dinge, häufig sogar belastende Dinge, mein Schwerpunkt ist ja nun ziemlich hardcore: der Umgang mit psychischem Elend, teilweise in die Abgründe hinein, wo Gewalt und Missbrauch immer mal wieder zum Thema wird, das sind Dinge, die doch sehr tief gehen können, das ist auch nicht jedem zu empfehlen."
Natürlich wäre es sein Traum, irgendwie finanziell entlohnt zu werden - für diese belastende und qualifizierte Arbeit. Doch ein Geldgeber hat sich bis heute nicht gefunden:
"Das ist anstrengend, aber das Positive ist: Ich bin insgesamt, auch in diesem Verein hier, eingebunden in 'ne Gruppe von Menschen, die bei allen unterschiedlichen Motivationen doch alle das Bestreben haben, miteinander konstruktiv umzugehen, also Werte umzusetzen, die auch zu leben und zu praktizieren und eben in 'ner Gesellschaft, in der so viel ausschließlich über Bereicherung, über Rücksichtslosigkeit und Härte abläuft, es doch ein bisschen anders zu machen."
Achim Niewind hat im Ehrenamt seinen Lebenssinn gefunden – jenseits der Erwerbsarbeit. Ein Vorbild auch für andere Arbeitslose also? Interessant ist: Doppelt so viele Arbeitslose würden sich gerne engagieren, als die, die es tatsächlich tun, so das Ergebnis der letzten Freiwilligenerhebungen. Was sie oft hindert, ist das negative Image, das Arbeitslosen anhaftet, so Rosine Schulz. Wenig geschätzt in der Arbeitswelt, und wenig geschätzt im Ehrenamt:
"Als Beispiel heißt es oft: Wenn sich ein Erwerbstätiger engagiert, wird dies geschätzt. Wenn sich allerdings ein Arbeitsloser engagiert, heißt es oft: Er hat ja auch genug Zeit dazu."
Staat und Kirchen ermutigen die Menschen bei jeder erdenklichen Gelegenheit eine – so der Slogan - "aktive Bürgergesellschaft" mitzugestalten. Hört sich verlockend an. Tatsache ist aber, dass sechs Milliarden kostenlose Arbeitsstunden im Jahr ihre Schattenseite haben. Denn vor Ort kommt es nicht selten vor, dass Ehrenamtliche und Hauptamtliche um Arbeit konkurrieren.
Konkurrenz von bezahlter und unbezahlter Arbeit, Verdrängung von Erwerbsarbeit, all diese Probleme sind nur durch ein professionelles Ehrenamtsmanagement in den Griff zu kriegen. Ehrenamtslotsen oder Ehrenamtskoordinatoren, die Konflikte erkennen und versuchen, sie zu lösen, sind ein wichtiger Schritt dorthin.
Monika Brunst ist solch eine Ehrenamtskoordinatorin bei "Mensch zu Mensch", der Freiwilligenagentur von Diakonie und Caritas. Für sie ist es wichtig, die Hoffnungen der Arbeitslosen offen anzusprechen:
"Wenn jetzt jemand sagt: Ich will ja eigentlich wieder in einen Beruf. Und ich mache jetzt zum Beispiel den Internet-Kurs für Senioren, weil ich mir erhoffe, dass der Träger mich danach als Honorarkraft anstellt, da muss ich die Leute enttäuschen. Wer also erhofft, dass er im Caritas-Verband irgendetwas freiwillig tut, um dann da eine Stelle zu bekommen, dem sag ich, dass das sehr unwahrscheinlich ist in der heutigen Stellensituation."
Der Sozialdienst Katholischer Frauen hingegen setzt Freiwillige nur noch fachfremd ein: das heißt zum Beispiel die Altenpflegerin arbeitet mit straffälligen Jugendlichen. Einerseits Vergeudung von Ressourcen, andererseits Konfliktvorbeugung.
Anne Rossenbach: "Es ist natürlich für einen selber 'ne belastende Situation, wenn man in seinem Status als Ehrenamtliche guckt, wie die anderen Kolleginnen zum Beispiel ins Team gehen. Und man selber hat diese Erfahrung vielleicht vor zwei, drei Monaten verlassen und steht jetzt da und soll ehrenamtlich jetzt vielleicht Sprachunterricht geben, Hausaufgabenhilfe und so weiter und sieht, dass die Hauptamtlichen nebenan sitzen und 'ne Teamsitzung haben. Das ist schwer zu ertragen, und das macht natürlich auch Probleme, weshalb wir dann immer dafür plädieren: Wenn man denn ehrenamtlich tätig werden möchte als Profifrau, dann soll man wenigstens einen Arbeitsbereich suchen, den man nicht kennt."
Eine solch dezidierte Position ist aber noch die Ausnahme. Die Sozialwissenschaftlerin Rosine Schulz kommt in ihrer Studie zum eindeutigen Ergebnis: Es lohnt sich! Es lohnt sich, die Konflikte auszuhalten, es lohnt sich, in Beratung zu investieren, es lohnt sich, die Arbeitslosen zu ermutigen. Denn nur so können auch sie ein wichtiger Bestandteil der Bürgergesellschaft werden. Denn bislang galt meist die Gleichung: Ausgeschlossen aus der Arbeitsgesellschaft heißt ausgeschlossen aus der Bürgergesellschaft. Eine doppelte Diskriminierung.
Rosine Schulz: "Weil diese Aufnahme einer Engagementtätigkeit eben ein guter Ansatz ist, diesen hilfsbedürftigen Menschen ihr Selbstbewusstsein zurückzugeben, ihnen das Gefühl zu gönnen, selbst Verantwortung innerhalb der Gesellschaft übernehmen zu können und selbst auch für die Gesellschaft etwas Gutes tun zu können. Damit würde sich nämlich die Rolle ändern und zu dieser Nehmer-Rolle dieses Personenkreises kommt dann auch die Geberrolle hinzu. Und diese Rolle ist die, die stärkt und emanzipiert."
Simone Schuster hat nach neun Monaten Arbeitslosigkeit ihren ersten Job: als Rechtsanwältin in einer Kanzlei. Den Chat für Frauen mit Gewalterfahrungen betreut sie weiterhin.
Achim Niewind geht nach wie vor in seiner Arbeit mit psychisch kranken Menschen auf und hofft, dass ihn so bald niemand zur "Bürgerarbeit" heranziehen wird, die ab 2011 in ganz Deutschland für Hartz-IV-Empfänger eingeführt werden soll.
Achim Niewind: "Ich kann basteln. Selbsthilfeleute, wenn sie kreativ sind, können sich immer wieder überlegen: Wie kann ich mir und anderen noch besser helfen? Da ist ein hohes Maß an Flexibilität drin. Und Freiheit."
Simone Schuster: "Einfach, dass man das Gefühl hat, man hat was gemacht. Man hat irgendwen glücklich gemacht. Oder irgendwer freut sich einfach darüber, dass man da ist."
Absagen über Absagen. Trotz ihres guten Examens fand die Juristin Simone Schuster keinen Job. Sie erfuhr, dass der Sozialdienst Katholischer Frauen Freiwillige für einen anonymen Chat für Frauen mit Gewalterfahrungen sucht.
"Ein ganz großes Thema ist eben sexueller Missbrauch, vor allen Dingen in der Kindheit oder viele Frauen, die in 'ner Beziehung leben, wo sie halt regelmäßig verprügelt werden und da irgendwie den Absprung nicht schaffen – das sind so zwei große Themenbereiche."
Ehrenamt jenseits aller Klischees. Fordernd, anspruchsvoll, teilweise belastend. Und typisch für das moderne Ehrenamt. Ohne Menschen wie Simone Schuster könnte der SKF solche Projekte gar nicht anbieten. Auf zwei Hauptamtler kommt hier ein Ehrenamtler. Von denen wiederum ist jeder Zweite arbeitslos, erklärt Anne Rossenbach, zuständige Referentin für Ehrenamt:
"Da gibt's die Bankerin, die arbeitet jetzt im Bereich Verwaltung, es gibt die Unternehmensberaterin, die macht jetzt Fremdsprachenkurse für Frauen. Es gibt eine Lehrerin, die jetzt auch wieder unterrichtet, nur ganz andere Kinder, als die früher unterrichtet hat."
Jeder achte Ehrenamtler engagiert sich im Bereich "Religion und Kirche", so das Ergebnis der vom Familienministerium herausgegebenen Studie "Monitor Engagement".
In Zeiten knapper Kassen werden gerade qualifizierte Freiwillige stark umworben. Mit Nächstenliebe und Fürsorge hat das wenig zu tun – vielmehr mehr mit ökonomischen Zwängen. Doch zweckorientierte Motive finden sich auf beiden Seiten: Jeder zehnte engagierte Arbeitslose hofft, durch seine freiwillige Tätigkeit beruflich voranzukommen. Eigennutz statt Nächstenliebe? Selbstverwirklichung statt Barmherzigkeit? Das scheint der Wandel im bürgerschaftlichen Engagement zu sein.
Doch kann sich nicht auch daraus eine Win-Win-Sitaution ergeben? Die Sozialwissenschaftlerin Dr. Rosine Schulz hat über das ehrenamtliche Engagement Arbeitsloser promoviert und sieht viele Vorteile:
"Wenn sich ein Arbeitsloser freiwillig engagiert, dann hat er auch wieder das Gefühl, gebraucht zu werden. Ein Arbeitsloser, der sich engagiert, der bekommt wieder den Eindruck, einer sinnvollen Aufgabe nachzugehen. Diese neue Aufgabe und dieses Gefühl, gebraucht zu werden, das bestärkt ihn in seinem Selbstwertgefühl."
Tagesstruktur, soziale Kontakte und Kompetenzvorteil durch Ehrenamtsfortbildungen sind die wichtigsten immateriellen Vorteile. Doch wie viel hat das noch mit christlicher Nächstenliebe zu tun, wenn der Ehrenamtler seine – eigentlich uneigennützige - Tätigkeit vor allem aus Eigeninteresse aufnimmt? Das fragte die Caritas provokant auf ihrem diesjährigen Kongress – ohne klar eine Antwort auf diese Frage zu geben.
Anne Rossenbach: "Diese Fachfrauen, die dann arbeitslos sind, hoffen natürlich so ein bisschen quasi über den 'Klebeeffekt' – 'Da bin ich schon mal da, da ergibt sich vielleicht schon mal was.' Und das macht es für alle schwierig."
Streichung des Zivildienstes, Milliardendefizit der Kommunen – der Sozialstaat würde auf dem Rücken der Ehrenamtler umgebaut, so befürchten manche. Und das funktioniert auch deshalb so gut, weil es so viele hoch qualifizierte Arbeitslose gibt.
Donnerstagabend in einem städtischen Bürgerzentrum in Köln. Achim Niewind , studierter Psychologe und Sozialwissenschaftler, leitet unter der Woche hier eine Selbsthilfegruppe für depressive Menschen. Vor Jahren war er selbst erkrankt und verlor darüber seine Arbeit:
"Es ist nicht immer Zuckerschlecken – ich führe nicht Pudel aus, sondern es geht um manchmal belastende Dinge, häufig sogar belastende Dinge, mein Schwerpunkt ist ja nun ziemlich hardcore: der Umgang mit psychischem Elend, teilweise in die Abgründe hinein, wo Gewalt und Missbrauch immer mal wieder zum Thema wird, das sind Dinge, die doch sehr tief gehen können, das ist auch nicht jedem zu empfehlen."
Natürlich wäre es sein Traum, irgendwie finanziell entlohnt zu werden - für diese belastende und qualifizierte Arbeit. Doch ein Geldgeber hat sich bis heute nicht gefunden:
"Das ist anstrengend, aber das Positive ist: Ich bin insgesamt, auch in diesem Verein hier, eingebunden in 'ne Gruppe von Menschen, die bei allen unterschiedlichen Motivationen doch alle das Bestreben haben, miteinander konstruktiv umzugehen, also Werte umzusetzen, die auch zu leben und zu praktizieren und eben in 'ner Gesellschaft, in der so viel ausschließlich über Bereicherung, über Rücksichtslosigkeit und Härte abläuft, es doch ein bisschen anders zu machen."
Achim Niewind hat im Ehrenamt seinen Lebenssinn gefunden – jenseits der Erwerbsarbeit. Ein Vorbild auch für andere Arbeitslose also? Interessant ist: Doppelt so viele Arbeitslose würden sich gerne engagieren, als die, die es tatsächlich tun, so das Ergebnis der letzten Freiwilligenerhebungen. Was sie oft hindert, ist das negative Image, das Arbeitslosen anhaftet, so Rosine Schulz. Wenig geschätzt in der Arbeitswelt, und wenig geschätzt im Ehrenamt:
"Als Beispiel heißt es oft: Wenn sich ein Erwerbstätiger engagiert, wird dies geschätzt. Wenn sich allerdings ein Arbeitsloser engagiert, heißt es oft: Er hat ja auch genug Zeit dazu."
Staat und Kirchen ermutigen die Menschen bei jeder erdenklichen Gelegenheit eine – so der Slogan - "aktive Bürgergesellschaft" mitzugestalten. Hört sich verlockend an. Tatsache ist aber, dass sechs Milliarden kostenlose Arbeitsstunden im Jahr ihre Schattenseite haben. Denn vor Ort kommt es nicht selten vor, dass Ehrenamtliche und Hauptamtliche um Arbeit konkurrieren.
Konkurrenz von bezahlter und unbezahlter Arbeit, Verdrängung von Erwerbsarbeit, all diese Probleme sind nur durch ein professionelles Ehrenamtsmanagement in den Griff zu kriegen. Ehrenamtslotsen oder Ehrenamtskoordinatoren, die Konflikte erkennen und versuchen, sie zu lösen, sind ein wichtiger Schritt dorthin.
Monika Brunst ist solch eine Ehrenamtskoordinatorin bei "Mensch zu Mensch", der Freiwilligenagentur von Diakonie und Caritas. Für sie ist es wichtig, die Hoffnungen der Arbeitslosen offen anzusprechen:
"Wenn jetzt jemand sagt: Ich will ja eigentlich wieder in einen Beruf. Und ich mache jetzt zum Beispiel den Internet-Kurs für Senioren, weil ich mir erhoffe, dass der Träger mich danach als Honorarkraft anstellt, da muss ich die Leute enttäuschen. Wer also erhofft, dass er im Caritas-Verband irgendetwas freiwillig tut, um dann da eine Stelle zu bekommen, dem sag ich, dass das sehr unwahrscheinlich ist in der heutigen Stellensituation."
Der Sozialdienst Katholischer Frauen hingegen setzt Freiwillige nur noch fachfremd ein: das heißt zum Beispiel die Altenpflegerin arbeitet mit straffälligen Jugendlichen. Einerseits Vergeudung von Ressourcen, andererseits Konfliktvorbeugung.
Anne Rossenbach: "Es ist natürlich für einen selber 'ne belastende Situation, wenn man in seinem Status als Ehrenamtliche guckt, wie die anderen Kolleginnen zum Beispiel ins Team gehen. Und man selber hat diese Erfahrung vielleicht vor zwei, drei Monaten verlassen und steht jetzt da und soll ehrenamtlich jetzt vielleicht Sprachunterricht geben, Hausaufgabenhilfe und so weiter und sieht, dass die Hauptamtlichen nebenan sitzen und 'ne Teamsitzung haben. Das ist schwer zu ertragen, und das macht natürlich auch Probleme, weshalb wir dann immer dafür plädieren: Wenn man denn ehrenamtlich tätig werden möchte als Profifrau, dann soll man wenigstens einen Arbeitsbereich suchen, den man nicht kennt."
Eine solch dezidierte Position ist aber noch die Ausnahme. Die Sozialwissenschaftlerin Rosine Schulz kommt in ihrer Studie zum eindeutigen Ergebnis: Es lohnt sich! Es lohnt sich, die Konflikte auszuhalten, es lohnt sich, in Beratung zu investieren, es lohnt sich, die Arbeitslosen zu ermutigen. Denn nur so können auch sie ein wichtiger Bestandteil der Bürgergesellschaft werden. Denn bislang galt meist die Gleichung: Ausgeschlossen aus der Arbeitsgesellschaft heißt ausgeschlossen aus der Bürgergesellschaft. Eine doppelte Diskriminierung.
Rosine Schulz: "Weil diese Aufnahme einer Engagementtätigkeit eben ein guter Ansatz ist, diesen hilfsbedürftigen Menschen ihr Selbstbewusstsein zurückzugeben, ihnen das Gefühl zu gönnen, selbst Verantwortung innerhalb der Gesellschaft übernehmen zu können und selbst auch für die Gesellschaft etwas Gutes tun zu können. Damit würde sich nämlich die Rolle ändern und zu dieser Nehmer-Rolle dieses Personenkreises kommt dann auch die Geberrolle hinzu. Und diese Rolle ist die, die stärkt und emanzipiert."
Simone Schuster hat nach neun Monaten Arbeitslosigkeit ihren ersten Job: als Rechtsanwältin in einer Kanzlei. Den Chat für Frauen mit Gewalterfahrungen betreut sie weiterhin.
Achim Niewind geht nach wie vor in seiner Arbeit mit psychisch kranken Menschen auf und hofft, dass ihn so bald niemand zur "Bürgerarbeit" heranziehen wird, die ab 2011 in ganz Deutschland für Hartz-IV-Empfänger eingeführt werden soll.
Achim Niewind: "Ich kann basteln. Selbsthilfeleute, wenn sie kreativ sind, können sich immer wieder überlegen: Wie kann ich mir und anderen noch besser helfen? Da ist ein hohes Maß an Flexibilität drin. Und Freiheit."
Simone Schuster: "Einfach, dass man das Gefühl hat, man hat was gemacht. Man hat irgendwen glücklich gemacht. Oder irgendwer freut sich einfach darüber, dass man da ist."