Ehrenamt wird teuer

Von Jochen Stöckmann |
Etwa 60.000 Kunstinteressierte engagieren sich in Fördervereinen für ihre Museen vor Ort, finanziell wie ideell. Ohne sie könnte so manche Ausstellung nicht mehr stattfinden, manche Stelle wäre nicht finanzierbar. Doch die ehrenamtliche Kunsthilfe erhält nun einen Dämpfer: Nach dem Willen des Bundesfinanzministeriums ist der bislang unentgeltliche Eintritt für Fördermitglieder als "geldwerter Vorteil" anzusehen und damit nicht mehr steuerlich absetzbar ist. Die Fördervereine fürchten nun, dass die Mitglieder schwinden werden.
Weit mehr aktive als passive Mitglieder engagieren sich in den 37 Fördervereinen der Kunstmuseen, die sich vor drei Jahren in einem Bundesverband zusammengeschlossen haben. Dessen Präsident, Ekkehard Nümann aus Hamburg, fürchtet nun allerdings, dass ein wesentlicher Anreiz für das ehrenamtliche Engagement wegfällt. Das Bundesfinanzministerium beharrt nämlich neuerdings darauf, dass der freie Eintritt für Museumsförderer als sogenannter "geldwerter Vorteil" die steuerliche Absetzbarkeit der Mitgliedsbeiträge einschränkt:

Nümann: "Und das macht natürlich gewaltige Unruhe, weil es eine Möglichkeit war, Dankeschön zu sagen bei den Fördermitgliedern indem sie freien Eintritt haben. Welche Möglichkeit hat man sonst, um weitere Mitglieder zu gewinnen, um bürgerliches Engagement weiter zu verstärken? Das fällt jetzt weg, und deshalb sind wir in ganz großer Sorge."

Der Finanzminister begründet sein Vorgehen mit dem Verweis darauf, dass die Fördervereine zumeist der "Freizeitgestaltung" ihrer Mitglieder dienen. Die Realität aber sieht - in Zeiten knapper staatlicher Mittel und - ganz anders aus:

Nümann: "Wir finanzieren das Jahrbuch, wir finanzieren eine Schriftenreihe, viele Dinge, auch Ankäufe, Wir machen auch ganz andere Förderung und bezahlen beispielsweise eine Volontärsstelle für die Kunsthalle, damit junge Leute das Handwerk lernen. Das finden wir auch ganz wichtig, obwohl das eigentlich eine staatliche Aufgabe wäre - also, da wird es uns schon ein bisschen unheimlich, dass wir nun auch noch eine Stelle bezahlen. Wir tun das aber sehr gerne."

Mehr als nur privates Kunstinteresse bewegt auch den Förderkreis des hannoverschen Sprengel-Museums, berichtet dessen Vorsitzende Angela Kriesel:

"Wir haben jetzt über mehrere Jahre eine junge Frau finanziert, die Provenienzforschung betrieben hat, um den Werken jeweils nachzugehen, woher sind die gekommen? Denn gerade für diese Sammlung, die während der Nazizeit angefangen hat, ist das eine unglaublich wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe, die wir da erfüllen."

Aber auch auf Verbandsebene schmoren die Fördervereine keineswegs im eigenen Saft, betont ihr Präsident Ekkehard Nümann:

"Wir sind jetzt 37 Fördervereine bundesweit mit weit über 60.000 Mitgliedern. Wir sind vernetzt mit dem Kulturkreis des BDI in Berlin und mit den Kunstvereinen in Deutschland. Das sind über 200 Kunstvereine mit weit über 220.000 Mitgliedern - und da haben wir uns kurzgeschlossen. Denn es betrifft uns alle - und ich glaube, an diesen Punkt ist einfach nicht gedacht worden."

Zudem wird mit der bundeseinheitlichen Weisung des Finanzministers über einen Kamm geschoren, was sich "vor Ort", in den einzelnen Museen, als Gegenteil einer abgehobenen Verbandslobby erweist:

Nümann: "Die Museumslandschaft ist sehr bunt, die ist sehr unterschiedlich strukturiert, das ist historisch gewachsen. Aber wir machen alle das gleiche, wir sind Fanclubs unserer Häuser, ganz individuell. Wir leisten eine Unterstützung, und die darf nicht gefährdet werden. Es widersprich ja auch der Koalitionsvereinbarung, wo gesagt worden ist, das bürgerschaftliche Engagement, das Ehrenamt sei zu fördern und zu stärken. Das ist nun genau das Gegenteil, was hier gemacht wird und erreicht wird."

Während in Hansestädten wie Hamburg oder Bremen massives Bürgerengagement Fördervereine prägt, deren Mitgliederzahlen in die Tausende gehen, gilt für einen Freundeskreis wie den des Sprengel-Museums eher die Devise "klein, aber fein": Hier werden Spenden gezahlt, die weit über die normalen Mitgliedsbeiträge hinausgehen. Da wirkt sich die Weisung des Bundesfinanzministers um so härter aus, konstatiert Angela Kriesel:

"Wir erleben, dass die Leute jetzt einfach nur noch ihren geringen Mitgliedsbeitrag bezahlen, und die Spender einfach nicht mehr zahlen. So unterschiedlich die Strukturen auch sind in den Vereinen, es wirkt sich bei jedem sicher in negativer Form ganz massiv aus."

In Hamburg nämlich erbringt der Förderverein der Kunsthalle, was Staat und Sponsoren nicht mehr schaffen:

Nümann: "Weil die Häuser zunehmend Schwierigkeiten haben Sponsoren zu finden. Wir haben also die große Corinth-Ausstellung in Hamburg bezahlt, wir haben die Surrealismus-Ausstellung bezahlt, wir haben Francis Bacon bezahlt. Wenn wir angesprochen werden als Förderverein, helfen wir sofort und sagen, klar, wenn diese Ausstellung sonst nicht stattfinden könnte, dann springen wir ein und sind auch Sponsor."

Was die Paragraphenreiter im Ministerium nicht bedenken: Der jahrzehntelang angeblich zu Unrecht, also gegen den Buchstaben des Gesetzes gewährte Steuervorteil wiegt nicht annähernd jene Leistungen auf, die zumeist noch weit über das Ehrenamt hinausgehen. Deshalb, so Nümann, sollte Berlin jetzt endlich dem Geist des Gesetzes Genüge tun:

"Ich glaube, dass die Gesetzgebung gefordert ist, Anreize zu schaffen. Denn wer ist noch motiviert, für seine Museen etwas zu machen, wenn er dann bestraft wird?"