Ehrenrettung einer Ikone
"Moby Dick" gilt heute als der bekannteste Romantitel der Literaturgeschichte, und das weltweit. Als der Roman 1851 erschien, war er ein Flop; heute wird er als eine Art Ikone der amerikanischen Literatur verehrt.
Der Geschichte von "Moby Dick" und dessen Autor Herman Melville ist der amerikanische Journalist und Sachbuch-Autor Andrew Delbanco in seiner Melville-Biographie "Melville" nachgegangen; Delbanco lehrt seit 1985 englische Literatur an der Columbia University, war Vize-Präsident des amerikanischen PEN-Clubs und hat verschiedene Sachbücher zum Thema Religion und Ideologie in der Geschichte der USA geschrieben.
Herman Melville wurde 1819 in New York geboren, er stammte aus einer gutbürgerlichen Familie; allerdings machte sein Vater, der ein Herrenkonfektionsgeschäft hatte, bankrott. Die Familie lebte daraufhin in erster Linie von der Verwandtschaft, aber doch weiter auf großem Fuß.
Der junge Melville unternahm Reisen als Matrose, unter anderem auf einem Walfangschiff, schrieb dann zwei Südseeromane, die relativ erfolgreich waren - allerdings weniger wegen ihrer literarischen Qualität als wegen ihrer sexuellen Freizügigkeit.
Melville sah sich bereits als großer Schriftsteller; vom Größenwahn gepackt, verfasste er den Roman "Moby Dick", der zu einem absoluten Flop wurde. Melville schrieb trotzdem bis zu seinem Lebensende weiter - ohne Erfolg - und musste 1866 eine Stelle als Zollinspektor im New Yorker Hafen annehmen. Er starb, von der Welt weitgehend vergessen, 1881.
Delbanco geht das Moby-Dick-Thema weitgehend objektiv an, also fair aber hart. Denn "Moby Dick" war damals und ist bis heute als Roman kaum konsumierbar; Delbanco nennt "Moby Dick" "chaotisch und schwerfällig" beziehungsweise eine "intellektuelle Fischsuppe", und er zitiert auch gleich auf Seite eins Joseph Conrad, der über "Moby Dick" sagte, in dem ganzen Buch gebe es "keine einzige aufrichtige Zeile", was ein Nuance zu hart ist.
Insofern macht sich Delbanco zu einer partiellen Ehrenrettung Melvilles auf; dazu arbeitet er sich akribisch durch alle Erzählungen Melvilles, in denen dann doch zum Ausdruck kommt, was für ein Talent Melville besaß.
Äußerst ironisch spiegelt Delbanco die heutige Ikonisierung Melvilles, wenn er sich zum Beispiel darüber lustig macht, wie sich Heerscharen von Literaturwissenschaftlern um die Originalquellen von Melville scharen wie um Reliquien und sie mit Infrarotkameras untersuchen wie sonst nur das Turiner Grabtuch, um Radiergummi-Spuren zu finden.
Delbancos Kompetenz ist enorm, sein Stil gefällig, amüsant und unterhaltsam, wenn er zum Beispiel den kompletten Melville, Person wie Werk, auf Sexualität untersucht. Nichtsdestotrotz bleibt das Buch aber auch über weite Strecken eine literaturwissenschaftliche Arbeit mit viel textimmanenter Interpretation, die eher etwas für den Insider sein dürfte.
"Melville" ist ein nahezu perfektes Buch, sträflich allerdings vergisst Delbanco den berühmten Moby-Dick-Stummfilm von 1926, der in den 20er Jahren für die Renaissance "Moby Dicks" sorgte.
Und Delbanco übersieht auch das literarische Motiv des "Fliegenden Holländers" in "Moby Dick" und ordnet den Plot Shelbys Roman "Frankenstein" zu. Das sind zwar bedauerliche Mängel, die sich aber insgesamt verschmerzen lassen.
Andrew Delbancos "Melville" wird als Standard-Werk in die Literaturwissenschaft eingehen, -ein spannendes Buch, das sich wirklich lohnt, - trotz des sündhaft hohen Preises.
Rezensiert von Lutz Bunk
Andrew Delbanco: "Melville - Biographie"
Übersetzt von Werner Schmitz.
Carl Hanser Verlag, München 2007, 470 Seiten, 34,90 Euro
Herman Melville wurde 1819 in New York geboren, er stammte aus einer gutbürgerlichen Familie; allerdings machte sein Vater, der ein Herrenkonfektionsgeschäft hatte, bankrott. Die Familie lebte daraufhin in erster Linie von der Verwandtschaft, aber doch weiter auf großem Fuß.
Der junge Melville unternahm Reisen als Matrose, unter anderem auf einem Walfangschiff, schrieb dann zwei Südseeromane, die relativ erfolgreich waren - allerdings weniger wegen ihrer literarischen Qualität als wegen ihrer sexuellen Freizügigkeit.
Melville sah sich bereits als großer Schriftsteller; vom Größenwahn gepackt, verfasste er den Roman "Moby Dick", der zu einem absoluten Flop wurde. Melville schrieb trotzdem bis zu seinem Lebensende weiter - ohne Erfolg - und musste 1866 eine Stelle als Zollinspektor im New Yorker Hafen annehmen. Er starb, von der Welt weitgehend vergessen, 1881.
Delbanco geht das Moby-Dick-Thema weitgehend objektiv an, also fair aber hart. Denn "Moby Dick" war damals und ist bis heute als Roman kaum konsumierbar; Delbanco nennt "Moby Dick" "chaotisch und schwerfällig" beziehungsweise eine "intellektuelle Fischsuppe", und er zitiert auch gleich auf Seite eins Joseph Conrad, der über "Moby Dick" sagte, in dem ganzen Buch gebe es "keine einzige aufrichtige Zeile", was ein Nuance zu hart ist.
Insofern macht sich Delbanco zu einer partiellen Ehrenrettung Melvilles auf; dazu arbeitet er sich akribisch durch alle Erzählungen Melvilles, in denen dann doch zum Ausdruck kommt, was für ein Talent Melville besaß.
Äußerst ironisch spiegelt Delbanco die heutige Ikonisierung Melvilles, wenn er sich zum Beispiel darüber lustig macht, wie sich Heerscharen von Literaturwissenschaftlern um die Originalquellen von Melville scharen wie um Reliquien und sie mit Infrarotkameras untersuchen wie sonst nur das Turiner Grabtuch, um Radiergummi-Spuren zu finden.
Delbancos Kompetenz ist enorm, sein Stil gefällig, amüsant und unterhaltsam, wenn er zum Beispiel den kompletten Melville, Person wie Werk, auf Sexualität untersucht. Nichtsdestotrotz bleibt das Buch aber auch über weite Strecken eine literaturwissenschaftliche Arbeit mit viel textimmanenter Interpretation, die eher etwas für den Insider sein dürfte.
"Melville" ist ein nahezu perfektes Buch, sträflich allerdings vergisst Delbanco den berühmten Moby-Dick-Stummfilm von 1926, der in den 20er Jahren für die Renaissance "Moby Dicks" sorgte.
Und Delbanco übersieht auch das literarische Motiv des "Fliegenden Holländers" in "Moby Dick" und ordnet den Plot Shelbys Roman "Frankenstein" zu. Das sind zwar bedauerliche Mängel, die sich aber insgesamt verschmerzen lassen.
Andrew Delbancos "Melville" wird als Standard-Werk in die Literaturwissenschaft eingehen, -ein spannendes Buch, das sich wirklich lohnt, - trotz des sündhaft hohen Preises.
Rezensiert von Lutz Bunk
Andrew Delbanco: "Melville - Biographie"
Übersetzt von Werner Schmitz.
Carl Hanser Verlag, München 2007, 470 Seiten, 34,90 Euro