Ehrgeizig und egomanisch
Die Autorin widmet sich zwei Frauen, die aus der deutschen Filmgeschichte nicht wegzudenken sind. Anhand einer Fülle von Materialien wird deutlich, dass die beiden Kino-Legenden trotz ihrer sehr unterschiedlichen Lebenswege einen ähnlichen Charakter hatten.
Beide haben sie den neuen Typ der ebenso selbstständigen wie erotisch stimulierenden Frau erfunden, sie waren enorm ehrgeizig und haben nicht die Erwartungen ihrer Familien erfüllt. Marlene Dietrich wird 1901 geboren, Leni Riefenstahl 1902. Von einer gefühlskalten strengen Mutter wird die eine erzogen, die andere wächst in einer amusischen Handwerkerfamilie auf. Beide jungen Frauen sind besonders schön, und beide kommen erst über Umwege zum Film. Der einen bricht der Traum von einer Musikerinnenkarriere weg, der anderen der der Tänzerin. Beide fliehen sie ihre Familien, befreien sich von den Zukunftsperspektiven, die man für sie vorgesehen hatte. Beide ziehen sie früh aus ihrer Attraktivität Nutzen, beide sind egomanisch, sexuell höchst aktiv und für eine dauernde Paarbeziehung offenbar ungeeignet. Und: Beide erfinden sich im fortgeschrittenen Alter neu.
So weit reichen die Parallelen. Die Unterschiede zwischen den beiden berühmten Kino-Künstlerinnen können dagegen größer nicht sein. Die eine macht in Amerika Karriere und ist eine entschiedene Nazigegnerin, die andere nutzt die Gunst der Nazi-Bewegung und wird zur wichtigsten Kulturbotschafterin in NS-Deutschland.
Karin Wieland zeichnet in ihrem materialreichen Band den Lebensweg der beiden Frauen nach, die in ihren Berliner Anfangsjahren im gleichen Boxstudio trainierten und sich offenbar herzlich verabscheuten. Wieland nutzt alle zur Verfügung stehenden Quellen, beschreibt ebenso anschaulich die biographischen Stationen wie Filme und Mitarbeiter. Für Marlene Dietrich ist der "Blaue Engel"-Regisseur Josef von Sternberg der wichtigste Lehrer, für Leni Riefenstahl ist es Arnold Franck, mit dem sie ihre ersten Bergfilme dreht.
Der Nachlass von Marlene Dietrich ist geordnet und zugänglich, der von Leni Riefenstahl ist es nicht. Riefenstahl hat ihre Biographie vielmehr entschieden fiktionalisiert. Nicht zuletzt durch die inzwischen zugänglichen Goebbels-Tagebücher, erweist sich Riefenstahls eigene Darstellung ihrer Verbindungen zum Nationalsozialismus etwa als falsch und geschönt. Das weist die Autorin minutiös nach.
Trotzdem liegt im Umgang mit Leni Riefenstahl ein Problem dieses umfangreichen Buchs. Die Autorin schenkt ihre Sympathie – was ihr niemand verdenken kann, was ein Doppelporträt jedoch schwierig macht – vor allem der Dietrich. Leni Riefenstahls Entwicklung und Charakter betrachtet sie dagegen von Beginn an mit gehörigem Ressentiment. Das verleitet sie immer wieder zu eher trivialen Analysen und negativen Einschätzungen. Dass Leni Riefenstahl sich etwa "stets gute Produktionsbedingungen zu verschaffen" weiß oder dass sie mit Tricks und Ausdauer fotoscheue Bergbauern dazu bringt, sich am Ende doch filmen zu lassen, das sind jedenfalls keine Beweise für ihre verabscheuungswürdige Skrupellosigkeit.
Besprochen von Manuela Reichart
Karin Wieland: Dietrich & Riefenstahl. Der Traum von der neuen Frau
Hanser Verlag, München 2011
632 Seiten, 29,70 Euro
So weit reichen die Parallelen. Die Unterschiede zwischen den beiden berühmten Kino-Künstlerinnen können dagegen größer nicht sein. Die eine macht in Amerika Karriere und ist eine entschiedene Nazigegnerin, die andere nutzt die Gunst der Nazi-Bewegung und wird zur wichtigsten Kulturbotschafterin in NS-Deutschland.
Karin Wieland zeichnet in ihrem materialreichen Band den Lebensweg der beiden Frauen nach, die in ihren Berliner Anfangsjahren im gleichen Boxstudio trainierten und sich offenbar herzlich verabscheuten. Wieland nutzt alle zur Verfügung stehenden Quellen, beschreibt ebenso anschaulich die biographischen Stationen wie Filme und Mitarbeiter. Für Marlene Dietrich ist der "Blaue Engel"-Regisseur Josef von Sternberg der wichtigste Lehrer, für Leni Riefenstahl ist es Arnold Franck, mit dem sie ihre ersten Bergfilme dreht.
Der Nachlass von Marlene Dietrich ist geordnet und zugänglich, der von Leni Riefenstahl ist es nicht. Riefenstahl hat ihre Biographie vielmehr entschieden fiktionalisiert. Nicht zuletzt durch die inzwischen zugänglichen Goebbels-Tagebücher, erweist sich Riefenstahls eigene Darstellung ihrer Verbindungen zum Nationalsozialismus etwa als falsch und geschönt. Das weist die Autorin minutiös nach.
Trotzdem liegt im Umgang mit Leni Riefenstahl ein Problem dieses umfangreichen Buchs. Die Autorin schenkt ihre Sympathie – was ihr niemand verdenken kann, was ein Doppelporträt jedoch schwierig macht – vor allem der Dietrich. Leni Riefenstahls Entwicklung und Charakter betrachtet sie dagegen von Beginn an mit gehörigem Ressentiment. Das verleitet sie immer wieder zu eher trivialen Analysen und negativen Einschätzungen. Dass Leni Riefenstahl sich etwa "stets gute Produktionsbedingungen zu verschaffen" weiß oder dass sie mit Tricks und Ausdauer fotoscheue Bergbauern dazu bringt, sich am Ende doch filmen zu lassen, das sind jedenfalls keine Beweise für ihre verabscheuungswürdige Skrupellosigkeit.
Besprochen von Manuela Reichart
Karin Wieland: Dietrich & Riefenstahl. Der Traum von der neuen Frau
Hanser Verlag, München 2011
632 Seiten, 29,70 Euro