Luther erhält einen Platz in Rom
Für Martin Luther war Rom "eine Bestie", für das Oberhaupt der katholischen Kirche war der Reformator hingegen der "Antichrist" schlechthin. Doch jetzt benennt die Stadt Rom einen Platz nach Luther. Eine kleine ökumenische Sensation.
Martin Luther befindet sich in bester Gesellschaft. Das Kolosseum in Sichtweite, und Leonhard Euler im Rücken. Auch nach dem Schweizer Mathematiker ist eine kleine Straße in diesem Park benannt. Beim Reformator war die Stadt sogar noch etwas großzügiger. Der zentrale Platz auf dem Oppio Hügel trägt ab sofort den Namen "Piazza Martin Lutero". Jens-Martin Kruse, der Pfarrer der kleinen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom, ist immer noch überrascht von dieser Entscheidung:
"Wir haben das gar nicht glauben können und freuen uns sehr. Denn das ist eine sehr zentrale Lage, mitten in der Stadt. Und gleichzeitig ist dieser Platz auch ein bisschen im Schatten, hier leben viele Flüchtlinge, Obdachlose. Für uns ist damit die Pflicht verbunden, uns um diese Menschen zu kümmern."
Auch für Roms sozialdemokratischen Bürgermeister ist die Einweihung des Martin-Luther-Platzes kein kommunalpolitischer Alltag. "Ich gestehe: Ich bin bewegt", sagt Ignazio Marino. Endlich mal ein Erfolgserlebnis für einen Politiker, der in diesen Tagen enorm unter Druck steht. Mafia-Sumpf, Misswirtschaft, Müllberge und marode Straßen – das sind die schier unlösbaren Probleme von Italiens Hauptstadt. Dagegen scheint eine solch brisante Namensgebung ein Kinderspiel.
"Rom ist eine offene Stadt, die alle Kulturen und Religionen respektiert und mit ihnen gemeinsam an einer besseren Welt arbeitet. Das geht nur wenn man Barrieren und Vorurteile überwindet."
Ein Signal für die Ökumene
Sollte es je katholische Widerstände gegen die Piazza Lutero gegeben haben, dann scheinen sie sich in Wohlgefallen aufgelöst zu haben. Monsignore Matthias Türk, der im Vatikan für den Kontakt mit den evangelischen Kirchen zuständig ist, freut sich gemeinsam mit den evangelischen Gemeinden über dieses ökumenische Signal. Vor gar nicht allzu langer Zeit galt Martin Luther in der katholischen Kirche noch als Wiedergänger des Leibhaftigen.
"Es ist grundlegend, was er für die Kirche beigetragen hat und es keineswegs mehr so, dass wir ihn verurteilen in den Dingen, die für die gesamte Kirche wichtig geworden sind."
Zusammengenommen zählen die Kirchen der Reformation etwa 100.000 Mitglieder im ganzen Land. Da sorgt der Martin-Luther-Platz mitten in der ewigen Stadt bei der kleinen evangelischen Minderheit für viel Selbstvertrauen. Tapfer wird reformatorisches Liedgut bei der Einweihung angestimmt – mit italienischem Text. "Lange Zeit fühlten sich Protestanten wie Christen zweiter Klasse in Italien", sagt Dora Bognandi von den Adventisten.
"Für uns bedeutet dieser Platz, dass der Staat beginnt, auch solche Personen wahr und wichtig zu nehmen, die nicht katholisch sind."
Martin Luther und Rom – das ist eine Geschichte voller Spannungen. Der junge Augustinermönch war selbst vor etwa 500 Jahren in der Stadt. Was er damals gedacht und empfunden hat, ist nicht überliefert. Nur später, nach seinem Bruch mit Rom, zog er über die Stadt her. Rom sei "eine Bestie" voller "Aberglauben" und "Abgötterei". Und der Papst seinerseits nannte Luther den Antichristen schlechthin. Nachfolger Franziskus sieht das bestimmt anders. Am 15. November will er in der deutschen evangelischen Kirche in Rom einen Gottesdienst feiern.