Ehrung für die Väter des Expressionismus
Die Kölner Sonderbundausstellung von 1912 sollte dem konservativen Kaiserreich die neuesten Tendenzen in der Kunst nahebringen. Zum 100. Geburtstag erinnert das Wallraf-Richartz-Museum an die Schau - unter anderem mit einem Buch.
Van Gogh? "Eben doch nur ein Künstler kleineren Stils." Picasso? "Mit seinem Kubismus kann man sich wohl unter keinen Umständen befreunden, aber ein paar hübsche andere Sachen bringt er doch auch." Kandinsky? Sein "Versuch, die Dinge nur noch als Farbimprovisationen zu nehmen, ist (...) ergebnislos."
Die durchweg ablehnenden bis vernichtenden Urteile der Tagespresse sind heute fast ebenso legendär wie die "Jahrhundertschau", der sie galten: die Kölner Sonderbundausstellung von 1912. Konzipiert, um dem konservativen Kaiserreich die neuesten Tendenzen in der Kunst nahezubringen, verschaffte sie dem Expressionismus und dessen Vätern den ersten großen gemeinsamen Auftritt. Gezeigt wurden über 650 Exponate von 170 Künstlern aus zehn europäischen Ländern. Darunter Paul Cézanne, Paul Gauguin, Paul Signac, Edvard Munch, Ferdinand Hodler und Egon Schiele sowie die Vertreter der Brücke und des Blauen Reiter, um nur wenige zu nennen.
Zum 100. Geburtstag erinnert das Kölner Wallraf-Richartz-Museum jetzt mit einer Ausstellung an diese wichtigste Präsentation der europäischen Moderne in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg. Im exzellenten Katalog, der sehr viel mehr als nur Begleitwerk ist, werden darüber hinaus die originale Ausstellung im Detail rekonstruiert, ihr visionäres Konzept gewürdigt, die wichtigsten Künstler und deren Werk porträtiert sowie die Vor- und Rezeptionsgeschichte dieses "Geniestreichs" - so die Herausgeberin - beleuchtet.
Die ersten Aufsätze widmen sich der kunstgeschichtlichen Einordnung. Florens Deuchler etwa thematisiert das 1912 erstmals in dieser Form manifestierte Bestreben, "die eigene Zeit zu leben" und den "augenblicklichen Stand der Kunst" zu sichten. Barbara Schaefer beschreibt die Maßstäbe setzende Präsentation, die einen systematischen Blick auf die Kunst wagte, indem sie die Neuerer im historischen Zusammenhang mit ihren Wegbereitern zeigte und Entwicklungslinien sichtbar werden ließ. Damit sei ein Prototyp heutiger Kunstausstellungen entstanden und ein unmittelbares Vorbild für die New Yorker Armory Show und später die Documenta, wie Andreas Blühm erläutert.
Visionär waren fast alle Beteiligten der Sonderbundausstellung. Allen voran die Künstler, doch viele Autoren würdigen auch das Auge von Ausstellungsmachern, Sammlern, Museumsdirektoren und Galeristen wie etwa Karl Ernst Osthaus, Alfred Flechtheim, Thea Sternheim oder Helene Kröller Müller, die nicht nur van Gogh sammelte.
Der den Texten folgende Bildteil illustriert diese Ausnahmeausstellung eindrucksvoll. Dort werden die aktuell in Köln gezeigten Exponate im Einzelnen vorgestellt - eine Auswahl der 1912 gezeigten Werke - und eine sorgfältig recherchierte Rekonstruktion der Originalschau vorgenommen.
"Hier ist das Wildeste versammelt, das in Europa gemalt wird. (...) Der Kölner Dom wankt in seinen Grundfesten", hatte Edvard Munch 1912 festgestellt. Dass es dem Katalog gelingt, etwas von der Stimmung und dem Wagnis dieser Ausstellung zu transportieren, ist eine Freude.
Besprochen von Eva Hepper
Barbara Schaefer (Hg.): 1912 - Mission Moderne. Die Jahrhundertschau des Sonderbundes
648 Seiten, Wienand Verlag
Köln 2012, 49,90 Euro
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Kunstnachhilfe fürs Bürgertum
Würdigung einer epochale Schau: "1912 - Mission Moderne" (DKultur)
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Zum 100. Geburtstag erinnert das Kölner Wallraf-Richartz-Museum jetzt mit einer Ausstellung an diese wichtigste Präsentation der europäischen Moderne in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg. Im exzellenten Katalog, der sehr viel mehr als nur Begleitwerk ist, werden darüber hinaus die originale Ausstellung im Detail rekonstruiert, ihr visionäres Konzept gewürdigt, die wichtigsten Künstler und deren Werk porträtiert sowie die Vor- und Rezeptionsgeschichte dieses "Geniestreichs" - so die Herausgeberin - beleuchtet.
Die ersten Aufsätze widmen sich der kunstgeschichtlichen Einordnung. Florens Deuchler etwa thematisiert das 1912 erstmals in dieser Form manifestierte Bestreben, "die eigene Zeit zu leben" und den "augenblicklichen Stand der Kunst" zu sichten. Barbara Schaefer beschreibt die Maßstäbe setzende Präsentation, die einen systematischen Blick auf die Kunst wagte, indem sie die Neuerer im historischen Zusammenhang mit ihren Wegbereitern zeigte und Entwicklungslinien sichtbar werden ließ. Damit sei ein Prototyp heutiger Kunstausstellungen entstanden und ein unmittelbares Vorbild für die New Yorker Armory Show und später die Documenta, wie Andreas Blühm erläutert.
Visionär waren fast alle Beteiligten der Sonderbundausstellung. Allen voran die Künstler, doch viele Autoren würdigen auch das Auge von Ausstellungsmachern, Sammlern, Museumsdirektoren und Galeristen wie etwa Karl Ernst Osthaus, Alfred Flechtheim, Thea Sternheim oder Helene Kröller Müller, die nicht nur van Gogh sammelte.
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"Hier ist das Wildeste versammelt, das in Europa gemalt wird. (...) Der Kölner Dom wankt in seinen Grundfesten", hatte Edvard Munch 1912 festgestellt. Dass es dem Katalog gelingt, etwas von der Stimmung und dem Wagnis dieser Ausstellung zu transportieren, ist eine Freude.
Besprochen von Eva Hepper
Barbara Schaefer (Hg.): 1912 - Mission Moderne. Die Jahrhundertschau des Sonderbundes
648 Seiten, Wienand Verlag
Köln 2012, 49,90 Euro
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