Ehrung für einen Biografen der Dichter und Denker

Von Ruthard Stäblein |
Nach unter anderen Wolf Biermann, Ernst Jandl und Durs Grünbein erhält der Biograf und Philosoph Rüdiger Safranski den Hölderlin-Literaturpreis der Stadt Bad Homburg. Die Jury hob die hohe Verständlichkeit seiner Bücher hervor. Er porträtierte zum Beispiel Schiller, Nietzsche, Schopenhauer und Heidegger.
Rüdiger Safranski erhält nach Biermann, Jandl, Reich-Ranicki und Durs Grünbein den 24. Hölderlin-Preis für seine "hohe Verständlichkeit in seinen Biografien deutscher Dichter und Denker". So die Begründung der Jury. Den Beweis dafür erbrachte Safranski postwendend in seiner Dankesrede. Anders als heute üblich ging der Gepriesene dabei auf den Stifternamen des Preises ein.

In einer knappen halben Stunde brachte der Philosophie-Erzähler Safranski Hölderlin auf einen, seinen Punkt. Von der Linken werde Hölderlin als kritischer Leidender an Deutschland, von der Rechten als hymnischer Sänger des Vaterlands verklärt. In Wirklichkeit aber leide Hölderlin an einer götterfernen Welt. Er wolle die Wiederkehr der griechischen Götter in seiner Dichtung vorbereiten und sei als Verrückter darin verschwunden, meinte Safranski.

Die luzide und plastisch anschauliche Verknappung von schwierigen Dichtern und Denkern gehört zur Stärke von Rüdiger Safranski. Mit seinen Biografien über Martin Heidegger als dunklem Meister aus Deutschland oder Friedrich Schiller als Bannerträger der Freiheit und Selbstsetzung des Subjekts befriedigt Safranski das Bedürfnis des deutschen Rest-Bürgertums nach Bildung und etwas Tiefsinn. Nicht zu kompliziert soll es sein, aber auch nicht zu oberflächlich. Safranski trifft da die Mitte. Er wird viel gekauft, gelesen und geehrt.

Hinter dem Rednerpult von Safranski prangte in Bad Homburg das Porträt des Dichters Hölderlin. Safranski verstand es, sich in diese Dichterfigur einzufühlen und seinem Homburger Publikum nahe zu bringen. Dass ein Abgrund ihn von dem großen Dichter trenne, war nur eine rhetorische Floskel, eine Überleitung zu der gelungeneren Sicht, dass Hölderlin ein Abgrund von Hölderlin trenne. Denn seine Sprache sei am Ende erstarrt, wie "im Winde klirrende Fahnen" - im Gedicht "Hälfte des Lebens".

In gelungenen Lebensmomenten habe er die Nähe der Götter gespürt. "Da wohnet ein Gott", in den Augenblicken der wahren Empfindung, des gesteigerten Lebensgefühls.

Hölderlin prägte ja das Bild vom "heilig-nüchternen Wasser", ein Oxymoron, ein Gegensatz, der sich nicht auflösen lässt. Nach Safranski ist er daran gescheitert, das Heilige der Götter in das Nüchterne des Alltags zu überführen. Als er im Turm in Tübingen beim Schreiner Zimmer saß, soll er seinen unvollendeten Roman "Hyperion" immer aufgeschlagen, immer wieder gelesen haben. Nach Safranski ist er in seiner Dichtung verschwunden, wie der chinesische Maler in seinem Bild.

Aus Sicht der Hölderlin-Biografen und -Philologen ist das sicherlich eine arg verknappte Lesart. Dem Publikum in Bad Homburg leuchtete sie ein. Nur der Laudatorin des Abends ging diese Denkweise von Safranski gegen den Strich. Franziska Augstein hielt nichts von Safranski Traum von einem weiten Himmel, von einem Raum, in dem die Götter nahe waren. Von der Sehnsucht nach gesteigerter Empfindsamkeit und Religiosität.

Sie bewunderte den Fragesteller und Skeptiker, den humorvollen Humoristen und Pfeifenraucher Safranski, nicht den konservativen Sinngeber Safranski, der die Sinnfrage am liebsten schon vor dem Zähneputzen gelöst sähe. Nur von beidem lebt Safranski: von den großen Sinnierern der deutschen Tradition, von Schiller und Hölderlin über Nietzsche und Heidegger, sowie von seiner souveränen Art, das einfach nachzuerzählen und auf seinen Punkt zu bringen.

Sie können den vollständigen Beitrag mit Original-Tönen aus der Dankesrede von Rüdiger Safranski für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.