Eigenwillige Dichterfrau
Lion Feuchtwanger war bis zu seiner Flucht vor den Nazis einer der meistgelesenen Autoren der Weimarer Republik. Doch liest man Manfred Flügges Biografie über Feuchtwangers Ehefrau Marta, wird schnell deutlich, dass er es ohne sie nie so weit gebracht hätte. Die "vier Leben" umspannen Martas Zeit vor der Begegnung mit Feuchtwanger, dann die gemeinsamen Jahre vor und während des Exils und die Zeit nach Feuchtwangers Tod.
Kürzlich jährte sich der Todestag Lion Feuchtwangers zum 50. Mal. Bis heute ist der Bestsellerautor der Weimarer Republik noch immer der meistgelesene Schriftsteller Deutschlands. Dazu hat ganz entschieden die Frau beigetragen, die fast 50 Jahre mit ihm zusammenlebte: Marta Feuchtwanger. Neben Katia Mann und Alma Mahler-Werfel gehört sie zu den ganz großen Dichterfrauen des vergangenen Jahrhunderts.
Als die schöne Münchner Kaufmannstochter 1912 den unscheinbaren, damals glücklosen Dramatiker kennen lernt, ist er ein Hasardeur, der unter Spielschulden leidet. Zehn Jahre später ist er auf dem Weg nach ganz oben. Unter ihrem Einfluss hat er sich mit historischen Romanen beschäftigt. Er wird ein Meister dieses Genres - und sie zu seiner wichtigsten Mitarbeiterin.
Die exzentrische junge Jüdin, die auf allen Künstlerbällen auffiel, lektorierte seine Texte. Ohne ihre Zustimmung gab er keine Zeile in den Druck. Und sie war zuständig für das gesellschaftliche Erscheinungsbild des scheuen Autors, sie organisierte Teegesellschaften, Partys, Kollegentreffen, sie sorgte für Behaglichkeit und Glanz, zunächst in Schwabing, dann in Berlin, später in Sanary-sur-Mer, dem Fluchtort im Exil, am Ende in Los Angeles, in der berühmt gewordenen Villa Aurora, hoch über dem Pazifik. Klug, sehr selbstbewusst und bis ins hohe Alter eine strahlende Erscheinung, hielt sie dem Mann an ihrer Seite in jeder Lebenslage den Rücken frei.
Weil sich das Leben Marta Feuchtwangers immer auch in dem ihres Mannes spiegelt, wurde das Buch Manfred Flügges zu einer Doppelbiografie: Die "vier Leben" umspannen Martas Zeit vor der Begegnung mit Feuchtwanger, dann die gemeinsamen Jahre vor und während des Exils und die Zeit nach Feuchtwangers Tod.
Basis der Biografie sind Marta Feuchtwangers eigene Aufzeichnungen, Briefe, Gespräche mit Zeitzeugen und auch bislang unerschlossenes Material wie die intimen Tagebücher Lion Feuchtwangers. Darin verzeichnet er das ganze Ausmaß seiner Erotomanie, die unzähligen Geliebten, Prostituierten und gelegentlichen Nebenfrauen, die häufig seine Sekretärinnen waren, aber auch aus dem Freundes- und Kollegenkreis stammten.
Dass Martha diese Eskapaden nicht einfach nur hinnahm, enthüllt die wiederholte Anmerkung: "Sie strindbergelt wieder". Das Prinzip einer offenen Ehe verfolgten zwar beide Partner. Doch welche Konflikte aus der offenkundigen Asymmetrie für Martha entstanden, das thematisiert Flügge einfühlsam. Dabei spart er auch nicht mit sarkastischen Kommentaren wie: "Er (Lion) war halt doch ein altes Rabenaas".
Manfred Flügge, ein exzellenter Kenner des deutschen Exils, hat bisher an die 20 Bücher über deutsche Emigranten geschrieben, darunter Heinrich Mann oder Künstler an der Cote d’Azur. Er machte sich auf zu den Schauplätzen in München, Ligurien, Berlin, Paris, Sanary-sur-Mer und Los Angeles. Als kluger Beobachter führt er durch acht turbulente Jahrzehnte. Gespickt mit Anekdoten, doch auch mit kulturhistorischen und politischen Analysen lässt er Orte und Personen lebendig werden. Und in Marta Feuchtwanger wird ein Mensch erkennbar, der unverbrüchlichen Optimismus ausstrahlte, Tatkraft und die Fähigkeit zum Kompromiss, aber auch Durchsetzungsfähigkeit und geradezu tollkühnen Mut.
Eine Frau, die Ruhm und Glanz und ausgefallene Kleider liebte, bis ins hohe Alter Ski fuhr – allein, und noch als 80-Jährige jeden Morgen im Pazifik schwamm.
Dadurch, dass er Lion Feuchtwangers Werk immer wieder heranzieht, bekommen Flügges Recherchen auch ein literarisches Hinterland. Ein Buch sowohl für Lion Feuchtwanger-Fans als auch für solche, die gern den Spuren von eigenwilligen Frauen folgen. Aber auch für diejenigen, denen Lebensgeschichten den Roman des Jahrhunderts erzählen.
Rezensiert von Edelgard Abenstein
Manfred Flügge: Die vier Leben der Marta Feuchtwanger
Aufbau Verlag 2008
422 Seiten, 24,95 Euro
Als die schöne Münchner Kaufmannstochter 1912 den unscheinbaren, damals glücklosen Dramatiker kennen lernt, ist er ein Hasardeur, der unter Spielschulden leidet. Zehn Jahre später ist er auf dem Weg nach ganz oben. Unter ihrem Einfluss hat er sich mit historischen Romanen beschäftigt. Er wird ein Meister dieses Genres - und sie zu seiner wichtigsten Mitarbeiterin.
Die exzentrische junge Jüdin, die auf allen Künstlerbällen auffiel, lektorierte seine Texte. Ohne ihre Zustimmung gab er keine Zeile in den Druck. Und sie war zuständig für das gesellschaftliche Erscheinungsbild des scheuen Autors, sie organisierte Teegesellschaften, Partys, Kollegentreffen, sie sorgte für Behaglichkeit und Glanz, zunächst in Schwabing, dann in Berlin, später in Sanary-sur-Mer, dem Fluchtort im Exil, am Ende in Los Angeles, in der berühmt gewordenen Villa Aurora, hoch über dem Pazifik. Klug, sehr selbstbewusst und bis ins hohe Alter eine strahlende Erscheinung, hielt sie dem Mann an ihrer Seite in jeder Lebenslage den Rücken frei.
Weil sich das Leben Marta Feuchtwangers immer auch in dem ihres Mannes spiegelt, wurde das Buch Manfred Flügges zu einer Doppelbiografie: Die "vier Leben" umspannen Martas Zeit vor der Begegnung mit Feuchtwanger, dann die gemeinsamen Jahre vor und während des Exils und die Zeit nach Feuchtwangers Tod.
Basis der Biografie sind Marta Feuchtwangers eigene Aufzeichnungen, Briefe, Gespräche mit Zeitzeugen und auch bislang unerschlossenes Material wie die intimen Tagebücher Lion Feuchtwangers. Darin verzeichnet er das ganze Ausmaß seiner Erotomanie, die unzähligen Geliebten, Prostituierten und gelegentlichen Nebenfrauen, die häufig seine Sekretärinnen waren, aber auch aus dem Freundes- und Kollegenkreis stammten.
Dass Martha diese Eskapaden nicht einfach nur hinnahm, enthüllt die wiederholte Anmerkung: "Sie strindbergelt wieder". Das Prinzip einer offenen Ehe verfolgten zwar beide Partner. Doch welche Konflikte aus der offenkundigen Asymmetrie für Martha entstanden, das thematisiert Flügge einfühlsam. Dabei spart er auch nicht mit sarkastischen Kommentaren wie: "Er (Lion) war halt doch ein altes Rabenaas".
Manfred Flügge, ein exzellenter Kenner des deutschen Exils, hat bisher an die 20 Bücher über deutsche Emigranten geschrieben, darunter Heinrich Mann oder Künstler an der Cote d’Azur. Er machte sich auf zu den Schauplätzen in München, Ligurien, Berlin, Paris, Sanary-sur-Mer und Los Angeles. Als kluger Beobachter führt er durch acht turbulente Jahrzehnte. Gespickt mit Anekdoten, doch auch mit kulturhistorischen und politischen Analysen lässt er Orte und Personen lebendig werden. Und in Marta Feuchtwanger wird ein Mensch erkennbar, der unverbrüchlichen Optimismus ausstrahlte, Tatkraft und die Fähigkeit zum Kompromiss, aber auch Durchsetzungsfähigkeit und geradezu tollkühnen Mut.
Eine Frau, die Ruhm und Glanz und ausgefallene Kleider liebte, bis ins hohe Alter Ski fuhr – allein, und noch als 80-Jährige jeden Morgen im Pazifik schwamm.
Dadurch, dass er Lion Feuchtwangers Werk immer wieder heranzieht, bekommen Flügges Recherchen auch ein literarisches Hinterland. Ein Buch sowohl für Lion Feuchtwanger-Fans als auch für solche, die gern den Spuren von eigenwilligen Frauen folgen. Aber auch für diejenigen, denen Lebensgeschichten den Roman des Jahrhunderts erzählen.
Rezensiert von Edelgard Abenstein
Manfred Flügge: Die vier Leben der Marta Feuchtwanger
Aufbau Verlag 2008
422 Seiten, 24,95 Euro