Eileen Crist: "Schöpfung ohne Krone. Warum wir uns zurückziehen müssen, um die Artenvielfalt zu bewahren"
oekom/München 2020
396 Seiten, 28 Euro
Störfaktor Mensch
06:07 Minuten
Schwindende Artenvielfalt, Klimawandel, Massentierhaltung - für die Soziologin Eileen Crist sind das Zeichen für den Glauben des Menschen, er sei die Krone der Schöpfung. "Langfristig müssen es weniger Menschen werden", fordert sie in einer neuen Kampfschrift.
Nichts weniger als "biologischen Holocaust" nennt Eileen Crist den derzeitigen Umgang der Menschen mit der Natur. Ein unangemessener, fragwürdiger Vergleich, der vor allem eines macht: Er verstört. Und genau das will die amerikanische Soziologin. Aufmerksam machen für den dramatischen Verlust an Flora und Fauna.
Die Natur in der Krise
Die Artenvielfalt wird in einer Geschwindigkeit reduziert wie nie zuvor in der Geschichte der Erde, so die Autorin, die schon länger zu den Ursachen der ökologischen Krise forscht. Unberührte Wälder fallen der Soja- und Palmölproduktion zum Opfer, die Weltmeere werden leergefischt, Böden durch intensive Landwirtschaft ausgelaugt, Wasservorkommen leergepumpt. Die Massentierhaltung frisst immer größere Landflächen und spreche jeglichem Tierwohl Hohn.
Die Globalisierung des Handels, das Konsumverhalten der weltweit wachsenden Mittelschicht bedroht die letzten Naturreservate. Hinzu kommt die steigende Umweltverschmutzung. Der Klimawandel verschärfe die Krise der Natur, schreibt Eileen Crist, die sich bei all dem auf Studien beruft, deren Aussagen kaum einer mehr anzweifelt.
Die Krone der Schöpfung?
Die Menschheit, so ihre drastische Schlussfolgerung, sei dabei, die Erde in einen "vom Menschen dominierten, biologisch kahl rasierten Planeten" zu verwandeln. Verantwortlich dafür sei das Überlegenheitsdenken des Menschen, der sich als Krone der Schöpfung verstehe. Allein ihm komme es zu, so die Autorin, über Wohl und Wehe allen Lebens zu entscheiden.
Dahinter stünden drei Überzeugungen: Die Erde gehöre dem Menschen. Sie besteht aus Ressourcen, die allein dem menschlichen Wohl dienen. Der Mensch ist allen anderen Arten übergeordnet und überlegen.
Dieses Denken hat, so Eileen Crist, einen Technologie-Mangerialismus hervorgebracht, nach dem es für alles eine technische Lösung gibt. Jeder angerichtete Schaden sei behebbar. Selbst Ansätze wie eine grüne nachhaltige Wirtschaft sind in ihren Augen daher auch nur Augenwischerei.
Provokation als Stilmittel
So klar, deutlich und verständlich Eileen Crist ihre Argumente auch vorträgt, sie liebt die Zuspitzung. Alles ist entweder schwarz oder weiß. Zwischentöne gibt es nicht. Was die Lektüre mitunter schwer macht.
Dass die Biowissenschaften Tiere als intelligente Mitgeschöpfe mit reichem Gefühlsleben entdecken, wird nur nebenbei erwähnt. Passt es doch nicht zu ihrer These vom prinzipiellen Überlegenheitsdenken der Menschen. Zudem wiederholt sie in jedem neuen Kapitel die immer gleichen Schreckensbilder. Was extrem ermüdet.
Die Lösung all dieser Probleme liegt für die Soziologin in einer Reduktion der weltweiten Bevölkerungszahl. Lebten nur noch rund zwei Milliarden Menschen auf der Erde, ließe sich die Biosphäre ausreichend schützen, würde das Artensterben enden. Ausführlich begründet sie ihre Zukunftsvision, erklärt detailliert, wie sich ohne Zwang durch Ausbildung und Gleichberechtigung der Frauen die Geburtenrate in den nächsten Jahrzehnten drastisch senken ließe.
Sie schwärmt von einer ökologischen Zivilisation mit dezentraler biologischer Landwirtschaft, dem Einsatz alternativer Energien, veränderten Konsum- und Ernährungsverhalten, verteiltem Reichtum, reduziertem globalem Handel. Realismus sieht anders aus. Zumal derzeit 7,75 Milliarden Menschen auf der Erde leben.