Ein autobiografisches Denkmal
Der Schauspieler, Schriftsteller und Filmproduzent Peter Berling blickt auf ein abenteuerliches Leben zurück. In "Hazard und lieblos" mischt der einstige Bohemien Fiktives mit Erlebtem - und geht den jüdischen Spuren seiner Familie nach.
Peter Berling leiht in Alexander Kluges nächtlichem dctp-Fernsehprogramm seine korpulente Erscheinung den kuriosesten fiktiven Figuren der Zeitgeschichte: Selbstsicher, ein wenig phlegmatisch, aus schweren Augenlidern blickend, debattiert er heikle Wendepunkte der Historie mit dem Regisseur, der ein alter Komplize in Sachen abenteuerlicher Filmproduktion ist. Auch bei Werner Herzog, Rainer Werner Fassbinder, den Schamoni-Brüdern und anderen lustvollen Hasardeuren der jüngeren deutschen Filmgeschichte übernahm Peter Berling immer wieder kleine Rollen und war als Organisator, Vermittler, risikofreudiger Filmproduzent und nicht zuletzt als Connaisseur saftiger Anekdoten ins wahre Leben hinter der Leinwand involviert.
Seit vierzig Jahren in Rom zu Hause, verkraftete er gescheiterte Geschäfte, kam auf seine Leidenschaft für farbige historische Fabeln zurück und mauserte sich zum Großschriftsteller. Sein Romanzyklus "Die Kinder des Gral" wurde ein internationaler Bestseller. Kein Wunder also, dass er sein Talent für unterhaltsame Geschichtskolportage endlich auch für ein autobiografisches Denkmal nutzte.
Peter Berling, der 1934 in Schlesien geboren wurde und seine Kindheit in Osnabrück verbrachte, rekonstruiert in "Hazard und lieblos" das "Kaleidoskop eines Lebens", indem er seinen Werdegang ähnlich wie bei Alexander Kluge in Rollen und Masken umkreist. Um sich gegen juristische Einsprüche abzusichern, mischt der Autor fiktive Erzählformen mit Tatsachenschilderungen, verbirgt reale Personen hinter blumigen Pseudonymen, führt sich selbst über weite Passagen als PeBee in der dritten Person ein. Für seine Zeit als begabter, allem Fleiß abholden Schüler des elitären Birklehof-Internats im Schwarzwald erfand er gar ein Tagebuch, das ein älterer Schüler über ihn führte. Diese Projektionsfigur Charles Bergstroem begleitet den umtriebigen, stets vor Schwierigkeiten flüchtenden Bohemien PeBee ein Leben lang, bis sein Lebensroman im Jahr 1990 mit offenem Ende abbricht.
Eher eine turbulente Traumreportage als ein faktografischer Lebensbericht weckt das umfängliche Buch das Zeitkolorit einer Kriegskindheit, die Berlings Orientierungslosigkeit und seinen Lebenshunger nachvollziehbar macht. Als Sohn eines Architekten und einer bildenden Künstlerin pendelt der Jugendliche zwischen den getrennten Eltern, vermasselt das Abitur, taucht in die München-Schwabinger Bohème der Wirtschaftswunderzeit ab und kommt über ein Grafikstudium mit der Filmbranche und ihren Verlockungen in Berührung. Knallig detailliert, gewürzt mit realen wie fiktiven Namen, stellt der alte Herr klar, dass die sexuelle Revolution lange vor 1968 in seinen Betten stattfand.
Doch eher die unerwarteten Passagen machen das Buch lesenswert: Peter Berling geht den jüdischen Spuren seiner Familie nach, er rekonstruiert ihre Lebenswege zwischen Russland und Deutschland und die verheimlichten Gründe für das Berufsverbot des Vaters. Sein eigenes kosmopolitisches Leben gewinnt in diesem Spannungsbogen Tiefe.
Besprochen von Claudia Lenssen
Peter Berling: " Hazard und lieblos – Kaleidoskop eines Lebens"
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2011
667 Seiten, 28,00 Euro
Seit vierzig Jahren in Rom zu Hause, verkraftete er gescheiterte Geschäfte, kam auf seine Leidenschaft für farbige historische Fabeln zurück und mauserte sich zum Großschriftsteller. Sein Romanzyklus "Die Kinder des Gral" wurde ein internationaler Bestseller. Kein Wunder also, dass er sein Talent für unterhaltsame Geschichtskolportage endlich auch für ein autobiografisches Denkmal nutzte.
Peter Berling, der 1934 in Schlesien geboren wurde und seine Kindheit in Osnabrück verbrachte, rekonstruiert in "Hazard und lieblos" das "Kaleidoskop eines Lebens", indem er seinen Werdegang ähnlich wie bei Alexander Kluge in Rollen und Masken umkreist. Um sich gegen juristische Einsprüche abzusichern, mischt der Autor fiktive Erzählformen mit Tatsachenschilderungen, verbirgt reale Personen hinter blumigen Pseudonymen, führt sich selbst über weite Passagen als PeBee in der dritten Person ein. Für seine Zeit als begabter, allem Fleiß abholden Schüler des elitären Birklehof-Internats im Schwarzwald erfand er gar ein Tagebuch, das ein älterer Schüler über ihn führte. Diese Projektionsfigur Charles Bergstroem begleitet den umtriebigen, stets vor Schwierigkeiten flüchtenden Bohemien PeBee ein Leben lang, bis sein Lebensroman im Jahr 1990 mit offenem Ende abbricht.
Eher eine turbulente Traumreportage als ein faktografischer Lebensbericht weckt das umfängliche Buch das Zeitkolorit einer Kriegskindheit, die Berlings Orientierungslosigkeit und seinen Lebenshunger nachvollziehbar macht. Als Sohn eines Architekten und einer bildenden Künstlerin pendelt der Jugendliche zwischen den getrennten Eltern, vermasselt das Abitur, taucht in die München-Schwabinger Bohème der Wirtschaftswunderzeit ab und kommt über ein Grafikstudium mit der Filmbranche und ihren Verlockungen in Berührung. Knallig detailliert, gewürzt mit realen wie fiktiven Namen, stellt der alte Herr klar, dass die sexuelle Revolution lange vor 1968 in seinen Betten stattfand.
Doch eher die unerwarteten Passagen machen das Buch lesenswert: Peter Berling geht den jüdischen Spuren seiner Familie nach, er rekonstruiert ihre Lebenswege zwischen Russland und Deutschland und die verheimlichten Gründe für das Berufsverbot des Vaters. Sein eigenes kosmopolitisches Leben gewinnt in diesem Spannungsbogen Tiefe.
Besprochen von Claudia Lenssen
Peter Berling: " Hazard und lieblos – Kaleidoskop eines Lebens"
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2011
667 Seiten, 28,00 Euro