Ein Bauhaus, das in keine Kiste passt

Von Adolf Stock |
Aus Ungarn kamen keine unbedarften Bauhaus-Schüler, sondern selbstbewusste Künstler. Ein Museum in der ungarischen Stadt Pécs hat eine ungewöhnliche Ausstellung initiert, die das festgefügtes Bauhaus-Bild ein wenig ins Wanken bringt. Sie ist im Berliner Bauhaus-Archiv zu sehen.
"Von Kunst zu Leben", das Motto von Lászlo Moholy-Nagy hat der Ausstellung ihren Titel gegeben. Neben Marcel Breuer – dessen Stahlrohrmöbel zu klassischen Bauhaus-Ikonen wurden – ist der Allroundkünstler Moholy wohl der bekannteste Ungar, den es ans Weimarer Bauhaus verschlagen hatte. Anfang der 20er Jahre kamen etwa 25 Künstler, vor allem aus der Provinzstadt Pécs. Kurator Christian Wolsdorff:

"Südungarn war von den Serben besetzt, das war also eine ganz enge schwierige Situation für die, was kann ich da künstlerisch machen und böse gesagt, was kann ich dort loswerden. Südungarn ist in erster Linie katholisch gewesen, und insofern ist eine großformatige Kreuzabnahme eigentlich keine solche Ausnahmeerscheinung. Es wird nur vielleicht einige Leute verwundern, wenn sie das Entstehungsdatum, was man groß und deutlich auf dem Bild sehen kann, nämlich 1921, da war der Maler Farkas Molnár bereits über ein Jahr am Bauhaus."

Maler und Architekten, Grafiker, Weberinnen und Fotografen kamen nach Weimar. Júlia Fabényi, Direktorin der Museen in Pécs, ist stolz auf eine bisher wenig beachtete Tradition:

"Es geht um eine große Rehabilitation, was die Bauhaus-Künstler betrifft. Sie werden erfahren, dass sehr viele Bauhäusler aus Pécs stammen, die großen Namen kommen fast alle mit Ausnahmen aus Pécs. Die Ausstellung wird, glaube ich, eine Sensation und natürlich ein neuer Brand für Pécs, das ist eigentlich unser Ziel, Pécs wieder mit dem Bauhaus und der klassischen Moderne so in Verbindung oder ins Bewusstsein zurückzurufen. Wir möchten das noch mehr aufwerten und in Berlin die gleiche Ausstellung zum 50. Jahrestag des Berliner Archivs machen."

Pécs hat für sich das Bauhaus entdeckt, in Berlin sind die Erkenntnisse etwas subtiler. Aus Ungarn kamen gut ausgebildete Künstler. Sie beherrschten mehrere Stile und spielten souverän mit den künstlerischen Möglichkeiten ihrer Zeit. Aber sie blieben auch merkwürdig konservativ, malten christliche Motive und zogen im Sommer über die Alpen, um ihre Italiensehsucht zu stillen. Ein aufrechter Bauhäusler sieht anders aus. Christian Wolsdorff:

"Da spielten natürlich Kanoldts Italienbildnisse eine Rolle, da spielt De Stijl eine Rolle, da spielt auch Klee eine Rolle. Wenn Sie sich diese Dinge angucken, es ist ein sehr buntes, aber ausgesprochen amüsantes Gemisch von Einflüssen, wo man sieht, was alles auf die jetzt plötzlich zukommt, was sie aufnehmen und letzten Endes auch weiter verarbeiten."

Knapp 500 Exponate wurden in Berlin zusammengetragen. Sie stammen aus Pécs, sind Leihgaben aus Budapest oder kommen aus Kroatien und natürlich aus Berlin. Das ganze Haus wird bespielt, denn die Leihgaben wurden geschickt in die Dauerausstellung integriert. Christian Wolsdorff:

"Es ist deutlich erkennbar, was die Ungarn sind, indem wir überall für diese Ungarn grüne Schildchen hingemacht haben. Wir haben eine ganze Halle extra nur mit Malerei und Grafik ausgestattet, die eben diese sehr intensive Zeit dieser Pécser Gruppe zwischen 20 und 24 zeigt. Wir haben die ganzen architektonischen Versuche in unsere Architekturabteilung eingepasst, und wir haben unsere Ausstellung an Möbeln stark auf Marcel Breuer fokussiert."

Es sind auch Bilder von Sándor Bortnyik zu sehen. Zum Beispiel "Der neue Adam". Ein gut gekleideter Mann – mit einer Feder zum Aufziehen – steht in einem modernen Gehäuse. Maschinenästhetik. Gleich daneben hängt das Bild "Die neue Eva". Wolsdorff dazu:

"'Der neue Adam', da sind so viele Anspielungen drin, die man natürlich alle aufzählen kann, aber wenn man sie zusammensetzt, muss ja irgendwas rauskommen, und das macht die Sache so schwierig, das tut es irgendwie nicht. Es ist nichts, was sich von vornherein erschließt, es ist auch möglich, dass es sich dabei schlicht und einfach um Karikaturen auf die damaligen Zustände am Bauhaus handelt."

Die Ungarn am Bauhaus blieben unangepasst.

"Wenn Josef Albers später immer gesagt hat, er hätte seine Studierenden einer Art Gehirnwäsche unterzogen, dann ist das vor diesem Hintergrund besonders nachvollziehbar, weil nämlich die Ungarn am Bauhaus sich dieser Gehirnwäsche teilweise widersetzt haben, und nicht mitgemacht haben. Und vor allen Dingen, dann kommt irgendwann ein Mensch namens Moholy ans Bauhaus, und einer der beteiligten Ungarn sagt, ja damit war alles eigentlich gegessen, was wir vorher gemacht hatten, und sie machen was völlig anderes oder hören sogar auf."

Der Maler und Architekt Ferenc Molnár geht zurück nach Ungarn und macht dort das Bauhaus bekannt. Ein Kollege spezialisiert sich auf sakrale Glasfenster. Marcel Breuer und László Moholy-Nagy sind am Bauhaus geblieben und haben dort Karriere gemacht. Noch einmal Kurator Christian Wolsdorff:

"Moholy hat sich später immer als Weltbürger bezeichnet, und Breuer hatte an all diesen Dingen wie Ungarn oder irgendwie nicht so ein rechtes Interesse mehr. Das mag natürlich auch zeitbedingt gewesen sein, 50er, 60er Jahre, da war Ungarn weit weg, aber man hätte ja sagen können, na, was hat Breuer 1956 zum Ungarn-Aufstand gesagt? Nichts. Breuer war der Architekt, Punkt, Ende, Aus."


Links zum Thema:

Bauhaus-Archiv Berlin

Europäische Kulturhauptstadt Pécs

Janus Pannonius Museum Pécs