Ein billiges Leben
Der Pensionär Meyer führt in jeder Hinsicht ein Leben auf Sparflamme. Patricia Görg hat in ihrem neuen Roman zwei Gegenbewegungen zu seiner Lebensangst installiert. Die eine ist sein Y. Es versammelt die ganze Fantasie, den ganzen Übermut, der sich selbst in diesen grundgrauen Menschen eingeschlichen hat.
Der schmächtige Pensionär Meyer ist ein Großmeister des Geizes und deshalb ein radikal schlecht gelaunter Mensch. Niemand weiß genau, wie viel er auf der hohen Kante hat, aber das muss einiges sein. Ihn ärgert jede Form von Verschwendung und Verausgabung, im Konsum, bei Gefühlen, in der Natur. Meyer tritt leise auf, um seine Schuhsohlen nicht unnötig abzuwetzen. Auf sorgsam berechneten Routen steuert er die billigsten Tankstellen an, wenn er den Sprit nicht sowieso jenseits der Grenze kauft.
Verkäufer drangsaliert Meyer mit der ganzen Palette seines Elends, um noch den letzten Preisnachlass aus ihnen herauszufeilschen. Immer wieder rechnet Meyer alle Ausgaben durch, um zu sehen, ob ihn das Leben nicht zu teuer kommt. Er sieht nur eine Möglichkeit, sein Leben richtig zu machen: ein Hauptgewinn im Lotto. Über einen mageren Dreier kommt er aber nie heraus.
Meyers Mission ist schwierig, denn wo auch immer er seine kleine Welt zusammenhalten will, zerrinnt sie ihm zwischen den Händen. Alles wird teurer, verschleißt, geht kaputt.
"Alle greifen nach seiner Zuflucht, dieser sorgsam um seine Beine geschlungenen Finanzdecke mit Karomuster, die er schon so lange in Gebrauch hat, dass sie allmählich armselig wirkt."
In der Fernsehsendung von Pfarrer Schmiege beobachtet Meyer die anderen, die sich gleich ihm "am morschen Rand des Mittelstandes festklammern". Der Fernsehpfarrer hat manchen guten Rat zur Lebensersparnis zu bieten, aber selbst dieser Trost kommt Meyer abhanden, Pfarrer Schmieges Sendung wird eingestellt.
Patricia Görg hat zwei Gegenbewegungen zu Meyers Lebensangst installiert. Die eine ist sein Y. Meiers Y versammelt die ganze Fantasie, den ganzen Übermut, der sich selbst in diesen grundgrauen Menschen eingeschlichen hat. Manchmal, selten, bricht das Y aus Meier raus, dann tanzt es über die Dächer, Meier ihm nach, als wäre er übermütig. Ausgelassen ist aber immer nur sein Y, das sich Meyer stets erfolgreich wieder einverleibt.
Das stärkere Andere zu diesem am Leben herumknapsenden Menschen ist die Natur. Patricia Görgs Text verfolgt Meyers Leben durch einen ganzen Jahreszyklus hindurch, von Januar bis Dezember. In diesem Jahreslauf fährt sie eine stolze Reihe von Naturwundern auf, die in nächster Nähe geschehen, aber von Meyer wie von uns allen unbeachtet. Die grandiose Verwandlung der Maikäferlarven, nach jahrelangem Leben tief in der Erde. Wie die Fledermäuse mit den Ohren sehen. Das Leben der Mauersegler in der Luft, wie sie fliegend spielen, sich paaren, schlafen, für Monate nur in der Luft.
Patricia Görg stellt diese Bilder als starke Kontraste neben Meyers knappes Leben. Eine Überschneidung gibt es dort, wo Meyer sich in der Natur wiedererkennt. Gern schaut er sich Fische an,
"diese kaltblütigen Gesellen, die während des Winters offenbar unter dem Eis stehen und abwarten können, mit stoisch gedrosselter Kraft ertragend, dass das Leben arm und eng wird. Davor zieht Meyer innerlich den Hut."
Patricia Görg lässt ihren Meyer nicht aus der Falle seines Geizes. Am Ende seines Jahres ist er wie schon im Januar auf dem Weg zur Billigtankstelle im Nachbarland. Meyer vollendet konsequent seinen Jahreslauf, genauso wie die Natur um ihn herum. Sie zeigt, was für eine sagenhafte Verschwendung Meyers Geiz ist.
Patricia Görg hat ein tragikomisches, lakonisches und immer wieder poetisch aufleuchtendes Buch über den großen Lebensvermeider Meyer geschrieben. Mit dieser Erzählung versteht man wieder, warum der Geiz unter die sieben Todsünden gezählt wird.
Rezensiert von Frank Meyer
Patricia Görg: "Meier mit Y",
Berlin Verlag, 176 Seiten, 18,- Euro
Verkäufer drangsaliert Meyer mit der ganzen Palette seines Elends, um noch den letzten Preisnachlass aus ihnen herauszufeilschen. Immer wieder rechnet Meyer alle Ausgaben durch, um zu sehen, ob ihn das Leben nicht zu teuer kommt. Er sieht nur eine Möglichkeit, sein Leben richtig zu machen: ein Hauptgewinn im Lotto. Über einen mageren Dreier kommt er aber nie heraus.
Meyers Mission ist schwierig, denn wo auch immer er seine kleine Welt zusammenhalten will, zerrinnt sie ihm zwischen den Händen. Alles wird teurer, verschleißt, geht kaputt.
"Alle greifen nach seiner Zuflucht, dieser sorgsam um seine Beine geschlungenen Finanzdecke mit Karomuster, die er schon so lange in Gebrauch hat, dass sie allmählich armselig wirkt."
In der Fernsehsendung von Pfarrer Schmiege beobachtet Meyer die anderen, die sich gleich ihm "am morschen Rand des Mittelstandes festklammern". Der Fernsehpfarrer hat manchen guten Rat zur Lebensersparnis zu bieten, aber selbst dieser Trost kommt Meyer abhanden, Pfarrer Schmieges Sendung wird eingestellt.
Patricia Görg hat zwei Gegenbewegungen zu Meyers Lebensangst installiert. Die eine ist sein Y. Meiers Y versammelt die ganze Fantasie, den ganzen Übermut, der sich selbst in diesen grundgrauen Menschen eingeschlichen hat. Manchmal, selten, bricht das Y aus Meier raus, dann tanzt es über die Dächer, Meier ihm nach, als wäre er übermütig. Ausgelassen ist aber immer nur sein Y, das sich Meyer stets erfolgreich wieder einverleibt.
Das stärkere Andere zu diesem am Leben herumknapsenden Menschen ist die Natur. Patricia Görgs Text verfolgt Meyers Leben durch einen ganzen Jahreszyklus hindurch, von Januar bis Dezember. In diesem Jahreslauf fährt sie eine stolze Reihe von Naturwundern auf, die in nächster Nähe geschehen, aber von Meyer wie von uns allen unbeachtet. Die grandiose Verwandlung der Maikäferlarven, nach jahrelangem Leben tief in der Erde. Wie die Fledermäuse mit den Ohren sehen. Das Leben der Mauersegler in der Luft, wie sie fliegend spielen, sich paaren, schlafen, für Monate nur in der Luft.
Patricia Görg stellt diese Bilder als starke Kontraste neben Meyers knappes Leben. Eine Überschneidung gibt es dort, wo Meyer sich in der Natur wiedererkennt. Gern schaut er sich Fische an,
"diese kaltblütigen Gesellen, die während des Winters offenbar unter dem Eis stehen und abwarten können, mit stoisch gedrosselter Kraft ertragend, dass das Leben arm und eng wird. Davor zieht Meyer innerlich den Hut."
Patricia Görg lässt ihren Meyer nicht aus der Falle seines Geizes. Am Ende seines Jahres ist er wie schon im Januar auf dem Weg zur Billigtankstelle im Nachbarland. Meyer vollendet konsequent seinen Jahreslauf, genauso wie die Natur um ihn herum. Sie zeigt, was für eine sagenhafte Verschwendung Meyers Geiz ist.
Patricia Görg hat ein tragikomisches, lakonisches und immer wieder poetisch aufleuchtendes Buch über den großen Lebensvermeider Meyer geschrieben. Mit dieser Erzählung versteht man wieder, warum der Geiz unter die sieben Todsünden gezählt wird.
Rezensiert von Frank Meyer
Patricia Görg: "Meier mit Y",
Berlin Verlag, 176 Seiten, 18,- Euro