Ein bisschen viel Brauchtum
Nach zweijähriger Umbauzeit wird das Museum Europäischer Kulturen in Berlin Dahlem wiedereröffnet. Mit der neuen Dauerausstellung will man einen Blick auf die Lebenswelten und den Kulturellen Alltag in Europa werfen. Und man darf gespannt sein, wie sich das Haus nun präsentiert.
Groß und prächtig ist der Empfang in den frisch sanierten Räumen. Denn gleich hinter dem Eingang zur Ausstellung ist eine schwarz lackierte venezianische Gondel postiert - als imposantes Symbol für Mobilität und kulturellen Austausch. Elisabeth Tietmeyer, stellvertretende Museumsdirektorin:
"Die Gondel ist ein Leitobjekt der Ausstellung. Das Thema lautet ja: Kulturkontakte. Und die Kontakte können ja über verschiedene Arten zustande kommen. Über Handel, Reisen, Medien. Und die Gondel aus Venedig von 1910 zeigt das alles. Also man kann soviel von der Gondel ableiten. Die Entstehung der Städte in Europa, das Handelswesen, das Reisen natürlich, Tourismus-Souvenirs und natürlich auch Migration. Es gibt viele Afrikaner, in Venedig, in Italien, die versuchen, ihr Leben zu meistern. Und das ist eben das Leitobjekt dieser Ausstellung 'Kulturkontakte'."
Und dieses Leitobjekt "Gondel" beleuchtet all diese Aspekte. Prächtig, aber auch einengend. Am Eingang des Rundganges postiert, lenkt sie in ihrem lackierten Glanz nicht nur den Blick auf sich, sondern verstellt ihn auch ein wenig - im wörtlichen, wie im übertragenen Sinn. Denn das venezianische Boot steht für die Tendenz der Schau, die Kulturkontakte in Europa in aller Schönheit zu bebildern - und dabei die Konflikte, die Europa prägten und prägen, außen vor zu lassen.
So hat man als weiteres Zeichen der Mobilität einen farb- und motivreich bemalten sizilianischen Karren in die Ausstellung gerollt, hat am Heck der Gondel einen ebenso üppig mit Bildern verzierten Paravent aufgestellt und sich die Mühe gemacht, einen 12 Meter langen mechanischen Weihnachtsberg aus dem Erzgebirge aufzubauen. Mit all seinen 360 beweglichen Figuren ist es ein fantasievoll gestaltetes Bild für die christliche Prägung Europas - und für seine orientalischen Einflüsse.
Rund 700 Objekte haben die Kuratoren insgesamt aus den Sammlungen ausgewählt, um einen Blick auf Europas Alltagskulturen zu werfen. Nicht chronologisch, sondern thematisch geordnet geht es um Religion, Migration, Individualität und Einheit, Austausch und Abgrenzung.
"Eine Erkenntnis, die unser Museum über die vergangenen 11 Jahre gewonnen hat, ist die, dass es keinen festen Begriff Europas gibt, sondern dass es Kulturräume innerhalb Europas gibt. Dass es eine Kultur der Verschiedenheit ist, eine Kultur der Variationsbreiten. Und ich glaube gerade in der aktuellen Diskussion über Europa kann das doch helfen, den Nachbarn als Teilnehmer des Diskurses zu erkennen und nicht als einen, der vielleicht nicht zahlungskräftig ist. Den man vielleicht wieder ausladen kann, an diesem Diskurs teilzunehmen. Und ich denke gesellschaftspolitisch ist es wichtig zu zeigen, dass diese Vielfalt grundlegend zu diesen europäischen Kulturen gehört."
,erläutert Museumsdirektor Konrad Vanja. Leider beschränkt man sich bei der Darstellung dieser Vielfalt oft auf Allgemeinplätze. Zeigt die italienische Espressotasse als mittlerweile festen Bestandteil deutscher Kaffeekultur, das Modell eines Döners als Ikone gewordener multikultureller Imbiss. Außerdem Trikots und Trachten als Symbol gemeinsamer Identitäten und gegenseitiger Abgrenzung: lokal, regional, national.
So sieht man das Fußballnationalmannschaftstrikot des türkischstämmigen Mesut Özil als Sinnbild einer erfolgreichen Integration, betrachtet Schützenuniformen, folkloristische Festtagskleider und andere Objekte volkstümlicher Tradition. Für eine Ausstellung des 21. Jahrhunderts ist das dann doch ein bisschen viel Brauchtum - und zu harmlos. Hier hätte man sich mehr Mut von den Kuratoren gewünscht. Zumal es ja positive Ansätze gibt. Etwa wenn auf einer der an den Wänden gehängten Foto- und Texttafeln "Europa" thematisiert wird - nach außen ein Bollwerk, nach innen zerrissen. Nochmals Elisabeth Tietmeyer:
"Wir diskutieren auch anhand von Texten und Fotos: Was ist Europa? Gibt es eine europäische Identität? Sind wir in Europa zu Hause? Wir zeigen zum Beispiel zwei Fotos: Einmal das vereinte Europa, die Europäische Union mit den Flaggen, die in einem Kreis sind. Auf der anderen Seite zeigen wir das Foto der Bootsflüchtlinge. Auf der einen Seite das Europa, das wir von innen her kritisieren, wo wir mehr national und auch regional orientiert sind. Auf der anderen Seite werden wir zu Europäern, wenn wir uns abschotten wollen. Dann ist plötzlich eine europäische Identität da. Und wenn man den Konflikt reflektiert, kommt man vielleicht auch ein Stück weiter."
Ansonsten aber vermisst man solche Fragestellungen und ist am Ende des Rundganges enttäuscht. Weil hier die Chance vertan wurde, einer eher ökonomisch geführten Diskussion über Europa anhand kultureller Alltagsobjekte eine weiterreichende Dimension zu verleihen.
"Die Gondel ist ein Leitobjekt der Ausstellung. Das Thema lautet ja: Kulturkontakte. Und die Kontakte können ja über verschiedene Arten zustande kommen. Über Handel, Reisen, Medien. Und die Gondel aus Venedig von 1910 zeigt das alles. Also man kann soviel von der Gondel ableiten. Die Entstehung der Städte in Europa, das Handelswesen, das Reisen natürlich, Tourismus-Souvenirs und natürlich auch Migration. Es gibt viele Afrikaner, in Venedig, in Italien, die versuchen, ihr Leben zu meistern. Und das ist eben das Leitobjekt dieser Ausstellung 'Kulturkontakte'."
Und dieses Leitobjekt "Gondel" beleuchtet all diese Aspekte. Prächtig, aber auch einengend. Am Eingang des Rundganges postiert, lenkt sie in ihrem lackierten Glanz nicht nur den Blick auf sich, sondern verstellt ihn auch ein wenig - im wörtlichen, wie im übertragenen Sinn. Denn das venezianische Boot steht für die Tendenz der Schau, die Kulturkontakte in Europa in aller Schönheit zu bebildern - und dabei die Konflikte, die Europa prägten und prägen, außen vor zu lassen.
So hat man als weiteres Zeichen der Mobilität einen farb- und motivreich bemalten sizilianischen Karren in die Ausstellung gerollt, hat am Heck der Gondel einen ebenso üppig mit Bildern verzierten Paravent aufgestellt und sich die Mühe gemacht, einen 12 Meter langen mechanischen Weihnachtsberg aus dem Erzgebirge aufzubauen. Mit all seinen 360 beweglichen Figuren ist es ein fantasievoll gestaltetes Bild für die christliche Prägung Europas - und für seine orientalischen Einflüsse.
Rund 700 Objekte haben die Kuratoren insgesamt aus den Sammlungen ausgewählt, um einen Blick auf Europas Alltagskulturen zu werfen. Nicht chronologisch, sondern thematisch geordnet geht es um Religion, Migration, Individualität und Einheit, Austausch und Abgrenzung.
"Eine Erkenntnis, die unser Museum über die vergangenen 11 Jahre gewonnen hat, ist die, dass es keinen festen Begriff Europas gibt, sondern dass es Kulturräume innerhalb Europas gibt. Dass es eine Kultur der Verschiedenheit ist, eine Kultur der Variationsbreiten. Und ich glaube gerade in der aktuellen Diskussion über Europa kann das doch helfen, den Nachbarn als Teilnehmer des Diskurses zu erkennen und nicht als einen, der vielleicht nicht zahlungskräftig ist. Den man vielleicht wieder ausladen kann, an diesem Diskurs teilzunehmen. Und ich denke gesellschaftspolitisch ist es wichtig zu zeigen, dass diese Vielfalt grundlegend zu diesen europäischen Kulturen gehört."
,erläutert Museumsdirektor Konrad Vanja. Leider beschränkt man sich bei der Darstellung dieser Vielfalt oft auf Allgemeinplätze. Zeigt die italienische Espressotasse als mittlerweile festen Bestandteil deutscher Kaffeekultur, das Modell eines Döners als Ikone gewordener multikultureller Imbiss. Außerdem Trikots und Trachten als Symbol gemeinsamer Identitäten und gegenseitiger Abgrenzung: lokal, regional, national.
So sieht man das Fußballnationalmannschaftstrikot des türkischstämmigen Mesut Özil als Sinnbild einer erfolgreichen Integration, betrachtet Schützenuniformen, folkloristische Festtagskleider und andere Objekte volkstümlicher Tradition. Für eine Ausstellung des 21. Jahrhunderts ist das dann doch ein bisschen viel Brauchtum - und zu harmlos. Hier hätte man sich mehr Mut von den Kuratoren gewünscht. Zumal es ja positive Ansätze gibt. Etwa wenn auf einer der an den Wänden gehängten Foto- und Texttafeln "Europa" thematisiert wird - nach außen ein Bollwerk, nach innen zerrissen. Nochmals Elisabeth Tietmeyer:
"Wir diskutieren auch anhand von Texten und Fotos: Was ist Europa? Gibt es eine europäische Identität? Sind wir in Europa zu Hause? Wir zeigen zum Beispiel zwei Fotos: Einmal das vereinte Europa, die Europäische Union mit den Flaggen, die in einem Kreis sind. Auf der anderen Seite zeigen wir das Foto der Bootsflüchtlinge. Auf der einen Seite das Europa, das wir von innen her kritisieren, wo wir mehr national und auch regional orientiert sind. Auf der anderen Seite werden wir zu Europäern, wenn wir uns abschotten wollen. Dann ist plötzlich eine europäische Identität da. Und wenn man den Konflikt reflektiert, kommt man vielleicht auch ein Stück weiter."
Ansonsten aber vermisst man solche Fragestellungen und ist am Ende des Rundganges enttäuscht. Weil hier die Chance vertan wurde, einer eher ökonomisch geführten Diskussion über Europa anhand kultureller Alltagsobjekte eine weiterreichende Dimension zu verleihen.