Ein Buch über die Mongolei für die Tschechen
Sie gilt als eine der wichtigsten jungen Stimmen Tschechiens. Mit "Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe" wurde sie mit 23 berühmt. Petra Hulova, die Mongolistik studierte, stellt den Umbruch des Landes in den Mittelpunkt. Es ist eine List der Autorin, durch die Szenen in der Fremde ihrem Heimatland einen irritierenden Spiegel vorzuhalten.
Die tschechische Literatur ist in den letzten Jahren in der deutschen Rezeption merkwürdig blass geblieben, im Unterschied etwa zur polnischen oder ukrainischen. Dabei gab es direkt nach 1989 einen gewissen Hype um den Prager Untergrundautor Jachym Topol, der jedoch schnell vorbeiging, nicht zuletzt wegen komplizierter deutscher Übersetzungsfragen. Petra Hulova nun tritt in die Fußstapfen jenes frühen Jungstars. Ihr Debüt ist im Jahr 2002 in Tschechien erschienen, und schon der Titel weist auf die geheimen Verführungskräfte des entlegenen Ostens hin: "Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe" verspricht jenes visionäre Erzählen, jene östliche Phantastik, die schwerer, kälter und wuchtiger wirkt als die leichte westliche Ironie. Hulova wurde damit als 23-Jährige berühmt und gilt mittlerweile, nach mehreren Romanen, in Tschechien als eine der wichtigsten jungen Stimmen.
Die Autorin macht keinen Hehl daraus, dass der Ursprung dieses Romans natürlich auf eigenen Erlebnissen beruht: Sie studierte in Prag Kulturwissenschaft und Mongolistik und hielt sich deswegen längere Zeit in der Mongolei auf. Im Roman thematisiert sie aber nicht ein abendländisches Ich, das die Distanz zur exotischen Ferne reflektiert, sondern sie wagt den Blick von innen: Hauptfigur ist Dzaja, die in ihrem Nomadenstamm nicht recht anerkannt wird und, als sie mündig geworden ist, in der Stadt ein neues Leben sucht. Es ist ein Roman aus weiblicher Perspektive. Drei Frauen schildern den Weg Dzajas: sie selbst, ihre Mutter sowie ihre Tochter, dabei verbinden sich die Schilderungen des mongolischen Alltags in der Stadt und in der Steppe und ergeben ein merkwürdig flirrendes Bild.
Die Widersprüche sind deutlich zu benennen: auf dem Dorf sind die Frauen rechtlos, gleichzeitig ist das Leben der Nomaden weitaus weniger entfremdet als das in der Stadt. Die Umbruchssituation, die hier im Mittelpunkt steht, ist nicht einfach das Ende der Sowjetunion und der alten Blöcke: es ist das unvermittelte Aufeinanderprallen von Tradition und Fortschritt im beschleunigenden Zeitalter der Globalisierung. Die drei Frauen, mit Dzaja als Mittelpunkt, erleben einen Prozess der Individualisierung: Jede muss für sich entscheiden, wie sie sich in diesem Konflikt zwischen Alt und Neu verhält. Die Sprache lebt dabei von den Bildern des mongolischen Alltags, von der literarischen Aufladung des Fremden. Und es ist wohl eine besondere List der Autorin, durch die Szenen in der fernen Mongolei den Lesern in ihrem Heimatland Tschechien einen irritierenden Spiegel vorzuhalten.
Rezensiert von Helmut Böttiger
Petra Hulova: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe. Roman.
Deutsch von Christa Rothmeier. Sammlung Luchterhand, München. 302 Seiten, 9 €
Die Autorin macht keinen Hehl daraus, dass der Ursprung dieses Romans natürlich auf eigenen Erlebnissen beruht: Sie studierte in Prag Kulturwissenschaft und Mongolistik und hielt sich deswegen längere Zeit in der Mongolei auf. Im Roman thematisiert sie aber nicht ein abendländisches Ich, das die Distanz zur exotischen Ferne reflektiert, sondern sie wagt den Blick von innen: Hauptfigur ist Dzaja, die in ihrem Nomadenstamm nicht recht anerkannt wird und, als sie mündig geworden ist, in der Stadt ein neues Leben sucht. Es ist ein Roman aus weiblicher Perspektive. Drei Frauen schildern den Weg Dzajas: sie selbst, ihre Mutter sowie ihre Tochter, dabei verbinden sich die Schilderungen des mongolischen Alltags in der Stadt und in der Steppe und ergeben ein merkwürdig flirrendes Bild.
Die Widersprüche sind deutlich zu benennen: auf dem Dorf sind die Frauen rechtlos, gleichzeitig ist das Leben der Nomaden weitaus weniger entfremdet als das in der Stadt. Die Umbruchssituation, die hier im Mittelpunkt steht, ist nicht einfach das Ende der Sowjetunion und der alten Blöcke: es ist das unvermittelte Aufeinanderprallen von Tradition und Fortschritt im beschleunigenden Zeitalter der Globalisierung. Die drei Frauen, mit Dzaja als Mittelpunkt, erleben einen Prozess der Individualisierung: Jede muss für sich entscheiden, wie sie sich in diesem Konflikt zwischen Alt und Neu verhält. Die Sprache lebt dabei von den Bildern des mongolischen Alltags, von der literarischen Aufladung des Fremden. Und es ist wohl eine besondere List der Autorin, durch die Szenen in der fernen Mongolei den Lesern in ihrem Heimatland Tschechien einen irritierenden Spiegel vorzuhalten.
Rezensiert von Helmut Böttiger
Petra Hulova: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe. Roman.
Deutsch von Christa Rothmeier. Sammlung Luchterhand, München. 302 Seiten, 9 €