Ein Buch wie ein Donnerhall

Rezensiert von Knut Cordsen |
Traumatisiert kehrt der junge Soldat aus dem Krieg zurück in die USA. Er wird heimgesucht von peinigenden Erinnerungen und zerbricht letztendlich daran. Kevin Powers hat ein schonungsloses Buch geschrieben, das die mörderischen Mechanismen des Krieges entlarvt.
Diesem Buch eilt ein Ruf wie Donnerhall voraus. Der US-Autor Dave Eggers lobte es in den höchsten Tönen, den Hemingway Foundation/PEN Award hat es gewonnen, und beim National Book Award war es immerhin ein Finalist. Die Erwartungen, die sich an die Lektüre knüpfen, sind nicht gering – und sie werden nicht enttäuscht.

Denn dem heute 32jährigen Irakkriegsveteranen ist mit seinem ersten Roman etwas Besonderes gelungen – ein schonungslos ehrliches Buch über einen, der von sich selbst schreibt: "Ich war kein Held, kein Aushängeschild. Ich konnte froh sein, mit heiler Haut davongekommen zu sein." Keine falsche Heroisierung also.

Kevin Powers erzählt, auf seinen Erfahrungen fußend, vom Einsatz eines 21-jährigen Private in Tal Afar, nahe Syrien, 2004 und 2005: John Bartle, genannt Bart, blickt mit fast dreißig zurück auf das, was ihn zu einem seelischen Krüppel hat werden lassen. Berichtet von Patrouillengängen in den Irrgärten finsterer Gassen, von Schlachten in Häuserschluchten ("pockennarbigen Tälern aus Backsteinen und Beton"), von ohrenbetäubendem Explosionslärm der Mörsergranaten und sprengstoffgefüllten "Körperbomben", vom jämmerlichen Verrecken.

Bei manchen Szenen muss man an Kathryn Bigelows großartigen Film "The Hurt Locker" denken: So plastisch, so drastisch vermag Powers uns das Grauen dieses "miesen, kleinen" Krieges vor Augen führen. Bart hatte in seinem Bataillon Freundschaft geschlossen mit Murph, dem 18jährigen Daniel Murphy, mit dem er dort zehn Monate in der Provinz Ninive in der Gluthitze ausharrt: "Wir waren beide so geblendet, als wäre die Sonne der ganze Himmel."

Beide kennen das Gefühl der Ohnmacht, das einen im Gefecht ereilt, sehr genau: "Das ist wie ein Autounfall. Wie der kurze Moment zwischen der Erkenntnis, dass es gleich kracht, und dem Zusammenstoß. Um ehrlich zu sein, fühlt man sich ziemlich hilflos." Murph, der dem Wahnsinn nicht standhält, wandelt eines Tages splitterfasernackt wie ein Geist durch die feindlichen Linien und endet bestialisch verstümmelt im Staub am Fuße eines Minaretts.

Wer immer noch vom Gefallenen auf dem "Feld der Ehre" spricht, der lese Kevin Powers’ eindringliche Schilderungen - er wird sich rasch distanzieren von solcherlei Kitsch und Pathos.

Entlassen aus der US Army und zurück in Virginia, im "Land der Freiheit, des Reality-TV, der Shopping-Malls und der Venenthrombose" empfindet Bart nur mehr vollkommene Fremdheit. Unfähig, in den Alltag zurückzukehren, traumatisiert, heimgesucht von peinigenden Erinnerungen, verwahrlost er zusehends, beginnt er, "innerlich zu zerbröseln".

Einst hatte sich der Gedichte liebende Junge freiwillig an die Front gemeldet, um ein Mann zu werden. Geworden aber ist aus ihm lediglich ein Wrack, das nur bitter lachen kann über die Rede vom "Krieg als großer Vereiner". "Der Krieg", schreibt Kevin Powers, "bringt unzählige Solipsisten hervor", die sich insgeheim freuen über den Tod ihrer Kameraden, weil der sie dem eigenen Überleben ein Stück näher gebracht hat.


Kevin Powers: Die Sonne war der ganze Himmel
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Henning Ahrens
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main
240 Seiten, 19,99 Euro