Ein bürgerlicher Kämpfer für die Verfassung
Er gehörte zu den brühmten Göttinger Sieben, war Mitglied in der Nationalversammlung von 1848 und ein Mitbegründer der deutschen Politikwissenschaft: Friedrich Christoph Dahlmann zählte zu den paradigmatischen Figuren seiner Epoche. Nun erscheint die erste ausführliche Biografie.
Im Dezember 1837 wurde der Historiker und Verfassungspolitiker Friedrich Christoph Dahlmann (1785-1860) schlagartig deutschlandweit berühmt. Anlass war ein Protestschreiben, das der angesehene Göttinger Professor verfasst und zusammen mit sieben Kollegen unterschrieben hatte, in dem er sich vehement gegen die Aussetzung der erst vier Jahre zuvor verabschiedeten Verfassung des Königreichs Hannover durch den neuen König Ernst August I. aussprach. Anders als sein Vorgänger wollte der konservative Ernst August I. die Monarchie nicht an eine moderne Verfassung binden, sondern bestand auf dem feudalen Verständnis eines von Gottes Gnaden verliehenen Königtums.
Gegen den Protest der "Göttinger Sieben", wie die unterschreibenden Professoren bald genannt wurden, reagierte er denn auch äußerst empfindlich, entließ sie sofort aus dem Universitätsdienst und verwies die führenden Köpfe der Gruppe des Landes. Dieses harte Vorgehen trug den Professoren in ganz Deutschland lebhafte Sympathien ein.
Dahlmann erhielt erst 1842 wieder eine akademische Anstellung im damals preußischen Bonn, wurde aber in der Zwischenzeit zur hoch geachteten Symbolfigur für moderne, liberale, bürgerliche und für die deutsche nationale Einheitsbewegung. In der 1848er-Revolution wurde er Mitglied der Nationalversammlung – einer jener Akademiker, die in der Frankfurter Paulskirche an den Erfordernissen der Realpolitik scheiterten.
Dieser wichtigen politischen Figur des 19. Jahrhunderts hat nun der Politikwissenschaftler Wilhelm Bleek die erste ausführliche moderne Biografie gewidmet. Wie jede gute Biografie bietet auch Bleeks Buch weit mehr als die Geschichte eines Lebens. Es ist auch die dichte Beschreibung einer Epoche: der sogenannten Biedermeier-Zeit nach 1815, als Europa nach der Französischen Revolution und Napoleon wieder zur Ruhe kam und der liberale bürgerliche Nationalismus zur entscheidenden politischen Kraft heranwuchs.
Bleek beschreibt ausführlich Dahlmanns Lebensstationen: von der Kindheit in Wismar, den Studien der Altphilologie in Kopenhagen und Halle, der kurzen Jugendfreundschaft mit Heinrich von Kleist, mit dem er im patriotischen Rausch nach Wien wanderte, um die napoleonische Schlacht bei Aspern zu sehen, über die erste Professur in Kiel, die Berufung ins renommierte Göttingen, die enge Freundschaft mit den Brüdern Grimm bis zu seinen zunehmenden realpolitischen Einmischungen als Verfassungspolitiker.
Vor allem aber kann der Autor an der paradigmatischen Figur Dahlmanns auch vieles von dem, was diese Epoche politisch geprägt hat, ausführlich darstellen: den bürgerlichen Kampf um die Verfassungen in den deutschen Monarchien, die Auseinandersetzung mit dem restaurativen Zensurstaat, den politischen Aufstieg des Bürgertums, ihren liberalen Nationalismus sowohl als ihre konservativen Reformbewegungen, die aufsteigende Macht der Universitäten und Professoren, die zunehmend auch zu politischen und moralischen Autoritäten wurden.
Dahlmann wird mittlerweile zu den Begründern der deutschen Politikwissenschaft gezählt. Dass er trotz allen politischen Engagements durch und durch Akademiker blieb, eine eher trockene, nüchterne Figur, "scheu und steif", wird aus der Biografie deutlich. Auch dem Buch des Politikwissenschaftlers Bleek selbst eignet bei aller stilistischen Eleganz eine gewisse akademische Nüchternheit: Wir haben es hier mit der Geschichte von Verfassungsfragen, mithin Ideen, zu tun, weniger mit derjenigen von Menschen oder ihren Erlebnissen.
Besprochen von Catherine Newmark
Wilhelm Bleek: Friedrich Christoph Dahlmann. Eine Biographie
C.H. Beck, München 2010
472 Seiten, 34,95 Euro
Gegen den Protest der "Göttinger Sieben", wie die unterschreibenden Professoren bald genannt wurden, reagierte er denn auch äußerst empfindlich, entließ sie sofort aus dem Universitätsdienst und verwies die führenden Köpfe der Gruppe des Landes. Dieses harte Vorgehen trug den Professoren in ganz Deutschland lebhafte Sympathien ein.
Dahlmann erhielt erst 1842 wieder eine akademische Anstellung im damals preußischen Bonn, wurde aber in der Zwischenzeit zur hoch geachteten Symbolfigur für moderne, liberale, bürgerliche und für die deutsche nationale Einheitsbewegung. In der 1848er-Revolution wurde er Mitglied der Nationalversammlung – einer jener Akademiker, die in der Frankfurter Paulskirche an den Erfordernissen der Realpolitik scheiterten.
Dieser wichtigen politischen Figur des 19. Jahrhunderts hat nun der Politikwissenschaftler Wilhelm Bleek die erste ausführliche moderne Biografie gewidmet. Wie jede gute Biografie bietet auch Bleeks Buch weit mehr als die Geschichte eines Lebens. Es ist auch die dichte Beschreibung einer Epoche: der sogenannten Biedermeier-Zeit nach 1815, als Europa nach der Französischen Revolution und Napoleon wieder zur Ruhe kam und der liberale bürgerliche Nationalismus zur entscheidenden politischen Kraft heranwuchs.
Bleek beschreibt ausführlich Dahlmanns Lebensstationen: von der Kindheit in Wismar, den Studien der Altphilologie in Kopenhagen und Halle, der kurzen Jugendfreundschaft mit Heinrich von Kleist, mit dem er im patriotischen Rausch nach Wien wanderte, um die napoleonische Schlacht bei Aspern zu sehen, über die erste Professur in Kiel, die Berufung ins renommierte Göttingen, die enge Freundschaft mit den Brüdern Grimm bis zu seinen zunehmenden realpolitischen Einmischungen als Verfassungspolitiker.
Vor allem aber kann der Autor an der paradigmatischen Figur Dahlmanns auch vieles von dem, was diese Epoche politisch geprägt hat, ausführlich darstellen: den bürgerlichen Kampf um die Verfassungen in den deutschen Monarchien, die Auseinandersetzung mit dem restaurativen Zensurstaat, den politischen Aufstieg des Bürgertums, ihren liberalen Nationalismus sowohl als ihre konservativen Reformbewegungen, die aufsteigende Macht der Universitäten und Professoren, die zunehmend auch zu politischen und moralischen Autoritäten wurden.
Dahlmann wird mittlerweile zu den Begründern der deutschen Politikwissenschaft gezählt. Dass er trotz allen politischen Engagements durch und durch Akademiker blieb, eine eher trockene, nüchterne Figur, "scheu und steif", wird aus der Biografie deutlich. Auch dem Buch des Politikwissenschaftlers Bleek selbst eignet bei aller stilistischen Eleganz eine gewisse akademische Nüchternheit: Wir haben es hier mit der Geschichte von Verfassungsfragen, mithin Ideen, zu tun, weniger mit derjenigen von Menschen oder ihren Erlebnissen.
Besprochen von Catherine Newmark
Wilhelm Bleek: Friedrich Christoph Dahlmann. Eine Biographie
C.H. Beck, München 2010
472 Seiten, 34,95 Euro