Ein buntes Stück Zeitgeschichte

In seinem Bildband zeigt Hermann Waldenburg mehr als 100 Bilder, die auf die Berliner Mauer gemalt waren und Schrottskulpturen aus ihrem Umfeld. Viele der Kunstwerke sind heute verschwunden, und so dokumentiert der Künstler und Designer kreative Geschichte.
Das Bild ist eindeutig: diesen Teufeln hat man den Garaus gemacht. Zwar strampeln die drei schwarzen Strichmännchen mit Hörnern und Dreizack noch, doch wird sie ein bunter Nebel bald hinwegraffen. Verschiedene Jahreszahlen, die die Szenerie umgeben, helfen die Bildergeschichte zu entschlüsseln: 1525, 1789, 1945, 1989 - Bauernkriege, Französische Revolution, das Ende der Nazi-Diktatur, der Mauerfall. Und wer noch zweifelt, um was es hier gehen mag, bekommt in dicken Lettern erklärt: "Von dannen Tyrannen".

1989 prangte diese Darstellung als Kommentar und Zeichen der Freude über den politischen Wandel auf der Berliner Mauer. 24 Jahre später ist sie längst Geschichte. Wie viele tausende andere Bilder wurde sie übermalt, demoliert oder mitsamt ihrem Maluntergrund entfernt. In Hermann Waldenburgs Bildband "Graffiti und Objektkunst 1989 bis 1994" ist sie nun mit über 100 weiteren teils verschwundenen, teils noch existierenden Bildern und Skulpturen zu besichtigen.

"Let my paint die with the wall"
Dem Bildteil vorangestellt hat der Künstler und Designer Waldenburg einen kurzen Essay zur politischen und künstlerischen Geschichte der Mauer, die von den 1980er Jahren an auf ihrer Westseite immer bunter wurde. Professionelle Künstler sowie begabte und weniger begabte Laien begannen ihre Kommentare und Graffitis auf die Beton-Grenze zu sprayen, zu malen und zu kleben. Einige wenige dieser frühen Äußerungen präsentiert der Autor, wie etwa den 1984 aus prophetischem Wunschdenken gepinselten Satz "Let my paint die with the wall".

Seine Bildergalerie bestückt Waldenburg durchweg aus dem eigenen Fotoarchiv. Subjektiv ausgewählt, zeigt er Darstellungen, die auf vielen verschiedenen Mauerabschnitten realisiert worden waren. Den Löwenanteil stellen Werke, die sich im Bereich der East-Side-Gallery befanden beziehungsweise noch befinden. Dieser 1,5 Kilometer lange Mauerteil und heutige Touristenmagnet blieb bis zum September 1990 unbemalt, dann aber brach sich dort eine wahre Bilderflut bahn.

Mit jeweils einem Bild pro Seite präsentiert Waldenburg seine Lieblingsstücke. Dazu gehören vielmals gesehen Ikonen wie der Bruderkuss zwischen Breschnew und Honecker oder der durch die Mauer brechende Trabant.

Gnadenlos überklebt und übermalt
Aber auch kleine, subtile Bilder werden gezeigt. Etwa ein mit der Schablone gesprayter Charlie Chaplin oder eine sich durch die Wand klopfende Comicfigur. Interessant sind darüber hinaus einige Vorher/Nachher-Bilder, die die Lebendigkeit der Szene und den dauernden Bildwandel dokumentieren. Bisweilen wurde gnadenlos überklebt und übermalt.

In den frühen 90er Jahren wurde auch die nach Westen zeigende Seite der East-Side-Gallery zum Paradies für Mauerkünstler. Hier wimmelte es von Tags beziehungsweise ironisch bis rotzfrech anmutenden Bildern. Heute sind sie sämtlich zerstört. Und auch die Schrott-Skulpturen (zwischen Stresemannstraße und dem Potsdamer Platz) sind längst verschwunden.

So ist man froh über diese Fotografien. Sparsam, doch sachkundig vom Autor kommentiert, lässt sich mit ihnen ein buntes Stück Zeitgeschichte studieren.

Besprochen von Eva Hepper

Hermann Waldenburg: Mauerkunst. Graffiti und Objektkunst in Berlin 1989 bis 1994
Nicolai Verlag, Berlin 2013
120 Seiten, 19,95 Euro


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