Ein "Caravaggio" von artiger Mäßigung

Von Elisabeth Nehring |
Einer der führenden Choreographen Italiens, Mauro Bigonzetti, hat sich für seine erste Arbeit für die Staatsoper Unter den Linden für ein tänzerisches Porträt des italienischen Barockmalers Caravaggio entschieden. Die Essenz dessen, was den 'Vater des Realismus' und seine starke Persönlichkeit ausmachte, vermag er dabei nicht auf die Bühne zu bringen.
Mauro Bigonzetti, einer der führenden Choreographen der italienischen Ballettwelt, hat von Wladimir Malakhov, dem Chef des Staatsballetts Berlin, für seine erste Choreographie an der Staatsoper Unter den Linden ‚carte blanche’ bekommen – und sich mit einer zentralen Rolle für seinen Auftraggeber bedankt. Malahov verkörpert in der gleichnamigen Choreographie den italienischen Barockmaler Caravaggio, das Malergenie, bekannt für die dramatische Intensität seiner Malerei und berühmt-berüchtigt wegen seiner aufbrausenden und leidenschaftlichen Persönlichkeit.
Weder narrativ noch direkt an die Bildsprache Caravaggios angelehnt, wählt Bigonzetti einen assoziativen Zugang zu dem Maler und seinem Werk. Im ersten Akt eingebettet in farbige Ensembleszenen aus dem italienischen Leben der Epoche, trifft Malakhov als Malergenie auf Figuren aus seinen Bildern, etwa den Bacchus. Im zweiten Akt verbinden sich Leben und Werk, ein intimes Männerduett spielt an auf die vermeintliche Homosexualität des Malers und ein Engel führt Caravaggio, dem Totschläger, die Hand bei seinen blutigen Taten.

Im Einsatz des Lichtes, der Farben, Stoffe, Kostüme, finden sich in diesem modernen Ballett deutliche Anleihen bei Caravaggios Werk. Doch die Essenz dessen, was den ‚Vater des Realismus’ ausmacht, vermag Bigonzetti nicht auf die Bühne zu bringen. Denn während Caravaggio für die Fleischlichkeit, den starken, emotionalen Ausdruck seiner Figuren ebenso bekannt ist, wie für seinen Mut, selbst Heilige als echte Menschen aus Fleisch und Blut darzustellen und damit den Betrachter selbst heute noch mit seinen Bildern auch körperlich zu affizieren, bleibt auf der Bühne der Staatsoper alles von artiger Mäßigung.

Malakhov mit seiner zweifellos großartigen Technik bemüht sich vor allem im zweiten Akt sichtbar um expressiven Ausdruck von widerstreitenden Gefühlen, doch bleibt seine ephimere, zurückgenommene, fast impressionistische Tänzerpersönlichkeit vorherrschend. Das Schwierige, Unangepasste des Raufbolds Caravaggio vermag er nicht wirklich überzeugend zu verkörpern. Solisten und Ensemble stellen sich mit sichtbarem Engagement der für sie ungewohnten Herausforderung der Choreographie, in der sich modernes und klassisches Bewegungsmaterial verbindet, doch überzeugt der Abend eher durch seine Optik als durch eine tänzerische Entsprechung der Kunst des italienischen Meisters Caravaggio.