Ein Dach für meine Seele

Von Josefine Janert |
Etwa 264.000 Russlanddeutsche leben in der Bundesrepublik. Aus der alten Heimat brachten sie nicht nur ihre Sprache mit, sondern auch ihre Religion. Darin unterschieden sie sich von den Einheimischen, die zumeist russisch-orthodox waren.
Mittwochvormittag, kurz nach elf. In einem Gemeindesaal der evangelisch-lutherischen Philippus-Gemeinde in Dresden-Gorbitz lernen elf Russlanddeutsche die Sprache ihrer Ahnen. Vor ihnen auf den Tischen liegen Wörterbücher und Kopien, Stifte und Brillenetuis. Kornelia Böttrich, die Frau des Pfarrers, korrigiert Fehler und ermuntert zum Reden. Seit vier Jahren unterrichtet sie die Spätaussiedler ehrenamtlich. Der Kurs ist für die Russlanddeutschen kostenlos.

In Dresden-Gorbitz, einem Neubaugebiet aus DDR-Zeiten, leben etliche russlanddeutsche Familien. Zum Deutschunterricht in der Gemeinde gehen vor allem Menschen ab 50. Viele Jüngere haben dafür keine Zeit, weil sie arbeiten oder eine Ausbildung machen. Deutsch fällt ihnen in der Regel auch leichter als den Älteren.

Konstantin Neumann, ein rotblonder Mann von 59 Jahren, hat Schwierigkeiten mit der Grammatik, wie fast alle Kursteilnehmer. Der ehemalige Lehrer bessert sein Hartz IV auf, indem er gelegentlich Werbung in Briefkästen steckt. In der Pause erzählt er von seinem Leben in Usbekistan. Deutsch zu sprechen war in der Sowjetunion lange Zeit streng verboten. Lenin hatte das Marx-Zitat von der Religion als "Opium des Volkes" zum Diktum erhoben. Gläubige wurden verfolgt, gleich ob sie Christen, Juden oder Moslems waren. Daher sprach Konstantin Neumann mit seiner Mutter kaum über Gott, obwohl sie evangelisch war.

Neumann: "Und in unserer Stadt gab es keine orthodoxe Kirche, keine evangelische Kirche. Nur in Taschkent, in der Hauptstadt. Taschkent war von unserer Stadt 450 Kilometer entfernt."

In Deutschland besuchte Konstantin Neumann zum ersten Mal in seinem Leben einen Gottesdienst. Er erinnert sich noch an das Datum. Es war der 5. Oktober 2000. Inzwischen geht der alleinstehende Mann an jedem Sonntag in die Philippus-Kirche in Dresden-Gorbitz.

Neumann: "Ich bekomme sehr viele (…) ruhige Wörter für meine Seele. Und ich fühle mich an diesem Gottesdienst leicht, ein wenig."

Theresa Ostrowski kommt mit ihrem Mann Vitalis ebenfalls zum Deutschunterricht. Sie wurde 1941 an der Wolga geboren. Ihre Familie war evangelisch. Eltern und Großeltern pflegten die alten christlichen Traditionen.

Ostrowski: " Wir haben die Weihnachten gefeiert, das war was Besonderes, Pfingsten und alle deutschen Bräuche. (…) Es waren schwierige Zeiten und wir waren arm. (…) Meine Eltern haben doch versucht, einen Tannenbaum zu besorgen, und dann haben wir ihn geschmückt, selbst. Von verschiedenem Papier haben wir verschiedene Figuren gemacht, so Ketten aus Papier gemacht.
Und dann mussten wir, wenn das Christkind kommt, dann mussten wir was erzählen, wie man sich das ganze Jahr benommen hat und mussten wir was beten, ja."

Nach Hitlers Überfall auf die Sowjetunion wurde Ostrowskis Familie, so wie Tausende andere, nach Sibirien verbannt. Andere wurden nach Kasachstan oder in den Ural deportiert. Stalin unterstellte den Russlanddeutschen, dass sie mit Nazi-Deutschland kollaborierten, was aber nicht stimmte. Schon zu Beginn der 30er-Jahre hatte der Diktator Pfarrer, Popen und Rabbi ermorden lassen.

Ostrowski: "Beten, Deutschreden, das war verboten. (…) Wie alt ich war, das weiß ich nicht, aber ich kann mich noch erinnern, dass meine Eltern gesagt haben: Du darfst das niemandem erzählen, dass du getauft bist. Und das hab ich auch niemandem erzählt."

Viele Russlanddeutsche entfernten sich von ihrer Religion und wandten sich dem Atheismus zu, den der Staat predigte. Andere suchten angesichts von Not und Verfolgung erst recht Trost bei Gott. Sie versammelten sich heimlich, um zu beten – in Wohnungen, sogar auf Friedhöfen. Ältere Frauen tauften die Kinder, wie Theresa Ostrowski berichtet.

Ostrowski: "Sie ist gekommen, und dann haben die Eltern die Fenster zugehängt. Damals war doch noch kein Strom, waren die Öllampen. Haben sie die Lampe angezündet und so eine Schüssel mit Wasser. Und da hat sie was gesprochen, diese Frau, und hat mit Wasser nicht nur mich getauft. Waren noch andere, waren meine jüngste Schwester und noch andere Kinder. Und das durften wir nicht irgendwo erzählen."

Die junge Theresa wollte Ärztin werden, aber weil sie Deutsche war, versagten es ihr die Behörden. Sie arbeitete als Krankenschwester. Mit ihrem Mann, einem Ingenieur, zog sie später in den Ural. 1998 siedelte das Paar nach Deutschland über. Beide Ostrowskis sind als Hausmeister in der Philippus-Gemeinde tätig. Von dort bekommen sie viel Unterstützung. Die Einheimischen organisieren Ausflüge und andere Veranstaltungen für die Aussiedler. Pfarrersfrau Kornelia Böttrich berichtet.

Böttrich: "Und sie gestalten auch etwas selbst, zum Beispiel haben wir im vorigen Jahr im November einen Abend veranstaltet zum Thema "Die Wege zueinander" und zu diesem Abend wurde die Gemeinde eingeladen. Die Spätaussiedler waren also die Gastgeber."

Nicht nur in Philippus, überall in der Bundesrepublik unterstützen Gemeinden Russlanddeutsche bei der Integration. Rund 43 Prozent der Aussiedler erklären bei der Einreise, dass sie evangelisch seien. 20 Prozent sind russisch-orthodox und 17 Prozent römisch-katholisch. Ein geringer Prozentsatz gehört freikirchlichen Gemeinschaften an.

Wenn Russlanddeutsche das hiesige Gemeindeleben kennenlernen, sind sie gelegentlich irritiert. Friedemann Oehme war zehn Jahre Pfarrer in Dresden und ist nun Referent für ökumenische Beziehungen im Sächsischen Landeskirchenamt. Er nennt die Ursachen für diese Irritationen.

Oehme: "Mitunter ist es ihnen auch fremd, wenn eine Pfarrerin auf der Kanzel steht. (…) Oder auch die Art, wie in der Kirche diskutiert wird, also die Offenheit, die bei uns üblich ist, auch über schwierige Themen. Das kennen sie so von ihren christlichen Gemeinschaften her nicht. Was sie in der Fremde nicht geschafft haben, eben so eine Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist und so eine Entwicklung, die wir hier in Deutschland vollzogen haben. Und so beharren sie teilweise auch jetzt noch auf sehr konservativen Positionen."

Die Unterschiede beginnen schon bei der Musik.

Oehme: "Viele ihrer Lieder, die sie von Generation zu Generation bewahrt haben, auch mit viel Mühe, also oft sind die handschriftlich übertragen worden, die finden sie bei uns nicht. Die Lieder werden bei uns auch in einem frischen Tempo gesungen in der Regel in unseren Kirchgemeinden. Das können sie oft nicht verstehen. Für sie ist ein geistliches Lied ein sehr langsam gesungenes Lied."

Samstag, kurz nach 18 Uhr. Eine Villa im Zentrum von Salzwedel, einer Stadt in Sachsen-Anhalt. Rund fünfzig russlanddeutsche Mennoniten haben sich zu einer Gebetsstunde versammelt. Die Männer sitzen auf der einen, Frauen auf der anderen Seite des schmucklosen Raumes. Alle Frauen tragen knielange Röcke in gedeckten Farben. Ihr Haar ist streng zurückgekämmt. Einige tragen Kopftücher. Die vielen Kinder bleiben erstaunlich ruhig. Zwischen den Liedern treten Männer aus der Gemeinde nach vorn und rufen auf Russisch oder Deutsch zum Gebet auf.

Die Gemeinde in Salzwedel ist freikirchlich. Sie gehört zu einer Mennoniten-Brüdergemeinde in rheinland-pfälzischen Neuwied-Gladbach. Diese wurde 1992 von Russlanddeutschen gegründet und hat heute nach eigenen Angaben 500 Mitglieder. Mindestens einmal im Monat kommt jemand aus der Muttergemeinde nach Salzwedel, um die Glaubensbrüder zu unterstützen. Heute ist eine Jugendgruppe zu Besuch, die auch singt.

Nach dem Gottesdienst bereiten die Frauen das Abendbrot für die Jugendgruppe vor. Sie übernachtet in der Villa, in der sich außerdem der Gemeindesaal und die Wohnungen mehrerer Mennonitenfamilien befinden. Auf Bier und Wein müssen die Jugendlichen allerdings verzichten. Alkohol ist in der Gemeinde ebenso verboten wie Tabak und Verhütungsmittel. Fernsehen, Kino und andere weltliche Vergnügen sind in den Augen der Mennoniten-Brüder uninteressant. Die meisten finden ihren Partner innerhalb ihrer Gemeinschaft. Die 18-jährige Brigitte Dyck aus Neuwied-Gladbach lässt sich zur Krankenschwester ausbilden. Sie erzählt:

Dyck: "Ich hab noch nie Wein getrunken oder alkoholische Getränke. Und von daher verspür' ich keinen Drang dazu, den überhaupt mal zu trinken. Man wird ja auch in der Jugend und unter den Freunden wird man so darin unterstützt und von daher ist es auch für einen selbst kein Problem."

Im Gemeindesaal unterhalten sich Abraham Derksen und Jakob Schröder, ein 32-jähriger selbständiger Fliesenleger. Derksen ist schmal und grauhaarig, er trägt ein gestreiftes Hemd und eine Bundfaltenhose. 1991 kam er mit seiner Frau aus Kasachstan in die Bundesrepublik. Die 55 Mitglieder seiner Familie leben größtenteils in Neuwied-Gladbach. Der 67-jährige Derksen ist das Oberhaupt der Gemeinde in Salzwedel. Schon mit sechs Jahren habe er geraucht, sagt er.

Derksen: "Mit zwölf Jahren haben wir den 7. November, welcher eine große Feier war, mit Wodka … Mit 16 Jahren ging ich von zu Hause, schlug die Tür zu und sagte: Ich komm schon selber zurecht. Mit 20 Jahren dann kniete ich nieder und sagte: Ja, wenn Du wirklich da bist, Du großer, heiliger Gott, der mir nachgeht, mich bewahrt, auf die Gebete meiner Mutter hört, vor Dir möchte ich niederknien und mein Herz Dir öffnen und meine Sünden bekennen und um Vergebung bitten. Und dann vergab Er mir meine Sünden, so wie es auch geschrieben steht."

Wer Mitglied der Mennoniten-Brüdergemeinde werden möchte, muss, wie Abraham Derksen, als Erwachsener ein umfassendes Bekenntnis seiner Sünden ablegen. Mennoniten lehnen die Taufe von Kindern ab. Diese Reformationsbewegung entstand 1525 in der Schweiz. Um 1860 wurden die ersten Mennoniten-Brüdergemeinden gegründet. Für die Brüder, wie sie sich nennen, ist das subjektive Erleben des Glaubens besonders wichtig. Laien spielen eine größere Rolle im Gemeindeleben als bei den anderen Mennoniten.

Die russlanddeutschen Mennoniten sind Nachkommen derer, die Ende des 18. Jahrhunderts aus Furcht vor Repressalien aus Deutschland in die Ukraine auswanderten. In der Sowjetzeit wurden sie inhaftiert, bespitzelt, bei der Berufswahl eingeschränkt. Jakob Schröder meint allerdings, dass es während seiner Kindheit in den Achtzigern nicht mehr so schlimm gewesen sei wie etwa in der Stalinzeit.

Schröder: "Ich hab es noch erlebt, wo ich als Kind dann zum Gottesdienst kam, und dann saß bei uns zum Beispiel der Rektor der Schule oder die Lehrerin saß da und hat geschaut, welche Kinder dabei sind. Das war irgendwo, ja, so drückend. Und die andere Kinder haben dann geschimpft und gesagt: Ja, du bist ein … , du betest zu Gott, du betest zu Gott. Und man hat das wie ein Schimpfwort dann so benutzt."

Als er knapp 13 war, siedelte Schröders Familie in die Bundesrepublik über. In Salzwedel ist der fünffache Familienvater als ehrenamtlicher Diakon tätig. Er hilft Aussiedlern, mit der Sprache, der Bürokratie und dem Alltag im neuen Land zurechtzukommen.

Schröder: "Jetzt neulich rief mich jemand an. Er hatte seine Bankkarte verloren und bat mich, ich sollte sie sperren für ihn. Sie wenden sich halt eher zu einem, der halt in Deutschland bisschen länger ist, der sich auskennt und auch die Sprache versteht – sowohl Russisch als auch Deutsch."

Außerdem vermittelt Jakob Schröder seine Sicht auf die Bibel.

Schröder: "Wir können und wollen keinen zwingen zu etwas, aber wenn ein Mensch fragt, dürfen wir ihm die Wahrheit sagen, so wie wir's verstehen, die Bibel erklären. Und Menschen, die dann Schwierigkeiten haben, die werden besonders dann aufmerksam und die kommen dann und die hören das Evangelium, bekehren sich und kommen in die Gemeinde."

Dass die Bundesrepublik ihnen fremd ist, schmiedet die Mennoniten-Brüder noch stärker zusammen. Ihre Religion gibt ihnen Halt in einer schwierigen Situation.
Das gilt auch für Lydia Pastarnak. Die rotblonde Frau hat sich in Nürnberg einer katholischen Gemeinde angeschlossen. Als Kind lernte sie in der sibirischen Verbannung von ihrer Oma heimlich das Vaterunser. Das war Ende der vierziger Jahre. Anschließend lebte die Deutschlehrerin jahrelang lang ohne Religion – bis sie 1994 in die Bundesrepublik übersiedelte.

Pastarnak: "Wenn man so rausgerissen ist aus der vertrauten Umgebung, Freunde, Bekannte, ist alles dort geblieben. Kommt man her: heimatlos, arbeitslos, Angst, unsicher. Meine Cousine, die war älter als ich und die hat von ihren Eltern noch viel mehr Gebete und Religionslieder gekannt. (…) Und die ist hergekommen als streng gläubige Katholikin 1989, und die hat zu mir gesagt: Du musst unbedingt in die Kirche gehen. Ich hab echt Angst gehabt, in die Kirche reinzugehen, weil ich überhaupt nichts gewusst hab, nicht den Ablauf, wie der Gottesdienst verläuft, kein Gebet, kein Lied. Das musste ich alles neu lernen."

Lydia Pastarnak war noch ein Baby, als die Wehrmacht in die Ukraine einfiel und ihre Familie verschleppte.

Pastarnak: "Ihr seid unser Volk, Ihr tut uns helfen, Deutschland neu aufzubauen. Und so ist meine Mutter, 25 Jahre alt, ich war drei Jahre alt, und auf dem Arm noch ein Kind, zu Fuß unter Bomben, so wie die Vorfahren zu Fuß nach Russland sind, ist sie unter Bomben und Geschoss durch ganz Europa nach Deutschland gekommen. Und unterwegs, als meine Mutter von der Ukraine nach Deutschland ging, hat sie das kleine Kind abwechselnd auf einen Rosswagen legen müssen, weil sie's so nicht ausgehalten hat, und dem Kind hat's die Lungen abgestoßen, ist verstorben und irgendwo in Polen beerdigt worden am Treck. Und dann sind die Russen gekommen und haben wieder gesagt: Ihr seid unser Volk, wieder zurück und wieder 24 Stunden Sammelpunkt, Halle-Hauptbahnhof. Nachher hat man die Waggons zugemacht, Schild angehängt: Volksfeind. Und dann drei Monate lang verschiedene Umwege nach Sibirien. Zehn Jahre in Verbannung haben wir gewohnt in Altai-Region. Und dort ist mein Vater verhungert oder ohne Medikamente verstorben, meine Oma und mein Bruder. Das angetane Unheil hat ja die Leute dazu gebracht, ohne Ende Anträge zu stellen für die Ausreise in die Heimat der Vorfahren, nach Deutschland. Und so sind auch wir weg."

In Nürnberg trafen Lydia Pastarnak und ihr Mann Schwester Anna von der Ordensgemeinschaft der Missionarinnen Christi. Schwester Anna kümmert sich um die Russlanddeutschen. Sie spricht sogar etwas Russisch. Sie besucht die Familien in ihrem Wohnungen. Die Adressen bekommt sie von Priestern und von Russlanddeutschen, die sich bereits einer Gemeinde angeschlossen haben.

Schwester Anna: "Und dann schon die Leute anzusprechen, sie einzuladen in die Kirche zu kommen, sie zu ermuntern, auch, wenn sie sagen: Nee, wir trauen uns nicht. Das sagen ja viele: Wir trauen uns einfach nicht. Ja, sie haben es nicht erlebt in Russland und haben jetzt Angst, dass sie sich schämen. Und ihnen einfach Mut zu machen und zu sagen: Es gibt da in der Pfarrei auch einen Glaubenskurs für Deutsche aus Russland, und in unserer Gemeinde sind sehr viele und unser Pfarrer ist da hellhörig auch."

Natalia Paitsch wurde im vergangenen Jahr von Schwester Anna in den Glaubenskurs eingeladen. Sie ist 28 Jahre alt und hat zwei Söhne. Schon in Kasachstan lernte sie von ihrer katholischen Großmutter zu beten. Dort wurde sie mit zehn Jahren getauft. Doch erst während des dreimonatigen Glaubenskurses erfuhr sie, was es heißt, Katholikin zu sein.

Paitsch: "Es kamen zu uns viele Pfarrer aus verschiedenen Gemeinden. Die haben viel erzählt von der Religion, von den Christen. Ja, wir haben Gespräche gehabt und sogar Ausflüge gemacht, die Kirche genau angeguckt. Das war gut für die Seele und gut für das Wissen einfach. Einfach: Man ist viel, viel mehr sicherer. Da hast du jemanden, an den du dich wenden kannst, wenn du Schwierigkeiten hast. Es ist viel besser als irgendwas anderes."

Natalia Paitsch bringt ihren Sohn zum Musikunterricht ins Haus der Heimat in Nürnberg, eine Begegnungsstätte von Aussiedlern aus verschiedenen Ländern. Lydia Pastarnak erteilt dort zweimal pro Woche Deutschunterricht. Jeden Montag hält Schwester Anna eine Bibelstunde.

Fünf Frauen beugen sich über das Zweite Buch Mose. Eine liest vor, ab und an erklärt Schwester Anna etwas. Lydia Pastarnak fühlt sich in dieser Runde wohl, wie sie nach der Bibelstunde erzählt:

Pastarnak: "Und in der Kirche hab ich eigentlich auch eine Hilfe bekommen. Die Schwester Anna hat mal so einen Satz gesagt: Es hätte eine Aussiedlerin gesagt, ich suche ein Dach für meine Seele."

Lydia Pastarnak hat ein Dach für ihre Seele gefunden. Sie ist froh, dass sie nun nicht mehr verstecken muss, dass sie Deutsche und Katholikin ist – wie in der Sowjetunion. Allerdings bedauert sie, dass sie in ihrer Gemeinde noch keine Freundschaften zu Einheimischen habe schließen können. Kontakte habe sie vor allem auf ihrer Arbeit in der Altenpflege geknüpft. Mittlerweile ist Lydia Pastarnak Witwe und pensioniert. Auf die Frage, was der schönste Moment seit ihrer Übersiedlung nach Deutschland gewesen sei, antwortet sie ohne Zögern:

Pastarnak: "Wahrscheinlich bei der Taufe meiner erwachsenen Kinder in Schwabach. (…) Eine schöne Kirche und die war voll. Da hab ich's erste Mal ein echtes Interesse von den Einheimischen zu uns gesehen und gespürt oder gefühlt. Und das war wahrscheinlich dieser Moment, dass ich das jetzt offen leben kann."