Ein derber Herrenwitz

Von Uwe Friedrich |
Die Geschichte hat Charme und Witz. Eigentlich. Der alternde Junggeselle Pasquale möchte sich noch einmal verlieben und sucht sich dafür ausgerechnet Norina aus, die Freundin seines Neffen Ernesto. Der heckt mit seinem skrupellosen besten Freund Malatesta eine Intrige aus, mit der dem Onkel klargemacht werden soll, dass er sich besser aufs Altenteil begeben sollte. Norina sträubt sich zwar zunächst, doch dann wird dem Onkel ziemlich übel mitgespielt.
Die Handlung von Gaëtano Donizettis letzter Oper "Don Pasquale" war schon bei der Uraufführung 1843 nicht mehr neu, viele Opernkomponisten haben sie vertont. Donizetti macht aber mehr aus der vorhersehbaren Komödie: Er gibt allen Personen Wünsche und Sehnsüchte mit auf den Weg und durchaus auch einen Hauch von Tragik, dazu schrieb er eine äußerst elegante Musik, die souverän mit den Gattungsvorgaben der italienischen Oper spielt.

Das kümmert an der Komischen Oper allerdings kaum jemanden. Bühnenbildner Paul Zoller verlegt die Handlung in ein Bestattungsinstitut, Kostümbildnerin Arien de Vries steckt alle Beteiligten in Secondhand-Klamotten, die im Fundus der Komischen Oper sicher in hundertfacher Ausführung verfügbar sind. Schließlich treibt die Regisseurin Jetske Mijnssen der Oper allen Charme aus, nimmt den Personen alle Würde und jeden Witz.

Großen Anteil an diesem geradezu grotesken Missverständnis hat auch die neue Übersetzung von Bettina Bartz und Werner Hintze, in der es statt der eleganten italienischen Reime beispielsweise heißt: "Diesem geilen alten Knacker heizen wir nach Kräften ein." Damit wird das fein austarierte Verhältnis zwischen den Generationen der Oper auf ein dümmliches Niveau heruntergerissen, das selbst dem Grips-Theater peinlich wäre.

So wundert es kaum noch, wenn Norina mit Malatesta eine schnelle Nummer unterm Sarg schieben muss und der Notar sich in einen XXL-Transvestiten verwandelt hat. Es wird mit Dildos und Pistolen hantiert, die Glitzerkugel glitzert, der Chor trinkt Sekt aus Plastikgläsern. Alles ist wie in den schwächsten Inszenierungen von Harry Kupfer, nur noch platter.

Mit diesem klischeehaften Durcheinander wollen Regisseure (und Regisseurinnen) gerne übertünchen, dass sie dem Werk misstrauen. Damit handelt sich Jetske Mijnssen jedoch mehr Probleme ein, als sie lösen kann, denn sie verrät den gelassenen Humor der Vorlage an das schenkelklopfende Gelächter einer Wirtshausposse. Eine Auflösung (auf den Mut zum Happy End hofft bei Nachwuchsregisseuren ohnehin niemand mehr) gibt es nicht, irgendwann geht halt das Licht aus, während Pasquale im Sarg rausgetragen wird.

Genauso grobschlächtig wie die Regisseurin poltert sich auch Jens Larsen als Pasquale durch das Stück, während Günter Papendell als Malatesta immerhin mit schöner Stimme ein wenig Linie in die Musik bringt. Diese großen Bögen kommen dem Tenor Adrian Strooper im Kampf mit der unsäglichen Übersetzung ziemlich schnell abhanden, erst in der italienisch gesungenen Romanze kann er die Vorzüge seiner leichten Stimme zeigen.

Der einzige Grund, die Aufführung trotzdem zu besuchen, ist Christiane Karg als Norina. Sie schafft es auch in dieser trostlosen Umgebung, ihrer Figur mit Stilgefühl und Können überzeugenden Charakter und sogar Liebenswürdigkeit zu verleihen. Der Dirigent Maurizio Barbacini ist ihr dabei mit dem diszipliniert spielenden Orchester keine große Hilfe. Die schnellen Passagen nimmt er zu schnell, die langsamen zu langsam. Alles in allem bleibt von Donizettis hinreißender Liebeskomödie nicht viel mehr als ein derber Herrenwitz mit Drehorgelmusik.