"Ein Diktat des Internationalen Olympischen Komitees"
Der Verwaltungsrechtler Gerrit Manssen stuft den sogenannten Host-City-Vertrag, den die Stadt München im Falle einer erfolgreichen Bewerbung um die Olympischen Spiele 2018 abschließen würde, als rechts- und sittenwidrig ein.
Marcus Pindur: Schauen wir also mal, ob es Anlass für Freibier in München gibt: Wir sprechen jetzt mit dem Regensburger Verwaltungsrechtler Professor Gerrit Manssen. Guten Morgen, Herr Manssen!
Gerrit Manssen: Schönen guten Morgen nach Berlin!
Pindur: Sie sagen, der Vertrag, der da unter Umständen heute unterzeichnet würde – falls also München den Zuschlag bekommt –, der sogenannte Host-City-Vertrag, der sei nicht rechtens. Was genau halten Sie denn an dieser Münchner Olympia-Bewerbung für problematisch?
Manssen: Die Stadt München muss diesen Host-City-Vertrag unterschreiben und verpflichtet sich darin zur Durchführung dieser Olympischen Spiele. Da ist im Grundsatz auch nichts gegen zu sagen. In diesem Vertrag sind nur verschiedene Verpflichtungen enthalten, die außerhalb der Kompetenz, der Zuständigkeit der Stadt München liegen, und deshalb ist der Vertrag rechtswidrig.
Pindur: Sie sagen in Ihrem Gutachten, Oberbürgermeister Ude sei ein Vertreter ohne Vertretungsmacht. Warum kann er das nicht machen? Er hat ja auch umfangreiche Kooperationsabkommen mit den umliegenden Gemeinden geschlossen.
Manssen: Das ist eine etwas juristisch spitzfindige Sache. Die Stadt München bräuchte für die Unterschrift unter diesem Vertrag die Regierung von Oberbayern, das heißt, die Regierung von Oberbayern müsste diesen Vertrag genehmigen. Das ist bisher soweit ich weiß nicht geschehen, und es kann auch nicht geschehen, weil dieser Vertrag so evident und schwerwiegend rechtswidrig ist, dass die Regierung ihn nicht genehmigen könnte. Und damit kann Herr Ude auch für die Stadt München nicht rechtsverbindlich nach außen auftreten, und das hat zur Konsequenz, dass er quasi ohne Vertretungsmacht dort diesen Vertrag unterschreiben würde. Das würde die Stadt München zunächst einmal nicht binden.
Pindur: Sie sagen, dieser Vertrag sei auch deswegen sittenwidrig, weil er einseitig die Risiken auf München abwälze und das IOC sich von allem freispreche sozusagen. Wie begründen Sie das?
Manssen: Ja, dieser Vertrag ist eigentlich gar kein Vertrag, sondern es ist ein Diktat des IOC. Das IOC gibt den Vertrag vor, der Vertrag hat über 70 Seiten, in quasi jeder Klausel werden die Rechte des IOC und die Pflichten der Stadt München definiert, und zwar in einer vollkommen einseitigen Weise. Das IOC beteiligt sich beispielsweise mit gut 300 Millionen Euro an den Durchführungskosten für die Olympischen Spiele, stellt aber diesen Beitrag in das eigene Ermessen, das heißt, sie entscheiden selber, wann und ob sie das bezahlen, selbst wenn die Stadt München alle Verpflichtungen einhalten würde.
Dazu kommen andere Bestimmungen wie harte Vertragsstrafen, Regelungen, eine Garantiehaftung der Stadt München, eine nur auf Vorsatz und Fahrlässigkeit beschränkte Haftung des IOC – diverse Dinge, wo man nach normalem Gerechtigkeitsempfinden sagen würde: Das ist sittenwidrig.
Pindur: Ist das denn so ungewöhnlich für eine Olympia-Bewerbung, dass sich das IOC so absichert?
Manssen: Nein, das ist leider der Standard des IOC. Das IOC ist ja eine letztlich nicht kontrollierte Organisation und die diktieren eben den Vertrag, so lange es genug Bewerberstädte gibt, die bereit sind, das zu unterschreiben.
Pindur: Was könnte denn ein betroffener Bürger tun? Kann man sich dagegen juristisch zur Wehr setzen?
Manssen: Nein, ein betroffener Bürger kann sich nicht dagegen zur Wehr setzen. Es gibt da keine Rechtsschutzmöglichkeiten. Man hat eben in Deutschland und auch in anderen Ländern keinen Anspruch darauf, dass sich die Verwaltung rechtmäßig verhält. Die Verwaltung kann sich so lange rechtswidrig durchwurschteln, wie eben keiner dagegen klagen kann, und das ist hier der Fall – und das ist wohl auch die Absicht.
Pindur: Warum kann keiner dagegen klagen?
Manssen: Weil niemand in seinem Recht verletzt ist, das ist also eine Sache zwischen der Stadt München und der Rechtsaufsichtsbehörde. Ein normaler Bürger ist nicht in seinen Rechten verletzt, wenn die Stadt München einen rechtswidrigen Vertrag mit dem IOC unterschreibt.
Pindur: Und der Münchner Oberbürgermeister Ude sagt aber dazu, man habe sich eben abgesichert durch die Kooperation mit Bund, Land und den Partnergemeinden. Falls also irgendetwas schiefgeht, dann sei die Sache schon geregelt. Nach dem, was Sie sagen, könnte es ja sein, dass dann ein großer Rechtsstreit zwischen diesen Kooperationspartnern ausbricht darum, wer die, hoffen wir es nicht, aber wer dann eventuelle Verluste dann eben bezahlen müsste.
Manssen: Ja, also die Aufteilung der Verluste ist ja geregelt, das heißt, ein Drittel trägt die Stadt München, ein Drittel der Freistaat und ein Drittel die Bundesrepublik Deutschland. Die Konstruktion ist die, dass sich die Stadt München abgesichert hat durch ein sogenanntes Multiparty Agreement, das heißt, man hat die anderen Vertragspartner wie die Gemeinde Garmisch oder die Bundesrepublik Deutschland vertraglich eingebunden.
Das geht allerdings kommunalrechtlich und geht auch verfassungsrechtlich nicht. Man bräuchte dafür, dass man der Stadt München jetzt Aufgaben gibt, die gar nicht in ihrer eigentlichen Zuständigkeit sind, bräuchte man ein Gesetz, das heißt, der bayrische Landtag hätte die bayrische Gemeindeordnung entsprechend ändern müssen, und das hat er nicht, und das kann man nicht dadurch umgehen, dass man dann einen Vertrag schließt.
Pindur: Der Host-City-Vertrag, juristisch problematisch – Herr Manssen, vielen Dank für das Gespräch!
Manssen: Ja, gerne, auf Wiederhören!
Pindur: Der Verwaltungsrechtler Professor Gerrit Manssen. Heute entscheidet das IOC über die Vergabe der Olympischen Spiele 2018.
Das vollständige Gespräch mit Gerrit Manssen können Sie bis zum 6.11.2011 als
[url=http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2011/07/06/drk_20110706_0651_cc32147d.mp3
title="MP3-Audio" target="_blank"]MP3-Audio[/url] in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
Gerrit Manssen: Schönen guten Morgen nach Berlin!
Pindur: Sie sagen, der Vertrag, der da unter Umständen heute unterzeichnet würde – falls also München den Zuschlag bekommt –, der sogenannte Host-City-Vertrag, der sei nicht rechtens. Was genau halten Sie denn an dieser Münchner Olympia-Bewerbung für problematisch?
Manssen: Die Stadt München muss diesen Host-City-Vertrag unterschreiben und verpflichtet sich darin zur Durchführung dieser Olympischen Spiele. Da ist im Grundsatz auch nichts gegen zu sagen. In diesem Vertrag sind nur verschiedene Verpflichtungen enthalten, die außerhalb der Kompetenz, der Zuständigkeit der Stadt München liegen, und deshalb ist der Vertrag rechtswidrig.
Pindur: Sie sagen in Ihrem Gutachten, Oberbürgermeister Ude sei ein Vertreter ohne Vertretungsmacht. Warum kann er das nicht machen? Er hat ja auch umfangreiche Kooperationsabkommen mit den umliegenden Gemeinden geschlossen.
Manssen: Das ist eine etwas juristisch spitzfindige Sache. Die Stadt München bräuchte für die Unterschrift unter diesem Vertrag die Regierung von Oberbayern, das heißt, die Regierung von Oberbayern müsste diesen Vertrag genehmigen. Das ist bisher soweit ich weiß nicht geschehen, und es kann auch nicht geschehen, weil dieser Vertrag so evident und schwerwiegend rechtswidrig ist, dass die Regierung ihn nicht genehmigen könnte. Und damit kann Herr Ude auch für die Stadt München nicht rechtsverbindlich nach außen auftreten, und das hat zur Konsequenz, dass er quasi ohne Vertretungsmacht dort diesen Vertrag unterschreiben würde. Das würde die Stadt München zunächst einmal nicht binden.
Pindur: Sie sagen, dieser Vertrag sei auch deswegen sittenwidrig, weil er einseitig die Risiken auf München abwälze und das IOC sich von allem freispreche sozusagen. Wie begründen Sie das?
Manssen: Ja, dieser Vertrag ist eigentlich gar kein Vertrag, sondern es ist ein Diktat des IOC. Das IOC gibt den Vertrag vor, der Vertrag hat über 70 Seiten, in quasi jeder Klausel werden die Rechte des IOC und die Pflichten der Stadt München definiert, und zwar in einer vollkommen einseitigen Weise. Das IOC beteiligt sich beispielsweise mit gut 300 Millionen Euro an den Durchführungskosten für die Olympischen Spiele, stellt aber diesen Beitrag in das eigene Ermessen, das heißt, sie entscheiden selber, wann und ob sie das bezahlen, selbst wenn die Stadt München alle Verpflichtungen einhalten würde.
Dazu kommen andere Bestimmungen wie harte Vertragsstrafen, Regelungen, eine Garantiehaftung der Stadt München, eine nur auf Vorsatz und Fahrlässigkeit beschränkte Haftung des IOC – diverse Dinge, wo man nach normalem Gerechtigkeitsempfinden sagen würde: Das ist sittenwidrig.
Pindur: Ist das denn so ungewöhnlich für eine Olympia-Bewerbung, dass sich das IOC so absichert?
Manssen: Nein, das ist leider der Standard des IOC. Das IOC ist ja eine letztlich nicht kontrollierte Organisation und die diktieren eben den Vertrag, so lange es genug Bewerberstädte gibt, die bereit sind, das zu unterschreiben.
Pindur: Was könnte denn ein betroffener Bürger tun? Kann man sich dagegen juristisch zur Wehr setzen?
Manssen: Nein, ein betroffener Bürger kann sich nicht dagegen zur Wehr setzen. Es gibt da keine Rechtsschutzmöglichkeiten. Man hat eben in Deutschland und auch in anderen Ländern keinen Anspruch darauf, dass sich die Verwaltung rechtmäßig verhält. Die Verwaltung kann sich so lange rechtswidrig durchwurschteln, wie eben keiner dagegen klagen kann, und das ist hier der Fall – und das ist wohl auch die Absicht.
Pindur: Warum kann keiner dagegen klagen?
Manssen: Weil niemand in seinem Recht verletzt ist, das ist also eine Sache zwischen der Stadt München und der Rechtsaufsichtsbehörde. Ein normaler Bürger ist nicht in seinen Rechten verletzt, wenn die Stadt München einen rechtswidrigen Vertrag mit dem IOC unterschreibt.
Pindur: Und der Münchner Oberbürgermeister Ude sagt aber dazu, man habe sich eben abgesichert durch die Kooperation mit Bund, Land und den Partnergemeinden. Falls also irgendetwas schiefgeht, dann sei die Sache schon geregelt. Nach dem, was Sie sagen, könnte es ja sein, dass dann ein großer Rechtsstreit zwischen diesen Kooperationspartnern ausbricht darum, wer die, hoffen wir es nicht, aber wer dann eventuelle Verluste dann eben bezahlen müsste.
Manssen: Ja, also die Aufteilung der Verluste ist ja geregelt, das heißt, ein Drittel trägt die Stadt München, ein Drittel der Freistaat und ein Drittel die Bundesrepublik Deutschland. Die Konstruktion ist die, dass sich die Stadt München abgesichert hat durch ein sogenanntes Multiparty Agreement, das heißt, man hat die anderen Vertragspartner wie die Gemeinde Garmisch oder die Bundesrepublik Deutschland vertraglich eingebunden.
Das geht allerdings kommunalrechtlich und geht auch verfassungsrechtlich nicht. Man bräuchte dafür, dass man der Stadt München jetzt Aufgaben gibt, die gar nicht in ihrer eigentlichen Zuständigkeit sind, bräuchte man ein Gesetz, das heißt, der bayrische Landtag hätte die bayrische Gemeindeordnung entsprechend ändern müssen, und das hat er nicht, und das kann man nicht dadurch umgehen, dass man dann einen Vertrag schließt.
Pindur: Der Host-City-Vertrag, juristisch problematisch – Herr Manssen, vielen Dank für das Gespräch!
Manssen: Ja, gerne, auf Wiederhören!
Pindur: Der Verwaltungsrechtler Professor Gerrit Manssen. Heute entscheidet das IOC über die Vergabe der Olympischen Spiele 2018.
Das vollständige Gespräch mit Gerrit Manssen können Sie bis zum 6.11.2011 als
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