Ein Doku-Drama, ein Thriller und eine Hollywood-Komödie

Von Hans-Ulrich Pönack · 20.09.2006
"Road to Guantanamo" von Michael Winterbottom schildert den Reise- und dann Leidensweg von vier britischen Muslimen pakistanischer Herkunft. Das amerikanische Debüt "Brick" bietet einen Thriller als Highschool-Movie. In "Ich, Du und der Andere" mietet sich ein alter Freund bei einem frisch verheirateten Paar ein.
"Road to Guantanamo"
GB 2005; Regie: Michael Winterbottom, Mat Whitecross, Hauptdarsteller: Rizwan Ahmed, Farhad Harun, Arfan Usman, ab 12 Jahre

Vor drei Jahren gewann der britische Polit-Aktivist Winterbottom ("Welcome to Sarajevo", 1997) mit seinem Flüchtlingsdrama "In This World" auf der Berlinale den "Goldenen Bären". In diesem Jahr sicherte er sich, gemeinsam mit seinem Co-Regisseur Mat Whitecross, den "Silbernen Bären" für die "Beste Regie" für diese aktuelle Polit-Parabel: Geschildert wird der Reise- und dann Leidensweg von vier britischen Muslimen pakistanischer Herkunft, die im September 2001, kurz nach den Anschlägen, nach Pakistan reisen, um an einer Hochzeit teilzunehmen. Von dort reisen sie dann, auf einen Abstecher und um Hilfe zu leisten, nach Afghanistan weiter.

Im Strudel der Kriegsereignisse werden drei von ihnen gefangen genommen und an die US-Armee ausgeliefert, die sie für Terroristen halten, und im Januar 2002 ins Lager Guantanamo auf Kuba ausfliegen. Dort werden sie inhaftiert, verhört, misshandelt, aber nicht angeklagt. Erst im März 2004 kommen sie auf Drängen des britischen Geheimdienstes frei. Die beiden Filmemacher berufen sich für ihr Doku-Drama, in der Mischung aus Dokumentation + Spielfilm hergestellt, auf einen authentischen Fall, vermischen Statements der tatsächlich Verschleppten mit nachgestellten Szenen und TV-Nachrichtensequenzen. Laiendarsteller spielen das Trio "echt", überzeugend.

Die gewollte subjektive Perspektive und der eindeutige politische Standpunkt hinterlassen allerdings hier auch durchaus zwiespältige Eindrücke, Gefühle und Fragen: Was ist "gemacht", was "wahr"? Fakten werden so suggeriert, dass Skepsis angebracht ist. Zu wenig wird hinterfragt: Warum, zum Beispiel, reisen die jungen Briten in dieser politisch dermaßen angespannten Lage überhaupt von Pakistan nach Afghanistan? Abenteuerlust? Naivität in Sachen Hilfsbereitschaft? Pure Dummheit? Oder doch mögliche Sympathiebekundung?

Filmisch ist dieser Frontalangriff auf die Antiterrorpolitik der USA, die bis heute bekanntlich in Guantanamo Menschenrechte gezielt missachtet (und weiterhin hunderte "Verdächtige" dort festhält), in der Mixtur aus "Thrill" und "Reality-Show" durchaus spannend. Aber ist hier nicht jedwedes "Entertainment" auch wahrheitstötend? Der Feind der (beabsichtigten?) Wahrheitsbeschreibung, -findung? Der Film hinterlässt zwiespältige, kontroverse Gefühle und Gedanken. Dass er alleine dies hinterlässt, provoziert, ist beeindruckend.

Fazit: Aktuelles, brisantes, wichtiges Polit-Thema: Verletzung der Grundrechte, der Menschenrechte durch die Amis. Die mangelnde Distanz und die fehlende ("komplette") Personen-Identifizierung sowie die mangelnde analytische Tiefe aber bedeuten auch, dass der Film letztlich viel zu wenig wirklich politisch "piekst", trifft. Man ist nur für "einen Film-Moment" aufgewühlt, betroffen, bevor es wieder "zur Tagesordnung" übergeht.

"Brick"
USA 2006, Regie: Rian Johnson, Hauptdarsteller: Joseph Gordon-Levitt, Nora Zehetner, ab 12 Jahre

"BRICK " von Rian Johnson (B+R), einem Debütanten, der sich in etwa Folgendes ausgedacht hat: Ein Thriller in der Mischung aus Highschool-Movie und "Film Noir"-Kälte. Story: Jungscher, couragierter Spund, Marke bebrillter Einzelgänger an einer südkalifornischen Highschool, gerät durch den Hilfe-Anruf seiner Ex-Freundin in Aufruhr. Tapert wie einst eine Raymond-Chandler-Figur, wie etwa Robert Mitchum als ausgelaugter Privatschnüffler im Klassiker "Fahr zur Hölle Liebling" (1975), stur-störrisch-unbeirrt durch die (Drogen-)Szene, um sich Klarheit zu verschaffen. Dauernd wird er attackiert, verprügelt, aufgemischt, dennoch aber bleibt er "dran".

Fazit: Leidlich origineller, spannender 500.000 Dollar-Low-Budget-Thriller-Streich, der atmosphärisch bisweilen recht stimmungsvoll-"nachgemacht" daherkommt, dann aber auch in der konstruierten Story-Beschreibung und Figuren-Palette ziemlich "wackelt". Zur resigniert-pointierten Sprache und Atmosphäre der düsteren Vorbilder ("Der Malteser Falke", Hammett) fehlen Distanz und Professionalität: Hier stecken die jungen Typen noch in "viel zu großen Schuhen"; dennoch ein nicht unsympathisches, kleines, zorniges Übungs-Movie.

"Ich, Du und der Andere"
USA 2006, Regie: Anthony und Joe Russo, Hauptdarsteller: Kate Hudson, Matt Dillon, Owen Wilson, ohne Altersbeschränkung

Wie man mit sehr viel mehr Money auch nicht allzu viel mehr auf die Leinwand zu bringen vermag, zeigt sich in der Hollywood-Komödie "Ich, Du und der andere"
von Joe und Anthony Russo, die zuletzt 2002 mit dem charmanten Independent-Streich "Safecrackers oder Diebe haben´s schwer" auch bei für Amüsement sorgten, hier aber "überhaupt nicht vom Fleck" kommen:

Molly und Carl haben geheiratet, befinden sich im 7. Ehe-Himmel. Dann aber taucht Carls arbeitsloser Kumpel Randolph auf und alles Chaos, oder was? Denn Randy ist ebenso Benimm-Rabauke wie Schmarotzer, Sex-Orgien-Fan und professioneller Tunichtgut, den sie, natürlich "nur vorübergehend", "für ein paar Tage", ins Haus lassen, und der dann, wie überraschend, dort für ständige "Reibung" und Dauer-(An-)Spannungen sorgt. Das infantile ewige Kind und die netten bürgerlichen Ordnungsvertreter, was hätte das hier für einen ebenso köstlichen wie unsittlichen Anarcho-Spaß geben können?

Doch trotz der hochkarätigen Besetzung mit immerhin Kate Hudson ("Almost Famous - Fast berühmt"), Matt Dillon (= neulich großartig in der Bukowski-Adaption "Factotum" sowie im "Oscar"-Film "L.A. Crash") sowie der blonden Power-Backe Owen Wilson ("Die Hochzeits-Crasher") und Michael Douglas als fieser Geld-Hai und Schwiegersohn-unzufriedener Molly-Papa erstickt die Show in einer nur begrenzt komischen sowie fast immer auch vorhersehbaren Dauer-Alberei, bei der sich einzig und allein die Frage stellt: Meine Güte, warum schmeißen die denn den Typen nicht bald achtkantig raus? Klar, natürlich, weil dann der belanglose Film (sehr) viel kürzer als die klamaukig-langen 110 Minuten wäre.