Ein Einwurf zur Bildregie bei der EM

Nahaufnahmen ohne Ende

02:42 Minuten
Ein Fan bei der Fußball-EM mit Sonnenbrille in belgischen Landesfarben, Löwenkopfschmuck und Aufblas-Dreizack.
Kurz vor Abpfiff möchte Heinz Schindler lieber das Spiel sehen, als Nahaufnahmen von Fans. © picture alliance/ Federico Gambarini
Ein Kommentar von Heinz Schindler |
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Fußball-EM heißt Emotionen pur. Die UEFA will die Gefühle im Fernsehen durch ihre Bilder noch verstärken. Doch bei Heinz Schindler trifft sie damit nicht auf Begeisterung. Im Gegenteil: Der würde sich freuen, wenn er was vom Spiel sehen würde.
Was kann man mit einer Kamera nicht alles machen! Dokumentieren, erzählen, Spannung erzeugen. Etwa den Gang des Schützen zum Elfmeterpunkt, diese langen fünfzig Meter mitgehen. Sein Durchatmen einfangen, den Blick, den Schuss.

Zwanzig Elfer oder mehr

Das habe ich nicht ein einziges Mal gesehen neulich beim Elfmeterschießen zwischen Italien und Spanien. Stattdessen vier Wiederholungen aus unterschiedlicher Perspektive, dann die italienischen Fans, danach die spanischen. Jeweils fünf Sekunden.
Als das vorbei ist, läuft schon der nächste Schütze an. Gefühlt waren das zwanzig oder mehr Elfmeter und irgendwann ging mir der Überblick verloren, ob ich nun gerade eine Wiederholung sehe oder nicht.
Diese von der UEFA gesteuerte Bildregie will Emotionen erzeugen. Der Schuss geht bei mir nach hinten los. Mich macht es sauer, wenn die letzte Spielminute anbricht und ich fünfzehn Sekunden die Gesichter der Fans sehe, statt die letzten Angriffsversuche einer Mannschaft.
Seit vier Wochen versuche ich vergebens, Fußball wie gewohnt als ein Strategiespiel zu betrachten. Wo steht der Ballführende, wohin kann er spielen? Nach Ansicht der Bildregie bewerte ich das wohl über.
Es sind jedenfalls insgesamt weniger Bilder aus der Totalen zu sehen. An ihrer Stelle Nahaufnahmen ohne Ende, die das Spiel als solches in Fragmente zerschneiden.

Je mehr Zoom, desto weniger Überblick

Überhaupt der Zoom. Den kultiviert die UEFA in einer paradoxen Form. Gehe näher ran und Du siehst – weniger! Die aus der Nähe gefilmte Trinkpause übergeht etwa die Flitzer und Aktivisten in den Stadien.
Dieser Gratwanderung zwischen Bildregie und Zensur kommt es natürlich entgegen, wenn bei manchen Spielen die Kommentatoren nicht einmal im Stadion sitzen, sondern im Studio daheim. Journalistisch ist das höchst bedenklich. Aber es scheint keinen zu stören.
Heute Abend tue ich mir das einmal noch auf dies Art an. Aber liebe DFL: Bitte nicht nachmachen in der neuen Saison! Sonst gehe ich wieder ins Stadion. Aber zu den Amateuren. Cola, Currywurst und einfach Fußball. Das habe ich neulich schon gemacht. Um mir selbst zu vergewissern, dass es nicht an mir liegt, weshalb es mich so anstrengt, mir diese EM anzuschauen.
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