Ein-Euro-Jobber zufriedener als Erwerbslose
Der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Joachim Möller, warnt vor einer Überbetonung der monetären Aspekte in der Hartz-IV-Debatte. Die meisten Hartz-IV-Empänger wollten eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Das Bild, diese wollten ihre Freizeit genießen, sei nicht richtig.
Nana Brink: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das eine Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze angeordnet hatte, entbrannte eine scharfe Diskussion über diese Konsequenzen dieses Urteils, in denen FDP-Chef Westerwelle gar sozialistische Züge sah und davon vom Koalitionspartner CDU gerüffelt wird. Und in diesen aufgeregten Debatten hilft es manchmal, genauer hinzuschauen. Worum geht es im Kern? Um das, was Ökonomen das Lohnabstandsgebot nennen. Der Grundsatz im deutschen Sozialrecht, dass Menschen, die arbeiten, mehr verdienen sollen als Menschen, die nicht arbeiten oder nicht arbeiten können, weil sie keinen Job haben. Und auf diesen immer kleiner werdenden Abstand zwischen Lohn und Hartz IV wollen wir jetzt genauer hinsehen, und zwar mit Professor Joachim Möller vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Einen schönen guten Morgen, Herr Möller!
Joachim Möller: Ja, guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Wie groß ist denn der Abstand zwischen Lohn und Hartz-IV-Einkommen momentan wirklich?
Möller: Also, wenn wir uns anschauen, was eine Person verdienen müsste, um auf die Hartz-IV-Regelsätze zu kommen, das ist der sogenannte Äquivalenzlohn, dieser Äquivalenzlohn liegt bei etwa 4,50 Euro für einen Alleinstehenden. Für eine alleinerziehende Person mit einem Kind unter sieben Jahre liegt dieser Satz bereits etwas unter sechs Euro ...
Brink: Pro Stunde, meinen Sie jetzt?
Möller: Pro Stunde, und bei einem Paar mit zwei Kindern unter sieben Jahren liegt er unter sieben Euro. Das heißt, es kommt sehr darauf an, welche Person hier angeschaut wird, diese Äquivalenzlöhne sind also unterschiedlich. Jetzt können wir fragen, wie viel verdient eine Person, die es schafft, aus der Grundsicherung, also aus Hartz IV, sozusagen herauszukommen, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen? Da ist der mittlere Lohn bei 7,50 Euro, das zeigen unsere Untersuchungen. Das heißt, bei einem Alleinstehenden ist der Abstand zwischen diesem Hartz-IV-Äquivalenzlohn und dem, was man tatsächlich dann bekommt, im Durchschnitt ist er groß genug, ist da ein erheblicher Abstand zwischen 4,40 Euro oder 4,50 Euro und dann 7,50 Euro.
Brink: Also, welche Gruppe von Menschen ist besonders betroffen?
Möller: Besonders betroffen sind Paare mit Kindern. Die haben einen recht hohen Äquivalenzlohn, also das, sie müssen einen relativ hohen Lohn erreichen, um sich sozusagen gegenüber der Grundsicherung, gegenüber Hartz IV, nicht zu verschlechtern.
Brink: Liegt das auch daran, dass zum Beispiel Menschen Hartz IV empfangen, die ja in vielen Bereichen arbeiten, wo es sich vielleicht gar nicht mehr lohnt, zu arbeiten? Nämlich im Geringverdienerbereich, also im Gastgewerbe, Sie haben die Familie angesprochen, da liegt zum Beispiel eine vierköpfige Familie bei rund 1800 Euro und der Hartz-IV-Satz liegt bei 1600 Euro. Und der Niedriglohnsektor wächst ja rasant.
Möller: Also, das ist richtig, die Zahl 7,50 Euro für die Verdienste von Personen, die die Grundsicherung verlassen, zeigt ja auch, dass die Einkommen da nicht in den Himmel wachsen, sondern das sind tatsächlich Niedriglohneinkommen. Und ein Teil der Personen, die es schaffen, aus der Grundsicherung herauszukommen, landet auch in der Zeitarbeit oder in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis. Also das sind nur zu 50 Prozent etwa Normalarbeitszeitverhältnisse, die dann von Personen, die aus der Grundsicherung kommen, eingenommen werden können.
Brink: Mit welchen Folgen müssen wir denn rechnen, wenn der Abstand zwischen Lohn und Sozialleistung weiter schrumpft? Lohnt sich dann die Arbeit für Geringverdiener noch, oder der Anreiz?
Möller: Nun, der Anreiz wird sicher geringer, wenn ansonsten nichts verändert wird. Man sollte aber auch sagen, dass der monetäre Aspekt zwar wichtig ist, aber auch nicht alles ist. Wir haben umfangreiche Untersuchungen angestellt über die Zufriedenheit auch von Personen in unterschiedlichen Erwerbssituationen oder eben Arbeitslosigkeit und da zeigt sich ganz deutlich: Selbst Personen, die in den sogenannten Ein-Euro-Jobs sind, fühlen sich deutlich zufriedener als Personen, die arbeitslos sind. Also die große Zahl, die überwiegende Mehrheit der Personen in Hartz IV möchte eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Es ist ja nicht so, dass dieses Bild richtig ist, dass die ihre Freizeit genießen, sondern da ist ein Leidensdruck vorhanden und aus dem Leidensdruck möchten die Personen entfliehen. Insofern ist da eben auch ein nichtmonetärer Anreiz, aus der Situation herauszukommen. Aber als Ökonom möchte ich auch betonen: Diese Anreize sind wichtig und wir müssen aufpassen, dass sie richtig gesetzt sind.
Brink: Wie kann man sie denn richtig setzen?
Möller: Nun, es gibt verschiedene Vorschläge, die allerdings einen Umbau des Systems im Niedriglohnbereich erfordern. Ein Beispiel ist etwa das an unserem Institut mitentwickelte Bofinger-Walwei-Modell, das vorsieht, dass man Sozialabgaben im Niedriglohnbereich subventioniert, das heißt, Personen, die eine Arbeit aufnehmen, dann in gewisser Weise finanziell anhebt. Oder die andere, eine andere Möglichkeit wäre etwa ein degressives Kindergeld für Personen, die erwerbstätig sind, sodass der Abstand zwischen dem, was die Kindersätze in Hartz IV sind und dem, was eine Person als Kindergeld bekommt, die eine Arbeit aufnimmt, nicht zu groß werden.
Brink: Aber ist das nicht alles Illusion, das kostet doch Milliarden, die wir nicht haben?
Möller: Jeder Umbau in dem Bereich ist teuer. Also, eine Anhebung der Regelsätze – das zeigen Berechnungen – etwa auf 420 Euro, das ist ja ein Vorschlag, der in der Diskussion ist, kostet zehn Milliarden Euro. Das ist eine Menge Geld und in Zeiten von hoher Staatsverschuldung schwer aufzubringen.
Brink: Professor Joachim Möller vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und wir sprachen über die Grenzen zwischen Lohn und Hartz-IV-Einkommen. Vielen Dank für das Gespräch!
Möller: Bitte schön!
Joachim Möller: Ja, guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Wie groß ist denn der Abstand zwischen Lohn und Hartz-IV-Einkommen momentan wirklich?
Möller: Also, wenn wir uns anschauen, was eine Person verdienen müsste, um auf die Hartz-IV-Regelsätze zu kommen, das ist der sogenannte Äquivalenzlohn, dieser Äquivalenzlohn liegt bei etwa 4,50 Euro für einen Alleinstehenden. Für eine alleinerziehende Person mit einem Kind unter sieben Jahre liegt dieser Satz bereits etwas unter sechs Euro ...
Brink: Pro Stunde, meinen Sie jetzt?
Möller: Pro Stunde, und bei einem Paar mit zwei Kindern unter sieben Jahren liegt er unter sieben Euro. Das heißt, es kommt sehr darauf an, welche Person hier angeschaut wird, diese Äquivalenzlöhne sind also unterschiedlich. Jetzt können wir fragen, wie viel verdient eine Person, die es schafft, aus der Grundsicherung, also aus Hartz IV, sozusagen herauszukommen, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen? Da ist der mittlere Lohn bei 7,50 Euro, das zeigen unsere Untersuchungen. Das heißt, bei einem Alleinstehenden ist der Abstand zwischen diesem Hartz-IV-Äquivalenzlohn und dem, was man tatsächlich dann bekommt, im Durchschnitt ist er groß genug, ist da ein erheblicher Abstand zwischen 4,40 Euro oder 4,50 Euro und dann 7,50 Euro.
Brink: Also, welche Gruppe von Menschen ist besonders betroffen?
Möller: Besonders betroffen sind Paare mit Kindern. Die haben einen recht hohen Äquivalenzlohn, also das, sie müssen einen relativ hohen Lohn erreichen, um sich sozusagen gegenüber der Grundsicherung, gegenüber Hartz IV, nicht zu verschlechtern.
Brink: Liegt das auch daran, dass zum Beispiel Menschen Hartz IV empfangen, die ja in vielen Bereichen arbeiten, wo es sich vielleicht gar nicht mehr lohnt, zu arbeiten? Nämlich im Geringverdienerbereich, also im Gastgewerbe, Sie haben die Familie angesprochen, da liegt zum Beispiel eine vierköpfige Familie bei rund 1800 Euro und der Hartz-IV-Satz liegt bei 1600 Euro. Und der Niedriglohnsektor wächst ja rasant.
Möller: Also, das ist richtig, die Zahl 7,50 Euro für die Verdienste von Personen, die die Grundsicherung verlassen, zeigt ja auch, dass die Einkommen da nicht in den Himmel wachsen, sondern das sind tatsächlich Niedriglohneinkommen. Und ein Teil der Personen, die es schaffen, aus der Grundsicherung herauszukommen, landet auch in der Zeitarbeit oder in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis. Also das sind nur zu 50 Prozent etwa Normalarbeitszeitverhältnisse, die dann von Personen, die aus der Grundsicherung kommen, eingenommen werden können.
Brink: Mit welchen Folgen müssen wir denn rechnen, wenn der Abstand zwischen Lohn und Sozialleistung weiter schrumpft? Lohnt sich dann die Arbeit für Geringverdiener noch, oder der Anreiz?
Möller: Nun, der Anreiz wird sicher geringer, wenn ansonsten nichts verändert wird. Man sollte aber auch sagen, dass der monetäre Aspekt zwar wichtig ist, aber auch nicht alles ist. Wir haben umfangreiche Untersuchungen angestellt über die Zufriedenheit auch von Personen in unterschiedlichen Erwerbssituationen oder eben Arbeitslosigkeit und da zeigt sich ganz deutlich: Selbst Personen, die in den sogenannten Ein-Euro-Jobs sind, fühlen sich deutlich zufriedener als Personen, die arbeitslos sind. Also die große Zahl, die überwiegende Mehrheit der Personen in Hartz IV möchte eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Es ist ja nicht so, dass dieses Bild richtig ist, dass die ihre Freizeit genießen, sondern da ist ein Leidensdruck vorhanden und aus dem Leidensdruck möchten die Personen entfliehen. Insofern ist da eben auch ein nichtmonetärer Anreiz, aus der Situation herauszukommen. Aber als Ökonom möchte ich auch betonen: Diese Anreize sind wichtig und wir müssen aufpassen, dass sie richtig gesetzt sind.
Brink: Wie kann man sie denn richtig setzen?
Möller: Nun, es gibt verschiedene Vorschläge, die allerdings einen Umbau des Systems im Niedriglohnbereich erfordern. Ein Beispiel ist etwa das an unserem Institut mitentwickelte Bofinger-Walwei-Modell, das vorsieht, dass man Sozialabgaben im Niedriglohnbereich subventioniert, das heißt, Personen, die eine Arbeit aufnehmen, dann in gewisser Weise finanziell anhebt. Oder die andere, eine andere Möglichkeit wäre etwa ein degressives Kindergeld für Personen, die erwerbstätig sind, sodass der Abstand zwischen dem, was die Kindersätze in Hartz IV sind und dem, was eine Person als Kindergeld bekommt, die eine Arbeit aufnimmt, nicht zu groß werden.
Brink: Aber ist das nicht alles Illusion, das kostet doch Milliarden, die wir nicht haben?
Möller: Jeder Umbau in dem Bereich ist teuer. Also, eine Anhebung der Regelsätze – das zeigen Berechnungen – etwa auf 420 Euro, das ist ja ein Vorschlag, der in der Diskussion ist, kostet zehn Milliarden Euro. Das ist eine Menge Geld und in Zeiten von hoher Staatsverschuldung schwer aufzubringen.
Brink: Professor Joachim Möller vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und wir sprachen über die Grenzen zwischen Lohn und Hartz-IV-Einkommen. Vielen Dank für das Gespräch!
Möller: Bitte schön!