Ein "Festival der Demagogie"
Der Sänger Bono Vox von der irischen Band U2 gilt in Europa als sympathischer, charismatischer Weltverbesserer. In Brasilien aber hat sein Image nun schweren Schaden genommen: Bono hatte bei seinen beiden Konzerten die wegen Korruption und Machtmissbrauch angeschlagene Regierung von Staatschef Lula unterstützt. Kulturkritiker des Landes warfen ihm daraufhin politische Demagogie und Scheinheiligkeit vor. Auch seine Fans zeigten sich tief enttäuscht.
Ganz Brasilien empfing Bono und seine Band mit offenen Armen – in Sao Paulo freute man sich auf die beiden Konzerte, und selbst in den abgelegensten Amazonasdörfern auf die Direktübertragung im Fernsehen. Doch als Bono sofort nach der Ankunft in den Präsidentenpalast zu Staatschef Lula eilte und dessen Politik über den grünen Klee lobte, nicht ein einziges Wörtchen der Kritik etwa an der gravierenden Menschenrechtslage fallen ließ, machte sich nicht nur in den Medien Verwunderung und Skepsis breit. Schließlich steckt die Lula-Regierung tief im Sumpf von Korruption und Machtmissbrauch. Und als Bono dann auch noch seine Konzerte mit weitschweifigen politischen Erklärungen würzte, gar Lob- und Hudel-Bilder des Staatschefs Lula auf die Großleinwände projizieren ließ, war es mit der Geduld vieler Brasilianer vorbei. Marcos Goncalves, Feuilletonchef von Brasiliens größter Qualitätszeitung "Folha de Sao Paulo", bringt die Kritik der Medien des Tropenlandes auf den Punkt:
"Ich finde, ein Rocksänger sollte Distanz zu den Autoritäten wahren, zumal Staatschef Lula und dessen Partei durch Korruption belastet sind. Doch Bono ignoriert das alles, kritisiert und hinterfragt nichts, leiht Lula in einem Wahljahr sein Prestige, gebärdet sich als dessen Helfer bei der Wiederwahl. Bono kennt die Realität Brasiliens, nutzt seinen Aufenthalt indessen fürs persönliche Marketing, entgleist in Demagogie und Scheinheiligkeit. Bono gehört zur Geld- und Politik-Maschinerie dieser Erde. Seine Konzerte hier waren wirklich ein Festival der Demagogie. Man hat ihn ausgepfiffen – die Leute hier sind doch nicht blöd."
Als Bono in Sao Paulo war, revoltierten gerade die Insassen von fünf Gefängnissen der Stadt gegen unmenschliche Haftbedingungen. Zahlreiche Menschenrechtler protestierten auf der Straße dagegen, dass in Brasilien die Folter weiterhin alltäglich ist und dass gerade ein Polizeioberst freigesprochen wurde, der ein Massaker an Häftlingen geleitet hatte. Über einhundert Gefangene waren von dessen Sondereinheit getötet worden. Und in Rio de Janeiro terrorisierten neofeudale Milizen des organisierten Verbrechens kurz vorm Karneval gerade wieder einmal Slumbewohner, töteten zahlreiche unschuldige Menschen. Doch Bono schwieg zur Folter ebenso wie zur Banditendiktatur in den Slums, hätte an den Protesten der Menschenrechtsaktivisten natürlich teilnehmen können, wie auch Feuilletonchef Marcos Goncalves betont:
"Bono hätte sich mit ganz anderen Leuten treffen müssen – doch er ist eben fasziniert von den Sphären der Macht. Er darf doch nicht einfach ignorieren, was hier im Lande passiert, diese Zustände auch noch unterstützen. Doch nach Europa wird er mit der Aura des großen Revolutionärs zurückkehren, der stets unerschütterlich an der Seite der Dritten Welt steht. Dabei nutzt er die Unkenntnis der Ersten Welt über Brasilien aus."
Wir lieben Brasiliens Karneval, rief Bono ebenfalls in die Massen. Denn im Karneval träfen sich Reiche und Arme, Alte und Junge, Linke und Rechte. Das sei gut so, denn um die Armut zu besiegen, müssten alle zusammenarbeiten. Noch so eine Phrase, die Marcos Goncalves mehr als hohl fand.
"In Europa kultiviert man Mythen über Brasilien, über den Karneval, den Fußball – und ausgerechnet die Brasilienklischees werden von Bono auch noch verstärkt. Nach diesen Konzerten hier wird sich die öffentliche Meinung über ihn ändern. Wir Kulturkritiker müssen hinter die Äußerlichkeiten, die Erscheinungsebene schauen – und da offenbart sich eben bei Bono gewaltige Demagogie."
Bono ist ein Populist, der die Kontrolle über sein Geschwätz verloren hat, ein monotones und absurdes Blablabla, urteilen andere Kulturkritiker wörtlich. Viele Fans erregten sich über den extrem hohen Eintrittspreis der Konzerte, von zwei Dritteln des derzeitigen brasilianischen Mindestlohns aufwärts. Das Publikum bestand deshalb fast nur aus Mittel- und Oberschicht. Das Konzert der Rolling Stones einige Tage zuvor an der Copacabana war gratis. Der dicke, langweilige, humorlose Bono habe nicht ein Zehntel des Sex-Appeals von Mick Jagger, keinerlei Spontaneität und singe die hohen Noten auch noch falsch, hieß es auf den brasilianischen Kulturseiten außerdem.
"Ich finde, ein Rocksänger sollte Distanz zu den Autoritäten wahren, zumal Staatschef Lula und dessen Partei durch Korruption belastet sind. Doch Bono ignoriert das alles, kritisiert und hinterfragt nichts, leiht Lula in einem Wahljahr sein Prestige, gebärdet sich als dessen Helfer bei der Wiederwahl. Bono kennt die Realität Brasiliens, nutzt seinen Aufenthalt indessen fürs persönliche Marketing, entgleist in Demagogie und Scheinheiligkeit. Bono gehört zur Geld- und Politik-Maschinerie dieser Erde. Seine Konzerte hier waren wirklich ein Festival der Demagogie. Man hat ihn ausgepfiffen – die Leute hier sind doch nicht blöd."
Als Bono in Sao Paulo war, revoltierten gerade die Insassen von fünf Gefängnissen der Stadt gegen unmenschliche Haftbedingungen. Zahlreiche Menschenrechtler protestierten auf der Straße dagegen, dass in Brasilien die Folter weiterhin alltäglich ist und dass gerade ein Polizeioberst freigesprochen wurde, der ein Massaker an Häftlingen geleitet hatte. Über einhundert Gefangene waren von dessen Sondereinheit getötet worden. Und in Rio de Janeiro terrorisierten neofeudale Milizen des organisierten Verbrechens kurz vorm Karneval gerade wieder einmal Slumbewohner, töteten zahlreiche unschuldige Menschen. Doch Bono schwieg zur Folter ebenso wie zur Banditendiktatur in den Slums, hätte an den Protesten der Menschenrechtsaktivisten natürlich teilnehmen können, wie auch Feuilletonchef Marcos Goncalves betont:
"Bono hätte sich mit ganz anderen Leuten treffen müssen – doch er ist eben fasziniert von den Sphären der Macht. Er darf doch nicht einfach ignorieren, was hier im Lande passiert, diese Zustände auch noch unterstützen. Doch nach Europa wird er mit der Aura des großen Revolutionärs zurückkehren, der stets unerschütterlich an der Seite der Dritten Welt steht. Dabei nutzt er die Unkenntnis der Ersten Welt über Brasilien aus."
Wir lieben Brasiliens Karneval, rief Bono ebenfalls in die Massen. Denn im Karneval träfen sich Reiche und Arme, Alte und Junge, Linke und Rechte. Das sei gut so, denn um die Armut zu besiegen, müssten alle zusammenarbeiten. Noch so eine Phrase, die Marcos Goncalves mehr als hohl fand.
"In Europa kultiviert man Mythen über Brasilien, über den Karneval, den Fußball – und ausgerechnet die Brasilienklischees werden von Bono auch noch verstärkt. Nach diesen Konzerten hier wird sich die öffentliche Meinung über ihn ändern. Wir Kulturkritiker müssen hinter die Äußerlichkeiten, die Erscheinungsebene schauen – und da offenbart sich eben bei Bono gewaltige Demagogie."
Bono ist ein Populist, der die Kontrolle über sein Geschwätz verloren hat, ein monotones und absurdes Blablabla, urteilen andere Kulturkritiker wörtlich. Viele Fans erregten sich über den extrem hohen Eintrittspreis der Konzerte, von zwei Dritteln des derzeitigen brasilianischen Mindestlohns aufwärts. Das Publikum bestand deshalb fast nur aus Mittel- und Oberschicht. Das Konzert der Rolling Stones einige Tage zuvor an der Copacabana war gratis. Der dicke, langweilige, humorlose Bono habe nicht ein Zehntel des Sex-Appeals von Mick Jagger, keinerlei Spontaneität und singe die hohen Noten auch noch falsch, hieß es auf den brasilianischen Kulturseiten außerdem.