Ein Filmemacher für Bayreuth

Von Jürgen Liebing |
Viele Namen machten in den letzten Monaten die Runde, von Tom Tykwer über Oskar Roehler bis hin zu Quentin Tarantino. Bei letzterem fühlten sich die Festspiele freilich genötigt, ein Dementi abzugeben. Nun ist es wohl ein anderer Filmregisseur: Wim Wenders, und auch er ist ein Opernnovize.
Das hat durchaus gute Tradition in Bayreuth, angefangen mit Patrice Chereau, der 1976 vor seiner Inszenierung des "Rings" noch keine Oper inszeniert hatte und – wie er bekannte – nicht einmal ein Wagner-Werk auf der Bühne gesehen hatte. Es wurde dann der "Jahrhundert-Ring" – am Anfang heftig ausgebuht, am Ende laut bejubelt.

Auch der dänische Dogmafilmer Lars van Trier, der eigentlich den "Ring" 2006 inszenieren sollte, wäre ein Debütant gewesen, wenn er die Aufgabe 2004 nicht zurückgegeben hätte, und so ein anderer Neuling zum Zuge kam, der Dramatiker Tankred Dorst, dem nur zwei Jahre blieben, um das gewaltige Werk von vier Abenden und sechzehn Stunden zu stemmen. Mehr Zeit bleibt nun auch Wim Wenders nicht, und das ist verdammt wenig für die Tetralogie, wenn man bedenkt, dass schon im nächsten Sommer die Bauproben im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel stattfinden müssen.

Dass die Findung sich so schwierig gestaltete, hatte Gründe. Zum einen sind alle Opernhäuser von New York bis Mailand, von Wien bis Hamburg dabei, ihre "Ringe" für das Jubiläumsjahr 2013 zu schmieden, einige sind bereits fertig, Wolfgang Wagner hatte es nicht mehr geschafft, dieses Problem rechtzeitig zu lösen, für seine Nachfolgerinnen – die Schwestern Katharina und Eva – war es schon höchste Eisenbahn, als sie ihr Amt antraten. Sie haben sich auch manchen Korb eingehandelt, denn nicht jeder hat Lust, sich in diesen Wettstreit zu begeben. Stefan Herheim, der über ein halbes Dutzend Angebote für "Ring"-Inszenierungen erhalten hatte, hat aus diesem Grund abgelehnt.

Zwischenzeitlich stand auch das sogenannte "Stuttgarter Modell" zur Debatte, also die vier Teile von vier verschiedenen Regisseuren inszenieren zu lassen. Doch in Stuttgart hatte man eine ganze Spielzeit lang Zeit, das heißt, die Regisseure konnten nacheinander inszenieren und mussten es nicht gleichzeitig tun. Und Kirill Petrenko, der "Ring‘-Dirigent 2013, hätte unter den Umständen bestimmt den Taktstock hingeschmissen.

Die beiden Damen auf dem Grünen Hügel wollten auf alle Fälle, so scheint es, einen Filmregisseur – keinen alten Opernhasen. Wim Wenders ist ein Hauptvertreter des "Neuen Deutschen Films", der so neu nicht mehr ist. Ein Hauptstilmittel seiner Filme ist die Langsamkeit. Er ist nicht einer der "Jungen Wilden" mit hektischen Schnitten und plötzlichen perspektive-Wechseln. Er lässt sich und seinen Figuren Zeit. Das könnte dem "Ring" gut tun, denn Hektik wäre vier Abende lang ermüdend. Langsamkeit muss nicht Langeweile bedeuten. So war es allerdings leider bei Tankred Dorst und seinem "Not-Ring".

Wim Wenders ist Profi, er vermag Bilder und Stimmungen hervorzaubern. "Die Angst des Tormanns vorm Elfmeter", "Alice in den Städten" oder "Im Lauf der Zeit" sind zwar frühe Werke, aber Meisterwerke, an die er möglicherweise anknüpfen kann und will. "Der Himmel über Berlin" war ein wunderbarer Film. Klar, es gab auch Flops bei ihm.

In jedem Fall darf man gespannt sein auf diesen "Ring" von Kirill Petrenko und Wim Wenders. Noch aber ist der Vertrag nicht unterzeichnet. Es bleibt zu hoffen, dass die Indiskretion – von wem auch immer lanciert – keine negativen Folgen hat. Theaterleute sind abergläubisch. Dann wäre das Desaster für Bayreuth gewiss.