Ein Flugplatz und seine Geschichte
Das Sachbuch "Flugplatz Döberitz" erzählt die Geschichte der militärischen Luftfahrt in Deutschland, deren Geburtsstunde 1910 in der Döberitzer Heide in Brandenburg schlug. Die Autoren Kai Biermann und Erhard Cielewicz erliegen dabei an keiner Stelle der Faszination des Militärischen und des Kriegsschauspiels.
Der Untertitel weist auf das eigentliche Thema dieses Buches hin: Es erzählt die Entwicklung der militärischen Luftfahrt in Deutschland – bis 1945. Angefangen hat diese Geschichte in der Döberitzer Heide, denn dort wurde 1910 das "Provisorische Fliegerkommando Döberitz" aufgestellt und im selben Jahr die "Provisorische Fliegerschule Döberitz eingerichtet. Das war der Beginn des Aufbaus einer deutschen Luftwaffe.
Die Döberitzer Heide war damals ein riesiger Truppenübungsplatz. Schon der preußische Soldatenkönig hatte 1713 diese Landschaft zwischen Berlin und Potsdam fürs Militär entdeckt und sein Nachfolger veranstaltete dort 1753 ein Manöver mit 44.000 Soldaten. Ab 1892 ließ dann Kaiser Wilhelm II. das über 4000 Hektar große Gelände abholzen und zu einem der großen Truppenübungsplätze des Deutschen Reiches ausbauen.
Als 1910 das Fliegerkommando in der Döberitzer Heide stationiert wurde, war es noch Teil der Truppe. Das Reichskriegsministerium und die Generäle hielten nicht viel von der Fliegerei. Sie setzten für die Kriegsführung aus der Luft auf die eindrucksvollen, aber teuren und unbeweglichen Luftschiffe, die sich im Ersten Weltkrieg als Flop erweisen sollten.
Flugzeuge kamen in diesem Krieg schon frühzeitig zum Einsatz, dienten aber vor allem der Beobachtung der feindlichen Linien. Erst im Verlauf des Krieges entdeckten die Militärs das Flugzeug als Waffe. Die Franzosen warfen über den deutschen Schützengräben Metallpfeile ab, die von den deutschen Soldaten "der stille Tod" genannt wurden. Vor allem aber wurden die Flieger mit Maschinengewehren bewaffnet, um die Gegner abzuschießen.
In der Militärpropaganda wurde um erfolgreiche Jagdflieger wie Boelcke, Immelmann oder Richthofen ein Kult getrieben, der diese "Flieger-Asse" zu Helden der Nation machte. Der Flugplatz Döberitz spielte in diesen Jahren eine entscheidende Rolle bei der organisatorischen und technischen Weiterentwicklung der Militärfliegerei und bei der Ausbildung der Piloten.
Im Ersten Weltkrieg hatte die Luftwaffe trotz allem noch eine untergeordnete Bedeutung. Aber: die führenden Militärs aller am Krieg beteiligten Länder begriffen, dass der nächste große Krieg in der Luft entschieden würde. Für die deutschen Generäle war es daher besonders unerträglich, dass der Versailler Vertrag ihnen den Aufbau einer Luftwaffe verbot. Denn ihr Ziel war ein Revanchekrieg, der die Niederlage 1918 wettmachte.
Eindrucksvoll beschreiben die Autoren, mit welchen Tricks und mit welcher Energie deutsche Militärs und Unternehmer die Verbote unterliefen. Die Sowjetunion half ihnen dabei, indem sie einen Flugplatz zur Verfügung stellte. Und im eigenen Land wurden zivile Tarnfirmen und Vereinigungen gegründet, die in Wahrheit den Aufbau einer Luftwaffe vorbereiteten. Die Döberitzer Heide spielte dabei zunächst keine Rolle.
In die Schlagzeilen geriet sie stattdessen mit den Bodentruppen, die dort noch stationiert waren: das Regiment, das am 13. März 1920 den Kapp-Putsch auslöste, trat seinen Marsch zum Brandenburger Tor vom Truppenübungsplatz Döberitzer Heide aus an. Dieser Putschversuch steht in den Geschichtsbüchern – in dem Buch "Flugplatz Döberitz" wird er leider nicht erwähnt.
Für die Militärflieger wird der Flugplatz Döberitz ab Anfang der 30er Jahre wieder interessant. Für die Ausbildung der Piloten wird dort eine Luftkriegsschule gebaut. Hitler und Göring beenden bald die Heimlichtuerei und rüsten offen auf – zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Döberitz ist für sie nun als mythisch verklärter Ursprungsort der Luftwaffe interessant.
Ausgehend vom Flugplatz Döberitz verfolgen die Autoren den Aufbau der nationalsozialistischen Luftwaffe weiter – bis hin zu ihren Einsätzen im Spanischen Bürgerkrieg und im Zweiten Weltkrieg. Dabei gelingt es ihnen, über die technische und militärische Entwicklung genau zu informieren und zugleich Distanz zu wahren.
Diese Kombination macht das Buch besonders lesenswert. An keiner Stelle erliegen die Autoren der Faszination des Militärischen und des Kriegsschauspiels. Sie beschreiben die Fähigkeit von Görings Luftwaffe, bei den Gegnern Angst und Schrecken zu verbreiten – analysieren aber auch die Kehrseite der Medaille: wie Göring und Hitler die Luftwaffe systematisch überfordern, ihre Reserven an Piloten und Maschinen verbrauchen, sodass ihr Kollaps unvermeidlich ist. Dass die deutschen Städte gegen Ende des Zweiten Weltkrieges im alliierten Bombenhagel untergehen, hat wesentlich mit dem Zusammenbruch der deutschen Luftwaffe zu tun, die eine logische Konsequenz der nationalsozialistischen Kriegsführung ist.
1945 endet der Zweite Weltkrieg, und die Autoren kehren an den Ort zurück, an dem die deutsche Militärfliegerei begonnen hatte: in die Döberitzer Heide. Dort wurde die Rote Armee stationiert, über deren fast fünfzigjährigen Aufenthalt die Autoren allerdings nicht viel zu berichten wissen. Lediglich der Absturz einer amerikanischen Maschine über dem Gelände am 15. November 1966 bietet Stoff zum Erzählen.
Inzwischen ist die Döberitzer Heide nach dem Abzug der Roten Armee ein Naturschutzgebiet (abgesehen von einem kleinen von der Bundeswehr genutzten Areal). Die Heinz-Sielmann-Stiftung hat die Flächen erworben und plant, einen großen Naturpark zu entwickeln, in dem Wisente und Wildpferde ausgesetzt werden und Touristen die Heidelandschaft erleben können. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Konversion militärischer Flächen für zivile Nutzung.
Kai Biermann – Erhard Cielewicz
Flugplatz Döberitz. Geburtsort der militärischen Luftfahrt in Deutschland
192 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
24.90 Euro
erschienen im Christoph Links-Verlag
Die Döberitzer Heide war damals ein riesiger Truppenübungsplatz. Schon der preußische Soldatenkönig hatte 1713 diese Landschaft zwischen Berlin und Potsdam fürs Militär entdeckt und sein Nachfolger veranstaltete dort 1753 ein Manöver mit 44.000 Soldaten. Ab 1892 ließ dann Kaiser Wilhelm II. das über 4000 Hektar große Gelände abholzen und zu einem der großen Truppenübungsplätze des Deutschen Reiches ausbauen.
Als 1910 das Fliegerkommando in der Döberitzer Heide stationiert wurde, war es noch Teil der Truppe. Das Reichskriegsministerium und die Generäle hielten nicht viel von der Fliegerei. Sie setzten für die Kriegsführung aus der Luft auf die eindrucksvollen, aber teuren und unbeweglichen Luftschiffe, die sich im Ersten Weltkrieg als Flop erweisen sollten.
Flugzeuge kamen in diesem Krieg schon frühzeitig zum Einsatz, dienten aber vor allem der Beobachtung der feindlichen Linien. Erst im Verlauf des Krieges entdeckten die Militärs das Flugzeug als Waffe. Die Franzosen warfen über den deutschen Schützengräben Metallpfeile ab, die von den deutschen Soldaten "der stille Tod" genannt wurden. Vor allem aber wurden die Flieger mit Maschinengewehren bewaffnet, um die Gegner abzuschießen.
In der Militärpropaganda wurde um erfolgreiche Jagdflieger wie Boelcke, Immelmann oder Richthofen ein Kult getrieben, der diese "Flieger-Asse" zu Helden der Nation machte. Der Flugplatz Döberitz spielte in diesen Jahren eine entscheidende Rolle bei der organisatorischen und technischen Weiterentwicklung der Militärfliegerei und bei der Ausbildung der Piloten.
Im Ersten Weltkrieg hatte die Luftwaffe trotz allem noch eine untergeordnete Bedeutung. Aber: die führenden Militärs aller am Krieg beteiligten Länder begriffen, dass der nächste große Krieg in der Luft entschieden würde. Für die deutschen Generäle war es daher besonders unerträglich, dass der Versailler Vertrag ihnen den Aufbau einer Luftwaffe verbot. Denn ihr Ziel war ein Revanchekrieg, der die Niederlage 1918 wettmachte.
Eindrucksvoll beschreiben die Autoren, mit welchen Tricks und mit welcher Energie deutsche Militärs und Unternehmer die Verbote unterliefen. Die Sowjetunion half ihnen dabei, indem sie einen Flugplatz zur Verfügung stellte. Und im eigenen Land wurden zivile Tarnfirmen und Vereinigungen gegründet, die in Wahrheit den Aufbau einer Luftwaffe vorbereiteten. Die Döberitzer Heide spielte dabei zunächst keine Rolle.
In die Schlagzeilen geriet sie stattdessen mit den Bodentruppen, die dort noch stationiert waren: das Regiment, das am 13. März 1920 den Kapp-Putsch auslöste, trat seinen Marsch zum Brandenburger Tor vom Truppenübungsplatz Döberitzer Heide aus an. Dieser Putschversuch steht in den Geschichtsbüchern – in dem Buch "Flugplatz Döberitz" wird er leider nicht erwähnt.
Für die Militärflieger wird der Flugplatz Döberitz ab Anfang der 30er Jahre wieder interessant. Für die Ausbildung der Piloten wird dort eine Luftkriegsschule gebaut. Hitler und Göring beenden bald die Heimlichtuerei und rüsten offen auf – zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Döberitz ist für sie nun als mythisch verklärter Ursprungsort der Luftwaffe interessant.
Ausgehend vom Flugplatz Döberitz verfolgen die Autoren den Aufbau der nationalsozialistischen Luftwaffe weiter – bis hin zu ihren Einsätzen im Spanischen Bürgerkrieg und im Zweiten Weltkrieg. Dabei gelingt es ihnen, über die technische und militärische Entwicklung genau zu informieren und zugleich Distanz zu wahren.
Diese Kombination macht das Buch besonders lesenswert. An keiner Stelle erliegen die Autoren der Faszination des Militärischen und des Kriegsschauspiels. Sie beschreiben die Fähigkeit von Görings Luftwaffe, bei den Gegnern Angst und Schrecken zu verbreiten – analysieren aber auch die Kehrseite der Medaille: wie Göring und Hitler die Luftwaffe systematisch überfordern, ihre Reserven an Piloten und Maschinen verbrauchen, sodass ihr Kollaps unvermeidlich ist. Dass die deutschen Städte gegen Ende des Zweiten Weltkrieges im alliierten Bombenhagel untergehen, hat wesentlich mit dem Zusammenbruch der deutschen Luftwaffe zu tun, die eine logische Konsequenz der nationalsozialistischen Kriegsführung ist.
1945 endet der Zweite Weltkrieg, und die Autoren kehren an den Ort zurück, an dem die deutsche Militärfliegerei begonnen hatte: in die Döberitzer Heide. Dort wurde die Rote Armee stationiert, über deren fast fünfzigjährigen Aufenthalt die Autoren allerdings nicht viel zu berichten wissen. Lediglich der Absturz einer amerikanischen Maschine über dem Gelände am 15. November 1966 bietet Stoff zum Erzählen.
Inzwischen ist die Döberitzer Heide nach dem Abzug der Roten Armee ein Naturschutzgebiet (abgesehen von einem kleinen von der Bundeswehr genutzten Areal). Die Heinz-Sielmann-Stiftung hat die Flächen erworben und plant, einen großen Naturpark zu entwickeln, in dem Wisente und Wildpferde ausgesetzt werden und Touristen die Heidelandschaft erleben können. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Konversion militärischer Flächen für zivile Nutzung.
Kai Biermann – Erhard Cielewicz
Flugplatz Döberitz. Geburtsort der militärischen Luftfahrt in Deutschland
192 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
24.90 Euro
erschienen im Christoph Links-Verlag