Ein "Friend" fürs Arbeitsleben
Schon seit über zehn Jahren arbeiten Bremer Forscher an der Entwicklung des Assistenzroboters "Friend". Inzwischen ist der Roboter soweit, dass er auch komplexere Arbeiten übernehmen kann. Einer MS-kranken Frau, die im Rollstuhl sitzt, verhilft er damit zur Rückkehr ins Arbeitsleben.
Lena Kredel bei der Arbeit: Die studierte Literaturwissenschaftlerin sitzt in der Bibliothek der Uni Bremen und gibt per Spracherkennung Buchsignaturen in einen Rechner ein. Eine Sisiphos-Aufgabe, aber eine wichtige, denn Tausende alte Bücher sind noch immer nicht digital erfasst für das Internet. Viel wichtiger noch: Es ist der erste Job für Lena Kredel seit elf Jahren. Denn die Germanistin leidet an Multipler Sklerose und sitzt schon lange im Rollstuhl:
"Sie müssen sich mal vorstellen: Sie können sich bis zum Hals nicht bewegen. Das ist ganz einfach, ohne Worte. Da brauche ich nichts mehr zu sagen. Da kann sich jeder überlegen, was er mit den Beinen macht, aber noch viel wichtiger: was er mit den Händen macht. Also wenn eine Fliege vorbei kommt, wenn es einen juckt, wenn man trinken, essen möchte, alles. Es sind unendlich viele Bewegungen, die Menschen unbewusst ausführen, sich zum Beispiel im Gesicht kratzen oder so. Na ja gut, aber das ist mein Alltag, das ist alles organisiert, aber ich finde das geht."
Sich im Gesicht kratzen oder eine Fliege vertreiben - dabei kann "Friend" der MS-kranken Lena Kredel nicht helfen. Der Roboter-Rollstuhl aber ersetzt ihr quasi Arme und Beine bei ihrem neuen Job als Bibliothekarin. Der Einsatz in der Bibliothek heute ist nur ein Testlauf, bisher trainiert Lena Kredel täglich zwei Stunden mit dem Rollstuhl in einem Labor des Bremer Instituts für Automatisierungstechnik IAT.
Neben dem Roboter-Rollstuhl steht ein fahrbares Regal mit Büchern, die registriert werden sollen. Lena Kredel gibt nun dem im Rollstuhl verbauten Rechner über ein Display den Befehl: Lege das nächste Buch im Regal vor mich hin und schlage es auf, um mit der Registrierung zu beginnen. Wie die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter genau funktioniert, erklärt Torsten Heyer. Der Mathematiker hat "Friend" am IAT mit seinem Team entwickelt:
"Die Nutzerin kann wie bei einem Computer den Cursor auf dem Monitor mit Hilfe des Kinn-Joysticks am Rollstuhl bewegen. Normalerweise ist es ja so, dass man diesen Kinn-Joystick nur zum Fahren des Rollstuhls an sich benutzt. Wie haben einen zusätzlichen Schalter angebracht, so dass sie dann wählen kann zwischen Fahrmodus und Mausnavigation auf dem Bildschirm. Wir mussten ihr zusätzlich noch einen Knopf geben, um den Mausklick zu simulieren. Was wir gemacht haben, ist, dass wir ihr drei Schalter in Kopfnähe angebracht haben, wobei mit einer Bewegung nach vorne ein Mausklick simuliert werden kann, und zu ihrer eigenen Sicherheit hat sie auf der rechten Seite einen Not-Aus-Knopf."
Am Bücherregal hängt eine Tafel mit einfachen geometrischen Formen, die von einem Bildverarbeitungssystem am Rollstuhl erkannt werden. Das System weiß nun: Genau hier steht das Regal. Diese Daten übermittelt der Rechner nun an einen riesigen Roboterarm, wie man ihn aus der Industrieproduktion kennt. Der Arm greift das erste Buch in der oberen Regalreihe und legt es vor Lena Kredel auf eine Ablage: Jetzt kann die MS-kranke Frau mit ihrer Spracheingabe beginnen.
Doch der Roboter-Freund arbeitet noch nicht perfekt, die Bildverarbeitung etwa hat Probleme bei schlechten Lichtverhältnissen. Torsten Heyer spricht von "geteilter Autonomie", weil die Nutzerin den Roboter in schwierigen Situationen unterstützen kann und muss:
"Um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren, ist es natürlich wichtig, dass alles perfekt funktioniert. Aber das Problem ist natürlich, wenn Sie sich mit solchen Sachen beschäftigen: Es gibt so viele Einflüsse von außen, die man gar nicht kontrollieren kann. Ein großer Schwerpunkt ist die Bildverarbeitung: Die beste Kamera, die es gibt auf dem Markt, ist nicht so gut wie das menschliche Auge. Wir erkennen ja alle Sachen, die wir greifen wollen, über ein Kamerasystem, und kleinste Fehler und Ungenauigkeiten, führen eventuell zu einer Beeinflussung des gesamten Ablaufes: zum Beispiel Schattenwurf, künstliches und Sonnenlicht wirken komplett unterschiedlich, Kanten sind nicht deutlich zu erkennen."
Für den Job als Testperson im "Friend"-Projekt hat Lena Kredel viel auf sich genommen: Sie ist von Berlin nach Bremen gezogen, hat ihr gewohntes Umfeld verlassen. Doch ohne das vom Bremer Integrationsamt unterstützte Projekt hätte sie keine Aussicht auf Arbeit gehabt, sagt sie. Das habe nicht nur etwas mit ihrem Handicap zu tun, sondern vor allen Dingen mit der Einstellung der "Fußgänger" - so nennt die MS-kranke Frau etwas scherzhaft nicht behinderte Menschen:
"Man muss schon als Gegenüber auch offen sein, nicht denken: Nur weil sie die Arme und Beine nicht bewegen kann, ist der Kopf auch nicht intakt. Das ist gar kein Vorurteil, nur ist es eine gewisse Hemmschwelle, immer wieder merke ich das. Und natürlich im Job: Ich habe mich oft beworben, lange in Berlin, elf Jahre, und es hat sich keiner gefunden. Das allerwichtigste für mich ist, dass ich endlich wieder eine sinnvolle Arbeit habe."
"Sie müssen sich mal vorstellen: Sie können sich bis zum Hals nicht bewegen. Das ist ganz einfach, ohne Worte. Da brauche ich nichts mehr zu sagen. Da kann sich jeder überlegen, was er mit den Beinen macht, aber noch viel wichtiger: was er mit den Händen macht. Also wenn eine Fliege vorbei kommt, wenn es einen juckt, wenn man trinken, essen möchte, alles. Es sind unendlich viele Bewegungen, die Menschen unbewusst ausführen, sich zum Beispiel im Gesicht kratzen oder so. Na ja gut, aber das ist mein Alltag, das ist alles organisiert, aber ich finde das geht."
Sich im Gesicht kratzen oder eine Fliege vertreiben - dabei kann "Friend" der MS-kranken Lena Kredel nicht helfen. Der Roboter-Rollstuhl aber ersetzt ihr quasi Arme und Beine bei ihrem neuen Job als Bibliothekarin. Der Einsatz in der Bibliothek heute ist nur ein Testlauf, bisher trainiert Lena Kredel täglich zwei Stunden mit dem Rollstuhl in einem Labor des Bremer Instituts für Automatisierungstechnik IAT.
Neben dem Roboter-Rollstuhl steht ein fahrbares Regal mit Büchern, die registriert werden sollen. Lena Kredel gibt nun dem im Rollstuhl verbauten Rechner über ein Display den Befehl: Lege das nächste Buch im Regal vor mich hin und schlage es auf, um mit der Registrierung zu beginnen. Wie die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter genau funktioniert, erklärt Torsten Heyer. Der Mathematiker hat "Friend" am IAT mit seinem Team entwickelt:
"Die Nutzerin kann wie bei einem Computer den Cursor auf dem Monitor mit Hilfe des Kinn-Joysticks am Rollstuhl bewegen. Normalerweise ist es ja so, dass man diesen Kinn-Joystick nur zum Fahren des Rollstuhls an sich benutzt. Wie haben einen zusätzlichen Schalter angebracht, so dass sie dann wählen kann zwischen Fahrmodus und Mausnavigation auf dem Bildschirm. Wir mussten ihr zusätzlich noch einen Knopf geben, um den Mausklick zu simulieren. Was wir gemacht haben, ist, dass wir ihr drei Schalter in Kopfnähe angebracht haben, wobei mit einer Bewegung nach vorne ein Mausklick simuliert werden kann, und zu ihrer eigenen Sicherheit hat sie auf der rechten Seite einen Not-Aus-Knopf."
Am Bücherregal hängt eine Tafel mit einfachen geometrischen Formen, die von einem Bildverarbeitungssystem am Rollstuhl erkannt werden. Das System weiß nun: Genau hier steht das Regal. Diese Daten übermittelt der Rechner nun an einen riesigen Roboterarm, wie man ihn aus der Industrieproduktion kennt. Der Arm greift das erste Buch in der oberen Regalreihe und legt es vor Lena Kredel auf eine Ablage: Jetzt kann die MS-kranke Frau mit ihrer Spracheingabe beginnen.
Doch der Roboter-Freund arbeitet noch nicht perfekt, die Bildverarbeitung etwa hat Probleme bei schlechten Lichtverhältnissen. Torsten Heyer spricht von "geteilter Autonomie", weil die Nutzerin den Roboter in schwierigen Situationen unterstützen kann und muss:
"Um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren, ist es natürlich wichtig, dass alles perfekt funktioniert. Aber das Problem ist natürlich, wenn Sie sich mit solchen Sachen beschäftigen: Es gibt so viele Einflüsse von außen, die man gar nicht kontrollieren kann. Ein großer Schwerpunkt ist die Bildverarbeitung: Die beste Kamera, die es gibt auf dem Markt, ist nicht so gut wie das menschliche Auge. Wir erkennen ja alle Sachen, die wir greifen wollen, über ein Kamerasystem, und kleinste Fehler und Ungenauigkeiten, führen eventuell zu einer Beeinflussung des gesamten Ablaufes: zum Beispiel Schattenwurf, künstliches und Sonnenlicht wirken komplett unterschiedlich, Kanten sind nicht deutlich zu erkennen."
Für den Job als Testperson im "Friend"-Projekt hat Lena Kredel viel auf sich genommen: Sie ist von Berlin nach Bremen gezogen, hat ihr gewohntes Umfeld verlassen. Doch ohne das vom Bremer Integrationsamt unterstützte Projekt hätte sie keine Aussicht auf Arbeit gehabt, sagt sie. Das habe nicht nur etwas mit ihrem Handicap zu tun, sondern vor allen Dingen mit der Einstellung der "Fußgänger" - so nennt die MS-kranke Frau etwas scherzhaft nicht behinderte Menschen:
"Man muss schon als Gegenüber auch offen sein, nicht denken: Nur weil sie die Arme und Beine nicht bewegen kann, ist der Kopf auch nicht intakt. Das ist gar kein Vorurteil, nur ist es eine gewisse Hemmschwelle, immer wieder merke ich das. Und natürlich im Job: Ich habe mich oft beworben, lange in Berlin, elf Jahre, und es hat sich keiner gefunden. Das allerwichtigste für mich ist, dass ich endlich wieder eine sinnvolle Arbeit habe."