Ein Garten Eden für Schmetterlinge
Im künstlerischen Kosmos von Kristina Buch spielen immer mal wieder Tiere eine Rolle: Den Schimpansen im Londoner Zoo zum Beispiel hat die Künstlerin Ton in die Hand gedrückt. In ihrer aktuellen Arbeit für die documenta stehen Schmetterlinge im Mittelpunkt.
Frau: "Auf jeden Fall zieht mich das an, das sind ja alles Gewächse, Büsche, Kräuter, die man kennt ... "
Mann: "... Kornblumen, Fingerhüte, Gräser, Disteln und Birken ... "
Frau: "... und Brennnesseln, das was man zuhause auszupft ... "
Frau: "... ja, schön, und wo sind die Schmetterlinge (lacht), find ich nicht ... "
Mann: "... einen Schmetterling, n kleiner brauner, schön, so ähnlich wie ein Pfauenauge, aber es ist keins gewesen ... "
Frau "... ich find das interessant, dass das als Kunstwerk gilt, zuhause kommt man gar nicht auf die Idee, dass man Kunstwerke zuhause hat."
Besucher in Kassel vor "The Lover", einer Freilichtinstallation mit lebenden Schmetterlingen. Kristina Buch hat sie konzipiert und mitten auf dem Vorplatz des Fridericianums realisiert. Eigentlich dominieren hier kurz geschorene Rasenflächen das Bild, zertrampelt von Hunderttausenden von documenta-Besuchern. Jetzt ist der Fluchtpunkt im Auge des Betrachters ein Podest, auf dem üppig blühend ein scheinbarer Wildwuchs präsentiert wird. Der Eindruck täuscht.
"Insgesamt hab ich hier über 180 verschiedene Pflanzenarten gepflanzt, 3000 Pflanzenindividuen auf 100 Quadratmetern Fläche, was unglaublich dicht ist, also das ist ne hypernatürliche Pflanzung. Und alle diese Pflanzen sind ganz spezifisch ausgewählt worden nach den Futterpflanzen-Ansprüchen der 40 verschiedenen Tagfalterarten, die ich hier über die 100 Tage der documenta züchte und schlüpfen lasse und dann hier in der Insel aussetze."
Keine einzige Pflanze auf der farbenprächtigen Blüteninsel hat die Künstlerin also nur aufgrund von ästhetischen Kriterien ausgewählt. Jede Blume, jeder Strauch soll den Schmetterlingen entweder als Plätzchen für die Eier dienen, als süße Nektarpflanze oder als Futter für die Raupen. Kristina Buch kennt sich aus. Bevor sie mit dem Kunststudium begann, hatte sie bereits ein Biologiestudium abgeschlossen.
" ... und jetzt ganz kürzlich hab ich in nem Labor gearbeitet für Sinnesökologie, wo ich mich mit Blütenfarbpräferenzen für Insekten befasst habe, also mit Fragen, wie: welche Farben finden Bienen oder Schmetterlinge besonders attraktiv?"
Ergebnis: Schmetterlinge lieben Rottöne. Das hat sich Kristina Buch bei der Umsetzung ihres Kunstwerks zu Nutze gemacht. Aber eigentlich stehen solche "Materialfragen" für die Künstlerin im Hintergrund. Man soll sich ihrer Arbeit anders nähern. Sachte und aufmerksam.
" ... und hier vorne sehen wir jetzt auch direkt einen Weissling, der über einige der gepflanzten Kohlpflanzen tanzt ..."
Tatsächlich sieht der weiße Falter ein wenig aus wie ein Tänzer. Er schwingt sich auf und schaukelt nieder, dreht seine Pirouetten über den Kohlköpfen und ist dann auch gleich wieder verschwunden. Wer weiß wohin.
"Hier ist kein Netz, was die Falter hierhalten würde, zeitlich, aber auch räumlich sind die Falter nicht gebunden ... "
Der Schmetterling, das flüchtige Geschöpf - ein Sinnbild der Freiheit. Wer ein bisschen Zeit mitbringt, wird das in Kristina Buchs Garten rasch entdecken. "The Lover" hat sie ihre Arbeit genannt und drückt damit wohl nicht zuletzt ihre eigenen Gefühle zu dem flatterhaften Wesen aus. Auch wenn sie genau weiß ...
" ... vielleicht ist er doch gar nicht so frei wie wir uns den vorstellen, vielleicht ist er genauso wie wir durch seine Bedürfnisse und Sehnsüchte auch gebunden, an die Süße des Nektars oder zum Fliegen in der Weite."
Mehr noch als für Freiheit steht der Schmetterling für die Verwandlung. Auch das kann in Kristina Buchs Garten beobachten, wer ein wenig genauer hinschaut.
"Zum Beispiel hier auf einer dieser Brennnesseln sehen wir hier auch schon einige dieser Tagfaltereier, wo jetzt heute zum Beispiel auch schon hunderte von Raupen raus schlüpfen ..."
Vom Ei, zur Raupe, zur Puppe, bis zum fertigen Falter - die Entwicklungsstadien eines Schmetterlings beschäftigen die Menschen seit Jahrtausenden. Insbesondere wegen seiner letzten, großartigen Verwandlung aus dem scheinbar leblosen Koken galt der Schmetterling in der Antike als Sinnbild für Anmut und Liebe. "Von Gestalten zu künden, die in neue Körper verwandelt wurden, treibt mich der Geist", so beginnt Ovid seine "Metamorphosen". Im Christentum stand der Schmetterling dann meist für die Wiederauferstehung. Kristina Buch, die übrigens auch mal Theologie studiert hat, nennt all dies als Quellen ihrer Inspiration.
"Dieses transformative Element, was in der Metamorphose eines Falters am offensichtlichsten ist von allen Wesen, die uns so umgeben, ist ja von Ovid bis zur westlichen christlichen Kultur immer wieder als so eine transformative Kraft der Liebe auch benutzt worden, und all das ist auch so recherchierte und auch geistige Grundlage dieser Arbeit."
Tiere, Transformationen, Theorien - nur von sich selbst mag die Künstlerin lieber nicht erzählen. 1983 geboren, in Düsseldorf-Meerbusch aufgewachsen - viel mehr gibt sie nicht preis.
"Alles was ich der Welt über meinen Lebenslauf erzählen würde oder über meinen Hintergrund, würde, glaube ich, eher ein Gebüsch vor der Arbeit kreieren als Türen öffnen."
Also spricht sie über ihre Arbeit: Wie sie seit März in ihrem Kasseler Interimszuhause die Raupen zieht, täglich die frisch geschlüpften Falter auf ihrer Insel aussetzt, die leeren Puppenhülsen auf Nadeln spießt und in einer documenta-Vitrine ausstellt. Das, was bleibt, wenn uns die schönen Luftgeschöpfe längst verlassen haben. Diese Arbeit ist auch ein Spiel mit der Flüchtigkeit von Kunst.. Und mit etwas, das die Künstlerin "Hingabe" nennt.
"Die Hingabe zu etwas vermeintlich oder vielleicht tatsächlich Vergeblichen."
Ihre Arbeit sei ein Geschenk, sagt Kristina Buch. Eines, das einen Anfang habe, aber kein Ende. Denn wer weiß. Wenn wir nächstes Jahr in der Kasseler Karlsaue einen Weissling tanzen sehen - vielleicht ist es ja ein Nachfahre aus ihrem Schmetterlingsgarten.
Links zum Thema bei dradio.de:
Verwirrung ist Programm - Bundespräsident eröffnet documenta in Kassel
Profil: Documenta-Künstler Clemens von Wedemeyer im Porträt
Künstler und Künstlerinnen auf der documenta
Profil: Etel Adnan, libanesisch-amerikanische Poetin und Malerin, auf der documenta 13
Profil: Die documenta-Künstlerin Mariana Castillo Deball
Mann: "... Kornblumen, Fingerhüte, Gräser, Disteln und Birken ... "
Frau: "... und Brennnesseln, das was man zuhause auszupft ... "
Frau: "... ja, schön, und wo sind die Schmetterlinge (lacht), find ich nicht ... "
Mann: "... einen Schmetterling, n kleiner brauner, schön, so ähnlich wie ein Pfauenauge, aber es ist keins gewesen ... "
Frau "... ich find das interessant, dass das als Kunstwerk gilt, zuhause kommt man gar nicht auf die Idee, dass man Kunstwerke zuhause hat."
Besucher in Kassel vor "The Lover", einer Freilichtinstallation mit lebenden Schmetterlingen. Kristina Buch hat sie konzipiert und mitten auf dem Vorplatz des Fridericianums realisiert. Eigentlich dominieren hier kurz geschorene Rasenflächen das Bild, zertrampelt von Hunderttausenden von documenta-Besuchern. Jetzt ist der Fluchtpunkt im Auge des Betrachters ein Podest, auf dem üppig blühend ein scheinbarer Wildwuchs präsentiert wird. Der Eindruck täuscht.
"Insgesamt hab ich hier über 180 verschiedene Pflanzenarten gepflanzt, 3000 Pflanzenindividuen auf 100 Quadratmetern Fläche, was unglaublich dicht ist, also das ist ne hypernatürliche Pflanzung. Und alle diese Pflanzen sind ganz spezifisch ausgewählt worden nach den Futterpflanzen-Ansprüchen der 40 verschiedenen Tagfalterarten, die ich hier über die 100 Tage der documenta züchte und schlüpfen lasse und dann hier in der Insel aussetze."
Keine einzige Pflanze auf der farbenprächtigen Blüteninsel hat die Künstlerin also nur aufgrund von ästhetischen Kriterien ausgewählt. Jede Blume, jeder Strauch soll den Schmetterlingen entweder als Plätzchen für die Eier dienen, als süße Nektarpflanze oder als Futter für die Raupen. Kristina Buch kennt sich aus. Bevor sie mit dem Kunststudium begann, hatte sie bereits ein Biologiestudium abgeschlossen.
" ... und jetzt ganz kürzlich hab ich in nem Labor gearbeitet für Sinnesökologie, wo ich mich mit Blütenfarbpräferenzen für Insekten befasst habe, also mit Fragen, wie: welche Farben finden Bienen oder Schmetterlinge besonders attraktiv?"
Ergebnis: Schmetterlinge lieben Rottöne. Das hat sich Kristina Buch bei der Umsetzung ihres Kunstwerks zu Nutze gemacht. Aber eigentlich stehen solche "Materialfragen" für die Künstlerin im Hintergrund. Man soll sich ihrer Arbeit anders nähern. Sachte und aufmerksam.
" ... und hier vorne sehen wir jetzt auch direkt einen Weissling, der über einige der gepflanzten Kohlpflanzen tanzt ..."
Tatsächlich sieht der weiße Falter ein wenig aus wie ein Tänzer. Er schwingt sich auf und schaukelt nieder, dreht seine Pirouetten über den Kohlköpfen und ist dann auch gleich wieder verschwunden. Wer weiß wohin.
"Hier ist kein Netz, was die Falter hierhalten würde, zeitlich, aber auch räumlich sind die Falter nicht gebunden ... "
Der Schmetterling, das flüchtige Geschöpf - ein Sinnbild der Freiheit. Wer ein bisschen Zeit mitbringt, wird das in Kristina Buchs Garten rasch entdecken. "The Lover" hat sie ihre Arbeit genannt und drückt damit wohl nicht zuletzt ihre eigenen Gefühle zu dem flatterhaften Wesen aus. Auch wenn sie genau weiß ...
" ... vielleicht ist er doch gar nicht so frei wie wir uns den vorstellen, vielleicht ist er genauso wie wir durch seine Bedürfnisse und Sehnsüchte auch gebunden, an die Süße des Nektars oder zum Fliegen in der Weite."
Mehr noch als für Freiheit steht der Schmetterling für die Verwandlung. Auch das kann in Kristina Buchs Garten beobachten, wer ein wenig genauer hinschaut.
"Zum Beispiel hier auf einer dieser Brennnesseln sehen wir hier auch schon einige dieser Tagfaltereier, wo jetzt heute zum Beispiel auch schon hunderte von Raupen raus schlüpfen ..."
Vom Ei, zur Raupe, zur Puppe, bis zum fertigen Falter - die Entwicklungsstadien eines Schmetterlings beschäftigen die Menschen seit Jahrtausenden. Insbesondere wegen seiner letzten, großartigen Verwandlung aus dem scheinbar leblosen Koken galt der Schmetterling in der Antike als Sinnbild für Anmut und Liebe. "Von Gestalten zu künden, die in neue Körper verwandelt wurden, treibt mich der Geist", so beginnt Ovid seine "Metamorphosen". Im Christentum stand der Schmetterling dann meist für die Wiederauferstehung. Kristina Buch, die übrigens auch mal Theologie studiert hat, nennt all dies als Quellen ihrer Inspiration.
"Dieses transformative Element, was in der Metamorphose eines Falters am offensichtlichsten ist von allen Wesen, die uns so umgeben, ist ja von Ovid bis zur westlichen christlichen Kultur immer wieder als so eine transformative Kraft der Liebe auch benutzt worden, und all das ist auch so recherchierte und auch geistige Grundlage dieser Arbeit."
Tiere, Transformationen, Theorien - nur von sich selbst mag die Künstlerin lieber nicht erzählen. 1983 geboren, in Düsseldorf-Meerbusch aufgewachsen - viel mehr gibt sie nicht preis.
"Alles was ich der Welt über meinen Lebenslauf erzählen würde oder über meinen Hintergrund, würde, glaube ich, eher ein Gebüsch vor der Arbeit kreieren als Türen öffnen."
Also spricht sie über ihre Arbeit: Wie sie seit März in ihrem Kasseler Interimszuhause die Raupen zieht, täglich die frisch geschlüpften Falter auf ihrer Insel aussetzt, die leeren Puppenhülsen auf Nadeln spießt und in einer documenta-Vitrine ausstellt. Das, was bleibt, wenn uns die schönen Luftgeschöpfe längst verlassen haben. Diese Arbeit ist auch ein Spiel mit der Flüchtigkeit von Kunst.. Und mit etwas, das die Künstlerin "Hingabe" nennt.
"Die Hingabe zu etwas vermeintlich oder vielleicht tatsächlich Vergeblichen."
Ihre Arbeit sei ein Geschenk, sagt Kristina Buch. Eines, das einen Anfang habe, aber kein Ende. Denn wer weiß. Wenn wir nächstes Jahr in der Kasseler Karlsaue einen Weissling tanzen sehen - vielleicht ist es ja ein Nachfahre aus ihrem Schmetterlingsgarten.
Links zum Thema bei dradio.de:
Verwirrung ist Programm - Bundespräsident eröffnet documenta in Kassel
Profil: Documenta-Künstler Clemens von Wedemeyer im Porträt
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Profil: Die documenta-Künstlerin Mariana Castillo Deball