"Ein gewaltiger Affront"

08.06.2006
Nach Ansicht des Regisseurs Claus Peymann hat das vom ihm vor 40 Jahren uraufgeführte Peter-Handke-Stück "Publikumsbeschimpfung" deshalb zu einem Eklat geführt, weil es ein Affront gegen das herkömmliche Theater und gegen die herkömmlichen Sehgewohnheiten gewesen ist. Es sei ein Aufbruch in ein unverkrustetes und sich selbst in Frage stellendes Theater gewesen, erinnerte sich Peymann.
Die gesellschaftlichen Umbrüche der 60er Jahre, die Studentenrevolte und die Massenproteste, hätten sich auch in der Theaterszene widergespiegelt. Die "Publikumsbeschimpfung" sei auch eine Reaktion auf die politische und gesellschaftliche Restauration in den 60er Jahren gewesen, betonte der Regisseur.

Wörtlich sagte Peymann: "Man kann sich gar nicht vorstellen, was das Theater in den Jahren an Provokantem zu bieten hatte. Da sind ja Schlingensief und Konsorten bürgerliche Normalverbraucher dagegen."

Peymann erinnerte sich, dass das Stück damals herumgereicht worden sei. Niemand habe es aufführen wollen. Nachdem er es gelesen habe, habe er sich sofort dazu entschieden, das Stück auf die Bühne zu bringen. Prominente Schauspieler habe er nicht gewinnen können und habe dann auf "Nobodys" zurückgreifen müssen.

Nachdem die Premiere ein Erfolg gewesen sei, sei am zweiten Aufführungsabend ein "wilder Hexenkessel" entstanden, sagte Peymann. Peter Handke und einige Schauspieler seien im Gefängnis gelandet. Um für die Vorstellung am folgenden Abend die Schauspieler aus dem Gefängnis zu bekommen, habe er und der Verleger Unseld eine Kaution von 50.000 Mark hinterlegen müssen.

Das heutige Theater sei mit dem Theater der 60er Jahre nicht mehr vergleichbar. Es sei brav und angepasst.

Zu Peter Handke sagte Peymann, der Schriftsteller sei bereits in den 60er Jahren ein "zorniger und ein unerbittlich die Wahrheit suchender Mann" gewesen. Er sei wirklich nobelpreiswürdig. Der Streit um den Heine-Preis bringe auch einen großen Gewinn: "Wir sehen endlich, wie weit es mit der Freiheit in unserer Gesellschaft gekommen ist. Nämlich wie sehr diese große Freiheit des Westens reduziert wurde", sagte Peymann.

Das vollständige Gespräch mit Claus Peymann können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
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