Ein Goldkäfig für die modernen Klassiker

Von Walter Kittel |
Nach vier Jahren Bauzeit wird das Münchner Lenbachhaus wieder eröffnet. Wenn auch der goldglänzende Neubau des Stararchitekten Norman Foster die Geister spaltet: Innen hat das Haus hinzugewonnen. Hier sind unter anderem die Werke des "Blauen Reiter" untergebracht.
Früher führte der Weg in Lenbachs Künstlervilla durch ein kleines, schmiedeeisernes Tor und einen verträumt wirkenden Garten. Heute ist dieses Tor verschlossen und der Pförtner verweist auf den Eingang am Platz um die Ecke, wo der golden glänzende Anbau aus dem Architekturbüro von Norman Foster im Sonnenlicht blinkt. Ein vertikal wie von zahllosen Röhren überzogener Bau, der sich an die alte Villa anschmiegt. Mit fließenden Übergängen im Innern, so dass die Besucher oft gar nicht wissen, ob sie sich noch in der alten Villa bewegen oder schon im neuen Anbau. Ein gewollter Effekt, so Projektleiter Ulrich Hamann von Foster und Partner:

"Das Haus hat sich ja über 120 Jahre in immer mehr Bauabschnitten weiterentwickelt und verändert. Aber es ist immer als eine ganze Einheit aufgetreten, es war immer sozusagen ein sehr einheitliches Erscheinungsbild. Und dieser Logik sind wir auch weiterhin gefolgt. Also dass wir versucht haben, auch die neuen Bauteile möglichste eng mit dem Bestand zu verzahnen. Bis man es im Grund kaum noch wahrnehmen kann, was alt und was neu ist. In der Fassade ist das natürlich schon ablesbar. Aber auch dort haben wir eben versucht, ein Material zu finden, was in dieser Material und Formensprache des bestehenden Hauses auch bestehen kann."

Zu pompös oder gar protzig sei dieser Auftritt für Lenbachs alte Künstlervilla, meinen Kritiker, die den Anbau bereits spöttisch Goldkäfig nennen. Doch im Innern hat das neue Lenbachhaus gegenüber dem alten sehr viel gewonnen. Nicht nur an Raum und besserem Licht. Auch an Übersichtlichkeit. So können sich die Besucher in dem nach oben offenen Foyer gleich zwischen den vier Sammlungsschwerpunkten entscheiden: die historischen Räume mit dem Interieur und Bildern Lenbachs locken als erstes – hier gibt ein Fenster Einblick in dunkel verhangene Räume, die in eine ferne Künstlerwelt entführen.

Oder die neu für das Haus gewonnene Sammlung Schirmer zu Joseph Beuys, die in einem kleinen Rundgang zu bewundern ist. Gegenüber dann die große Sammlung zur Kunst nach ´45. Und im obersten Stockwerk der eigentliche Höhepunkt: die Maler des Blauen Reiters mit Kandinsky, Macke, Marc oder Münter, deren Neupräsentation Direktor Helmut Friedel ein besonderes Anliegen ist:

"Das kann man nicht abschließen, sondern das muss immer wieder gemacht werden. Da muss immer wieder reflektiert werden, wie man den Werken zu sich selbst am besten verhelfen kann. Wie sie am besten zusammenwirken. Und das gilt für den Blauen Reiter. Natürlich freuen wir uns, dass diese Werke heute eine große Akzeptanz haben aber man kann nie davon ausgehen, dass es immer gleich sein wird."

Neuer Schwerpunkt: Malerei der 20er und 30er Jahre
Das Lenbachhaus werde auch weiterhin alles tun, um für das Publikum lebendig zu bleiben. Über 450.000 Besucher kamen im Jahr vor der Schließung. Sie können nun ein Haus entdecken, das kaum wiederzuerkennen ist. Nicht nur was die Räumlichkeiten betrifft und die Wege im Inneren. Auch die Sammlungen entfalten sich besser.

"Drum finden sie dann oben auch einige Überraschungen schon, die andeuten, wohin wir auch in nächster Zukunft ein größeres Augenmerk richten werden: das betrifft die Malerei der 20er und 30er Jahre. Bestimmte Künstler der 50er und 60er Jahre sind heute absolute Klassiker geworden. Aber da jetzt wieder so zu arbeiten, dass ein Museum nicht unbedingt identisch ist mit hundert anderen Museen, darauf muss man auch achten."

Unverwechselbarkeit garantiert dem Lenbachhaus aber vor allem die nach wie vor intim wirkende Architektur der Künstlervilla mit ihren zahllosen kleinen und größeren Kabinetten und Räumen. Auch der Garten mit Brunnen und Skulpturen ist etwas ganz Besonderes und lädt zum Verweilen ein. Neben den Sammlungsschwerpunkten zum Blauen Reiter, Beuys und dem Erbe Lenbachs, nimmt auch die Gegenwartskunst im neuen Haus einen beachtlichen Raum ein, der von Michel Majerus über Katharina Grosse bis hin zu Sarah Morris, Wolfgang Tillmanns oder Erwin Wurm reicht.

"So gibt es von jüngeren Künstler immer auch größere Werkkomplexe. Damit man nicht nur durch ein einzelnes Bild einen Beleg der Präsenz dieser Künstlerpersönlichkeit hat, sondern versteht, woher kommt eine Idee und wie wird sie weiterentwickelt."

Reflexion und Tiefe statt oberflächlicher Betrachtungsweisen: im neuen, alten Lenbachhaus ist diese geistige Haltung eigentlich überall spürbar. Zumindest beim Rundgang, hinter dem Glanz der goldenen Fassade.

Links auf dradio.de:

Grundsaniert mit Dreifach-Eröffnung
Das umgebaute Lenbachhaus in München zeigt seine Gegenwartskunst

Wir zeigen "die Spitze des Eisbergs"
Kuratorin über die Bestandsaufnahme des Lenbachhauses im Kunstbau München (08.11.2012)