Ein großer Filmemacher
Der Filmemacher Louis Malle, der seine Karriere als Assistent des Tiefseeforschers Jacques-Yves Cousteau begonnen hatte, wurde bereits mit seinem Filmdebüt "Fahrstuhl zum Schafott" 1957 weltberühmt. Die neue DVD-Box Louis Malle Edition enthält nun fünf seiner Spielfilme. Es ist eine eindrucksvolle Wiederbegegnung mit einem der sanftesten und klügsten Provokateuren der Filmgeschichte.
Musik: "Fahrstuhl zum Schafott"
Die Intensität des ersten Bildes von FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT ist fast wie eine Ohrfeige: Das Gesicht der damals – 1957 – 29-jährigen Jeanne Moreau, wenn sie mit ihrem Geliebten darüber redet, dass er ihren Mann umbringen soll, jetzt endlich umbringen muss:
"Julien, es muss sein. Julien, ich werde dich niemals verlassen. Julien, ich liebe dich. Wir werden nicht glücklich sein, wenn der Weg nicht frei ist."
Musik: "Fahrstuhl zum Schafott"
Was für eine Sinnlichkeit dieser Schauspielerin, wenn sie durch die nächtlichen Straßen von Paris streift, auf der Suche nach ihrem Geliebten, der nach dem Mord an ihrem Mann im Fahrstuhl gefangen ist. Was für eine Erotik in dieser Szene in DIE LIEBENDEN, wenn in diesem rücksichtslos romantischen Mitternachtstraum der Mann und die Frau miteinander schlafen, wieder Jeanne Moreau, ihr Gesicht, ihre sich zusammenkrampfenden Hände – was wohl die erste cinematographische Darstellung des weiblichen Orgasmus´ war. Unfassbar schön.
(Brahms) "Mon amour."
Damals, Ende der 50er Jahre, sagt Louis Malle, war er nach dem amerikanischen Kino verrückt. Film Noir. Malle zeichnete in seinem Debüt FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT ein Paris, in dem die Figuren auf der Jagd nach dem schnellen Glück und dem schnellen Vergnügen – ohne moralische Instanzen, die sie stoppen könnten – durch die Metropole jagen.
"Sie spotten über den Krieg, aber sie leben davon. Wie viele Millionen haben Sie verdient. In Indochina. In Algier. Gerade Sie sollten den Krieg nicht verachten. Ohne ihn wären Sie nicht, was Sie sind, Monsieur Caralat!"
Neben FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT finden sich in der DVD-Box die Filme DIE LIEBENDEN und DAS IRRLICHT, eine Art imaginäre Trilogie, und in der das Thema der Nacht zentral ist, die Einsamkeit der Figuren; Figuren, deren Wege sich kreuzen, die sich suchen, aber nicht finden. Dieses zentrale Thema könnte man als eine Grundmetapher von Louis Malles Ende der 1950er, Anfang der 60er Jahre entstandenen Filme ausmachen. Doch Louis Malles Intention, die Geschichte eines Mordes und einer Liebe zu erzählen, war eine andere, was angesichts der Rezeption von FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT als existentialistisches Drama heute ziemlich verblüfft.
Louis Malle: "'Fahrstuhl zum Schafott' hatte einen politischen Kontext, sagt er in dem Gespräch, das sich im Bonus-Material der DVD befindet. Nach dem Ende des Indochina-, mit dem Beginn des Algerien-Krieges und de Gaulle hatte man das Gefühl, dass das Volk den Regierenden nicht mehr traute. Maurice Ronet, der den Mörder spielt, ist jemand, der am Indochina-Krieg teilgenommen hat und einen zwielichtigen Geschäftsmann, der im Waffengeschäft ist, umbringt. Es gab also in der Tat hinter der Krimihandlung eindeutige und auch recht aggressive Verweise auf die Gesellschaft."
Musik: "Zazie"
Wenn man allerdings zu dieser 'imaginären' frühen Trilogie noch die beiden anderen Filme der Box hinzu sieht – ZAZIE von 1960 und EINE KOMÖDIE IM MAI (1989 entstanden) -, dann wird das vielleicht noch grundsätzlichere Thema von Louis Malles Werk deutlich: von Übergangen nämlich zu erzählen. Zazie beispielsweise, die in dem gleichnamigen Film, einem Meisterwerk der Nouvelle Vague, die Stadt Paris aus den Augen eines Kindes sieht.
"Streik! Immer noch Streik!"
Zazie, die unbedingt an dem Tag, an dem die Stadt streikt, gerne einmal mit der Metro fahren will.
"Das ist ein dufte Stadt."
Und jedes Mal, wenn Zazie glaubt, sie habe verstanden, was los ist, passiert etwas und sie begreift, dass es sich in etwas Neues verwandelt hat. Mit diesem explosiven, farbigen Bildfeuerwerk verwischt Louis Malle seinen Zuschauern alle Sicherheiten von Ort und Zeit. Paris entzieht sich einer festen Bedeutung, wie auch Louis Malle, der Regisseur, sich einer sicheren, festen Interpretation entzieht. Meinte man zu wissen, wer dieser Filmemacher ist, entzog er sich – Übergang zu etwas anderem -, drehte Dokumentarfilme in Indien; zog aufs Land, wo alle anderen großen französischen 'auteurs' der Nouvelle Vague Paris zu verlassen als die Ursünde ansahen.
Die einzige Beständigkeit bei ihm war das Unbeständige, waren die Übergänge. "Ich liebe es, Leute zu überraschen, sie zu provozieren." sagte Louis Malle einmal. Sicher wirken die Provokationen, wenn man die Filme der DVD-Box heute sieht, nicht mehr so, wie vor dreißig, vierzig Jahren. Aber was ohne Zweifel immer noch wirkt, sich überträgt, ist die flirrende Kraft dieser wunderbaren Filme und ihre unfassbare Schönheit.
Musik: "Miles Davis "Fahrstuhl zum Schafott"
Die Intensität des ersten Bildes von FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT ist fast wie eine Ohrfeige: Das Gesicht der damals – 1957 – 29-jährigen Jeanne Moreau, wenn sie mit ihrem Geliebten darüber redet, dass er ihren Mann umbringen soll, jetzt endlich umbringen muss:
"Julien, es muss sein. Julien, ich werde dich niemals verlassen. Julien, ich liebe dich. Wir werden nicht glücklich sein, wenn der Weg nicht frei ist."
Musik: "Fahrstuhl zum Schafott"
Was für eine Sinnlichkeit dieser Schauspielerin, wenn sie durch die nächtlichen Straßen von Paris streift, auf der Suche nach ihrem Geliebten, der nach dem Mord an ihrem Mann im Fahrstuhl gefangen ist. Was für eine Erotik in dieser Szene in DIE LIEBENDEN, wenn in diesem rücksichtslos romantischen Mitternachtstraum der Mann und die Frau miteinander schlafen, wieder Jeanne Moreau, ihr Gesicht, ihre sich zusammenkrampfenden Hände – was wohl die erste cinematographische Darstellung des weiblichen Orgasmus´ war. Unfassbar schön.
(Brahms) "Mon amour."
Damals, Ende der 50er Jahre, sagt Louis Malle, war er nach dem amerikanischen Kino verrückt. Film Noir. Malle zeichnete in seinem Debüt FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT ein Paris, in dem die Figuren auf der Jagd nach dem schnellen Glück und dem schnellen Vergnügen – ohne moralische Instanzen, die sie stoppen könnten – durch die Metropole jagen.
"Sie spotten über den Krieg, aber sie leben davon. Wie viele Millionen haben Sie verdient. In Indochina. In Algier. Gerade Sie sollten den Krieg nicht verachten. Ohne ihn wären Sie nicht, was Sie sind, Monsieur Caralat!"
Neben FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT finden sich in der DVD-Box die Filme DIE LIEBENDEN und DAS IRRLICHT, eine Art imaginäre Trilogie, und in der das Thema der Nacht zentral ist, die Einsamkeit der Figuren; Figuren, deren Wege sich kreuzen, die sich suchen, aber nicht finden. Dieses zentrale Thema könnte man als eine Grundmetapher von Louis Malles Ende der 1950er, Anfang der 60er Jahre entstandenen Filme ausmachen. Doch Louis Malles Intention, die Geschichte eines Mordes und einer Liebe zu erzählen, war eine andere, was angesichts der Rezeption von FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT als existentialistisches Drama heute ziemlich verblüfft.
Louis Malle: "'Fahrstuhl zum Schafott' hatte einen politischen Kontext, sagt er in dem Gespräch, das sich im Bonus-Material der DVD befindet. Nach dem Ende des Indochina-, mit dem Beginn des Algerien-Krieges und de Gaulle hatte man das Gefühl, dass das Volk den Regierenden nicht mehr traute. Maurice Ronet, der den Mörder spielt, ist jemand, der am Indochina-Krieg teilgenommen hat und einen zwielichtigen Geschäftsmann, der im Waffengeschäft ist, umbringt. Es gab also in der Tat hinter der Krimihandlung eindeutige und auch recht aggressive Verweise auf die Gesellschaft."
Musik: "Zazie"
Wenn man allerdings zu dieser 'imaginären' frühen Trilogie noch die beiden anderen Filme der Box hinzu sieht – ZAZIE von 1960 und EINE KOMÖDIE IM MAI (1989 entstanden) -, dann wird das vielleicht noch grundsätzlichere Thema von Louis Malles Werk deutlich: von Übergangen nämlich zu erzählen. Zazie beispielsweise, die in dem gleichnamigen Film, einem Meisterwerk der Nouvelle Vague, die Stadt Paris aus den Augen eines Kindes sieht.
"Streik! Immer noch Streik!"
Zazie, die unbedingt an dem Tag, an dem die Stadt streikt, gerne einmal mit der Metro fahren will.
"Das ist ein dufte Stadt."
Und jedes Mal, wenn Zazie glaubt, sie habe verstanden, was los ist, passiert etwas und sie begreift, dass es sich in etwas Neues verwandelt hat. Mit diesem explosiven, farbigen Bildfeuerwerk verwischt Louis Malle seinen Zuschauern alle Sicherheiten von Ort und Zeit. Paris entzieht sich einer festen Bedeutung, wie auch Louis Malle, der Regisseur, sich einer sicheren, festen Interpretation entzieht. Meinte man zu wissen, wer dieser Filmemacher ist, entzog er sich – Übergang zu etwas anderem -, drehte Dokumentarfilme in Indien; zog aufs Land, wo alle anderen großen französischen 'auteurs' der Nouvelle Vague Paris zu verlassen als die Ursünde ansahen.
Die einzige Beständigkeit bei ihm war das Unbeständige, waren die Übergänge. "Ich liebe es, Leute zu überraschen, sie zu provozieren." sagte Louis Malle einmal. Sicher wirken die Provokationen, wenn man die Filme der DVD-Box heute sieht, nicht mehr so, wie vor dreißig, vierzig Jahren. Aber was ohne Zweifel immer noch wirkt, sich überträgt, ist die flirrende Kraft dieser wunderbaren Filme und ihre unfassbare Schönheit.
Musik: "Miles Davis "Fahrstuhl zum Schafott"