Ein grün glasiertes Schüsselchen Erdbeeren
Die Verbindung von Literatur und Musik gehört seit seiner Gründung zum Festival "Wege durch das Land" in Ostwestfalen-Lippe. Nun hat das Festival eine neue Reihe ins Leben gerufen, die "Akademie der lesenden Künste". Drei Tage lang nähern sich die Teilnehmer einem Text über Analyse, Debatten, Lesungen und Konzerte.
"Er setzte von dem Essbrette ein Krüglein mit Milch auf den Tisch und goss aus demselben zwei Gläser voll."
Ein armer Landpfarrer bewirtet seinen Gast. Die Schauspielerin Barbara Nüsse liest Adalbert Stifters Novelle "Kalkstein".
"Dann setzte er auf einem grün glasierten Schüsselchen Erdbeeren auf und auf einem Teller mehrere Stücke schwarzen Brotes. Als Bestecke legte er auf jeden Platz ein Messer und ein kleines Löffelchen. Dann trug er das Essbrett wieder hinaus."
Spannend ist das nicht. Man könnte das karge Menü auch mit weniger Worten beschreiben. Oder es ganz weglassen. Die vielen Verzögerungen und Verkleinerungen klingen beim ersten Lesen banal. Doch die Teilnehmer der ersten Akademie für lesende Künste schauen ganz genau auf die Sprache. Sie überlegen, warum zu Beginn ein Krüglein Milch im Spiel ist und wenige Zeilen später ein Krug. Obwohl es sich um das gleiche oder doch ein ziemlich ähnliches Gefäß handelt. An einem großen, rechteckigen Tisch sitzen ungefähr 50 Menschen beisammen. Einige sind Literaturfans aus der Region, treue Begleiter des Festivals "Wege durch das Land". Es sind viele junge Leute dabei.
"Das sind Studenten, die von verschiedenen Universitäten kommen, aus Wien, aus Biehl, Leipzig, Bremen, die vom Studium her nicht unbedingt Literaturwissenschaft oder Germanistik studieren, sondern die interessiert sind an dem Reichtum der Sprache. Und was Sprache mit uns im Moment des Lesens und des Hörens macht."
Festivalleiterin Brigitte Labs-Ehlert verwirklicht ihren Traum. Eine "Akademie der lesenden Künste" hatte sie lange geplant. Drei Tage ziehen sich die Teilnehmer zurück, in diesem Fall auf das Gut Holzhausen irgendwo zwischen Paderborn und Höxter. Dort hat man nicht mal Handyempfang. Barbara Nüsse liest Passagen der Novelle, dann wird diskutiert. Einzelne Wörter lösen zum Teil sehr persönliche Assoziationen aus, die Gedanken fliegen frei umher. Der Schriftsteller Peter Waterhouse - Sohn eines Engländers und einer Österreicherin - ist zwar der Leiter, greift aber nicht ordnend ein. Er lässt auch gedankliche Sackgassen zu.
"Wir imitieren nicht die Universität. Aus guten Gründen. Die soll man im Moment gar nicht imitieren, da die Universitäten unter immer mehr Einschränkungen leiden und auch unter großen Beschleunigungen. Und sie arbeiten viel zu zielgerichtet. Hier geht's um das Zielungerichtete."
Eben das findet Waterhouse bei Adalbert Stifter. Die Begegnung zwischen einem Landvermesser und dem armen Pfarrer hat keine dramatischen Höhepunkte. Im Kern geht es darum, dass zwei liebenswerte Menschen höflich miteinander umgehen. Nach der Einladung des Pfarrers zu Milch und Erdbeeren holt der Gast noch die Reste seines ungleich üppigeren Mittagsmahls hervor und stellt fest, dass er den Pfarrer damit in Verlegenheit bringt.
"Er nahm gleichsam, um meiner Einladung die Ehre anzutun, ein winziges bisschen von den Dingen, nippte an dem Glase und war nicht mehr zu bewegen, etwas Weiteres zu nehmen."
Nach dem Mittagessen gehen die Teilnehmer in eine nahe gelegene Kirche. Dort spielt die Musikerin Anja Lechner eine Elegie für Cello und zwei Tam Tam des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov, ein Stück, in dem es mehr um Schwingungen geht als um die Formulierung einer Melodie.
Die musikalischen Eindrücke nehmen die Teilnehmer mit in die weitere Textarbeit. Nun geht es um Adalbert Stifters Beschreibung eines Gewitters, und eine Studentin aus Leipzig spricht von der Klangdimension eines einzelnen Wortes.
"Dieses Wort einfach, wenn man das nur akustisch hört auch im Zusammenhang mit diesem ganzen Regenstrom, Plätschern und so weiter, passt das rein akustisch auch sehr gut da rein, dieses f und ch."
Die Teilnehmer vermeiden Wertungen. Sie analysieren genau, was da sprachlich vor sich geht. Stifters Gewitter wirkt irgendwie niedlich, weil er es im Konjunktiv beschreibt und ungewöhnlich sanfte Formulierungen wählt.
Am Ende des ersten Tages bleiben viele Anregungen für die nächsten Sitzungen. Auch Barbara Nüsse stellt fest, dass die Diskussionen nicht ohne Einfluss auf ihre Lesungen bleiben.
"Ich habe vorher in gewisser Weise flüssiger gelesen. Das geht dann mehr auf den Inhalt. Und es ergibt sich dann so, dass man denkt, naja, so spricht ja jeder. Und man merkt die Genauigkeit dieser Sprache oder das Spezielle dieser Sprache dann nicht mehr."
Ein armer Landpfarrer bewirtet seinen Gast. Die Schauspielerin Barbara Nüsse liest Adalbert Stifters Novelle "Kalkstein".
"Dann setzte er auf einem grün glasierten Schüsselchen Erdbeeren auf und auf einem Teller mehrere Stücke schwarzen Brotes. Als Bestecke legte er auf jeden Platz ein Messer und ein kleines Löffelchen. Dann trug er das Essbrett wieder hinaus."
Spannend ist das nicht. Man könnte das karge Menü auch mit weniger Worten beschreiben. Oder es ganz weglassen. Die vielen Verzögerungen und Verkleinerungen klingen beim ersten Lesen banal. Doch die Teilnehmer der ersten Akademie für lesende Künste schauen ganz genau auf die Sprache. Sie überlegen, warum zu Beginn ein Krüglein Milch im Spiel ist und wenige Zeilen später ein Krug. Obwohl es sich um das gleiche oder doch ein ziemlich ähnliches Gefäß handelt. An einem großen, rechteckigen Tisch sitzen ungefähr 50 Menschen beisammen. Einige sind Literaturfans aus der Region, treue Begleiter des Festivals "Wege durch das Land". Es sind viele junge Leute dabei.
"Das sind Studenten, die von verschiedenen Universitäten kommen, aus Wien, aus Biehl, Leipzig, Bremen, die vom Studium her nicht unbedingt Literaturwissenschaft oder Germanistik studieren, sondern die interessiert sind an dem Reichtum der Sprache. Und was Sprache mit uns im Moment des Lesens und des Hörens macht."
Festivalleiterin Brigitte Labs-Ehlert verwirklicht ihren Traum. Eine "Akademie der lesenden Künste" hatte sie lange geplant. Drei Tage ziehen sich die Teilnehmer zurück, in diesem Fall auf das Gut Holzhausen irgendwo zwischen Paderborn und Höxter. Dort hat man nicht mal Handyempfang. Barbara Nüsse liest Passagen der Novelle, dann wird diskutiert. Einzelne Wörter lösen zum Teil sehr persönliche Assoziationen aus, die Gedanken fliegen frei umher. Der Schriftsteller Peter Waterhouse - Sohn eines Engländers und einer Österreicherin - ist zwar der Leiter, greift aber nicht ordnend ein. Er lässt auch gedankliche Sackgassen zu.
"Wir imitieren nicht die Universität. Aus guten Gründen. Die soll man im Moment gar nicht imitieren, da die Universitäten unter immer mehr Einschränkungen leiden und auch unter großen Beschleunigungen. Und sie arbeiten viel zu zielgerichtet. Hier geht's um das Zielungerichtete."
Eben das findet Waterhouse bei Adalbert Stifter. Die Begegnung zwischen einem Landvermesser und dem armen Pfarrer hat keine dramatischen Höhepunkte. Im Kern geht es darum, dass zwei liebenswerte Menschen höflich miteinander umgehen. Nach der Einladung des Pfarrers zu Milch und Erdbeeren holt der Gast noch die Reste seines ungleich üppigeren Mittagsmahls hervor und stellt fest, dass er den Pfarrer damit in Verlegenheit bringt.
"Er nahm gleichsam, um meiner Einladung die Ehre anzutun, ein winziges bisschen von den Dingen, nippte an dem Glase und war nicht mehr zu bewegen, etwas Weiteres zu nehmen."
Nach dem Mittagessen gehen die Teilnehmer in eine nahe gelegene Kirche. Dort spielt die Musikerin Anja Lechner eine Elegie für Cello und zwei Tam Tam des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov, ein Stück, in dem es mehr um Schwingungen geht als um die Formulierung einer Melodie.
Die musikalischen Eindrücke nehmen die Teilnehmer mit in die weitere Textarbeit. Nun geht es um Adalbert Stifters Beschreibung eines Gewitters, und eine Studentin aus Leipzig spricht von der Klangdimension eines einzelnen Wortes.
"Dieses Wort einfach, wenn man das nur akustisch hört auch im Zusammenhang mit diesem ganzen Regenstrom, Plätschern und so weiter, passt das rein akustisch auch sehr gut da rein, dieses f und ch."
Die Teilnehmer vermeiden Wertungen. Sie analysieren genau, was da sprachlich vor sich geht. Stifters Gewitter wirkt irgendwie niedlich, weil er es im Konjunktiv beschreibt und ungewöhnlich sanfte Formulierungen wählt.
Am Ende des ersten Tages bleiben viele Anregungen für die nächsten Sitzungen. Auch Barbara Nüsse stellt fest, dass die Diskussionen nicht ohne Einfluss auf ihre Lesungen bleiben.
"Ich habe vorher in gewisser Weise flüssiger gelesen. Das geht dann mehr auf den Inhalt. Und es ergibt sich dann so, dass man denkt, naja, so spricht ja jeder. Und man merkt die Genauigkeit dieser Sprache oder das Spezielle dieser Sprache dann nicht mehr."