"Ein guter Tag für die Vertriebenen"
Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung wolle in ihrem Dokumentationszentrum die Geschichte der Gewaltmigration Europas im 20. Jahrhundert darstellen, sagt Manfred Kittel. Ein Auftrag sei es, Flucht und Vertreibung weltweit zu ächten, so der Stiftungsdirektor anlässlich des Baubeginns in Berlin.
Susanne Führer: Der Name ist fast so sperrig wie das Thema: Dokumentationszentrum der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Stephanie Rohde berichtete über den Baubeginn und die Geschichte des Dokumentationszentrums der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Manfred Kittel ist der Direktor dieser Stiftung und nun zu Gast im Deutschlandradio Kultur. Guten Tag, Herr Kittel!
Manfred Kittel: Guten Tag!
Führer: Wir haben ja gerade kurz von dieser wirklich schwierigen Geschichte Ihrer Stiftung gehört, nun, heute, doch der Baubeginn. Das muss ja für Sie ein ausgesprochen guter Tag sein, oder?
Kittel: Ja, das kann man wohl so sagen, ein guter Tag für die Stiftung, ein guter Tag für die Vertriebenen in Deutschland, aber auch die Vertriebenen und von Vertreibung Betroffenen in Europa und auf der ganzen Welt. Und leider ist es ja nicht nur ein historisches Thema, sondern auch ein beklemmend aktuelles. Im Grunde auch für diejenigen, die aktuell davon betroffen sind, denn unser Stiftungsauftrag ist es ja auch, dazu beizutragen, Flucht und Vertreibung weltweit zu ächten.
Führer: Es wurde ja nun so viel über Konzept und Ausrichtung gestritten. Jetzt haben Sie schon einen Aspekt genannt, aber was ist genau das Ziel und das Konzept dieses Dokumentationszentrums?
Kittel: Also, zunächst wird es in der ganzen Stiftungsarbeit und ganz speziell aber natürlich auch in der Dauerausstellung, die ja jetzt erst mal auch das ist, was uns in der Vorbereitung am meisten Arbeit macht, darum gehen, die ganze Geschichte der Gewaltmigration in Europa im 20. Jahrhundert darzustellen. Wobei auch klar ist, Ausgangspunkt der Debatte in Deutschland war nun mal eben auch Flucht und Vertreibung von 14 Millionen Deutschen. Und das wird eingebettet in die Geschichte der Gewaltmigration im ganzen 20. Jahrhundert.
Das ist wichtig, weil wichtige geistige Vorläufer, wenn man so will, von Vertreibungsideen schon sehr früh, vor dem Ersten Weltkrieg entstanden sind im Zuge dieser Ideologie eines ethnisch homogenen, in Anführungszeichen "reinen" Nationalstaats ja auch eben auf dem Balkan vor allem im Zuge des Zurückdrängens des Osmanischen Reiches sind ja schon eine halbe Million Balkan-Muslime vertrieben worden.
Und dann auch während des Ersten Weltkrieges, der von Historikern als Katalysator sogenannter ethnischer Säuberungen heute auch bezeichnet wird, ist das Rad etwas weiter gedreht worden. Und dann vor allem auch mit dem Vertrag von Lausanne, der ja nach dem Ersten Weltkrieg den sogenannten griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch regelte. Und leider damit auch schon eine Präzedenz in gewisser Weise geschaffen hat, auch von den demokratischen Mächten damals auch akzeptiert. Dass man Minderheitenprobleme oder Nationalitätenkonflikt eben lösen kann, indem man sozusagen tabula rasa macht.
Führer: Aber Herr Kittel, Sie machen da jetzt so eine Reihe auf, da könnte man sagen, okay, Vertreibung gab es schon immer, hier und da und dort, und da fangen Sie sich ja doch sehr schnell wieder den Vorwurf ein, der ja Ihrem Projekt von Anfang an gemacht wurde, dass Sie jetzt hier aus den Tätern Opfer machen. Also für die Flucht und die Vertreibung der Deutschen gab es ja Ursachen, und die liegen ja doch nun ziemlich eindeutig in der Politik Deutschlands. Das ist ja nicht einfach so über sie gekommen.
Kittel: Das ist auch völlig unbestritten, das wird sozusagen in der Konzeption – ich hatte jetzt sozusagen den ersteren Teil der Konzeption jetzt erst mal Ihnen erläutert. Es wird aber dann, da wo es um Flucht und Vertreibung der Deutschen geht, das sehr klar in den Kontext der nationalsozialistischen Vernichtungs- und Expansionspolitik eingeordnet, die vom Dritten Reich sehr systematisch dann ab 1933 und dann vor allem ab '38 ja in die Wege geleitet wurde.
Das ist völlig unstrittig und auch in der Konzeption entsprechend dokumentiert, dass sozusagen Hitler dann die Büchse der Pandora geöffnet hat. Und das Instrumentarium von Vertreibungen, was es eben vorher im besagten Maßstab so auf dem Balkan und im griechisch-türkischen Bereich gab, sozusagen mitten nach Europa hinein geholt hat. Und ja auch schon mit Plänen von Generalplan Ost, wo sozusagen Dutzende Millionen Menschen in Osteuropa dann eben auch entwurzelt worden wären. Und eben nicht nur Pläne, sondern teilweise, einiges davon ist ja durchaus auch bereits umgesetzt worden. Zamoœæ beispielsweise, eine Region in Polen, die da dem zum Opfer gefallen ist. Und auch etwa viele Hunderttausende Polen sind ja gleich 1939/40 dann auch Opfer von Vertreibung geworden. Also das wird alles dann im Kapitel Zweiter Weltkrieg selbstverständlich entsprechend dokumentiert.
Aber vorher ist eben wichtig, sozusagen die Gesamtgeschichte, wenn man das Thema sozusagen eben auch gesamteuropäisch, und das war Konsens in den Gremien der Stiftung, auch gesamteuropäisch darstellt, beginnend ab dem frühen 20. Jahrhundert, dann kommen eben auch diese anderen Schicksale von anderen Nationen oder Teilen von Völkern, die von Vertreibung betroffen waren, auch mit in den Fokus.
Führer: Aber der Hauptakzent liegt trotzdem auf der Geschichte der Deutschen, das steht ja auch auf der Homepage Ihrer Stiftung. Und ich will mal kurz zitieren den polnischen Historiker Tomasz Szarota, der ja den wissenschaftlichen Beirat Ihrer Stiftung eben im Jahr 2009 verlassen hat. Der zweifelt ja schon den Begriff der Vertreibung an. Er sagt, wenn die Deutschen von Vertriebenen sprechen, dann stelle ich die Frage, wie viele davon waren Flüchtlinge. Und wie viele davon wurden von Russen, Polen oder Tschechen tatsächlich vertrieben. Und er sagt, in Polen wird dieser Begriff Vertreibung sehr, sehr selten verwendet. Man spricht normalerweise von Zwangsaussiedlung oder eben für die Polen, die von den Russen während des Zweiten Weltkrieges in den Osten verfrachtet wurden, spricht man von Deportationen.
Kittel: Also richtig ist, dass der Begriff Vertreibung, also in dem Begriffspaar Flucht und Vertreibung also ein sehr, sehr deutscher Begriff ist, der sich auch so in der Prägung des Begriffes bei uns so eingebürgert hat. Man muss aber dazu auch sagen, und das sehe ich etwas anders als Herr Szarota, dass diese dann zu starke - in Anführungszeichen - "Differenzierung" zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen den realen historischen Vorgängen auch nicht unbedingt gerecht wird. Alldieweil ja nun ganz viele Flüchtlinge, die erst mal vor der Roten Armee überwiegend geflohen sind, vor den Kriegsereignissen, ja dann später gerne wieder in ihre Heimat östlich von Oder und Neiße zurückgegangen wären.
Das war eben dann nicht mehr möglich, das hat man dann ja verhindert. Insofern sind dann auch aus vier Millionen Menschen, die zuerst Flüchtlinge waren, sozusagen im zweiten Schritt dann auch ja Vertriebene geworden, spätestens ab dem Zeitpunkt, als die Brücken an Oder und Neiße sozusagen für sie dicht waren. Und es gibt ja unzählige Fälle, wo das versucht worden ist, also insofern ... Und was Sie mit dem Begriff, zu dem Begriff noch mal meinten, muss man zwischenzeitlich ja schon auch darauf hinweisen, dass auch in der polnischen Debatte durchaus der Begriff Vertreibung, Vertriebene, der lange, da haben Sie völlig recht, jahrzehntelang sozusagen nur mit ganz, ganz spitzen Fingern ...
Führer: Ja, wie in der DDR ja auch ...
Kittel: Genau, der jetzt durchaus auch. Es gibt einen neueren Atlas zur Vertreibung und Zwangsmigration, der den Begriff Vertreibung durchaus auch auf Polnisch benutzt. Also, auch da ist einiges im Fluss.
Führer: Herr Kittel, eine Frage möchte ich zum Schluss gerne noch schnell loswerden, bitte Sie um eine kurze Antwort. Denn die Geschichte, also die Gründung Ihrer Stiftung geht ja, und auch das Dokumentationszentrum geht ja im Grunde genommen auf die Initiative von Erika Steinbach zurück, also der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Die musste ja, wir haben es gehört im Beitrag von Stephanie Rohde, auf ihren Sitz im Stiftungsrat verzichten und hat wirklich ja nicht versöhnend gewirkt, also wie der Auftrag der Stiftung ja lautet. Wie ist Ihr Verhältnis heute zu Erika Steinbach?
Kittel: Also Erika Steinbach hat ja auch gestern in einer Presseerklärung ihres Verbandes sich noch mal geäußert zu dem heutigen Bau und hat da selbst noch mal drauf hingewiesen, dass zusammen mit ihr Peter Glotz, der zwischenzeitlich verstorbene ...
Führer: Herr Kittel, aber wie ist denn Ihr Verhältnis heute zu Frau Steinbach?
Kittel: Wir kooperieren hier natürlich jetzt nicht in den Stiftungsgremien, da sitzt Frau Steinbach ja nicht, da sitzen sechs ihrer Mitarbeiter. Aber wir haben – man sieht sich ja immer wieder auch bei Veranstaltungen auch in den nächsten Tagen, ein gutes, entspanntes Arbeitsverhältnis. Weil wir natürlich mit dem Bund der Vertriebenen auch immer wieder wegen Objekten für die Dauerausstellung und anderen Dingen in Zusammenarbeit sind. Aber es wird nicht, wenn Sie das, ich weiß nicht, vielleicht vermuten mit Ihrer Frage, irgendwie der Versuch unternommen, der Stiftung jetzt irgendwie da hineinzureden.
Führer: Nein, ich vermutete gar nichts, ich wollte es wirklich, ganz offen, nur wissen. Herr Kittel, leider ist unsere Zeit um. Ich danke Ihnen für das Gespräch. Manfred Kittel ist der Direktor der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, und heute wurde der Baubeginn des Dokumentationszentrums vollzogen. Danke schön, tschüs!
Kittel: Ich danke Ihnen für das Gespräch, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Manfred Kittel: Guten Tag!
Führer: Wir haben ja gerade kurz von dieser wirklich schwierigen Geschichte Ihrer Stiftung gehört, nun, heute, doch der Baubeginn. Das muss ja für Sie ein ausgesprochen guter Tag sein, oder?
Kittel: Ja, das kann man wohl so sagen, ein guter Tag für die Stiftung, ein guter Tag für die Vertriebenen in Deutschland, aber auch die Vertriebenen und von Vertreibung Betroffenen in Europa und auf der ganzen Welt. Und leider ist es ja nicht nur ein historisches Thema, sondern auch ein beklemmend aktuelles. Im Grunde auch für diejenigen, die aktuell davon betroffen sind, denn unser Stiftungsauftrag ist es ja auch, dazu beizutragen, Flucht und Vertreibung weltweit zu ächten.
Führer: Es wurde ja nun so viel über Konzept und Ausrichtung gestritten. Jetzt haben Sie schon einen Aspekt genannt, aber was ist genau das Ziel und das Konzept dieses Dokumentationszentrums?
Kittel: Also, zunächst wird es in der ganzen Stiftungsarbeit und ganz speziell aber natürlich auch in der Dauerausstellung, die ja jetzt erst mal auch das ist, was uns in der Vorbereitung am meisten Arbeit macht, darum gehen, die ganze Geschichte der Gewaltmigration in Europa im 20. Jahrhundert darzustellen. Wobei auch klar ist, Ausgangspunkt der Debatte in Deutschland war nun mal eben auch Flucht und Vertreibung von 14 Millionen Deutschen. Und das wird eingebettet in die Geschichte der Gewaltmigration im ganzen 20. Jahrhundert.
Das ist wichtig, weil wichtige geistige Vorläufer, wenn man so will, von Vertreibungsideen schon sehr früh, vor dem Ersten Weltkrieg entstanden sind im Zuge dieser Ideologie eines ethnisch homogenen, in Anführungszeichen "reinen" Nationalstaats ja auch eben auf dem Balkan vor allem im Zuge des Zurückdrängens des Osmanischen Reiches sind ja schon eine halbe Million Balkan-Muslime vertrieben worden.
Und dann auch während des Ersten Weltkrieges, der von Historikern als Katalysator sogenannter ethnischer Säuberungen heute auch bezeichnet wird, ist das Rad etwas weiter gedreht worden. Und dann vor allem auch mit dem Vertrag von Lausanne, der ja nach dem Ersten Weltkrieg den sogenannten griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch regelte. Und leider damit auch schon eine Präzedenz in gewisser Weise geschaffen hat, auch von den demokratischen Mächten damals auch akzeptiert. Dass man Minderheitenprobleme oder Nationalitätenkonflikt eben lösen kann, indem man sozusagen tabula rasa macht.
Führer: Aber Herr Kittel, Sie machen da jetzt so eine Reihe auf, da könnte man sagen, okay, Vertreibung gab es schon immer, hier und da und dort, und da fangen Sie sich ja doch sehr schnell wieder den Vorwurf ein, der ja Ihrem Projekt von Anfang an gemacht wurde, dass Sie jetzt hier aus den Tätern Opfer machen. Also für die Flucht und die Vertreibung der Deutschen gab es ja Ursachen, und die liegen ja doch nun ziemlich eindeutig in der Politik Deutschlands. Das ist ja nicht einfach so über sie gekommen.
Kittel: Das ist auch völlig unbestritten, das wird sozusagen in der Konzeption – ich hatte jetzt sozusagen den ersteren Teil der Konzeption jetzt erst mal Ihnen erläutert. Es wird aber dann, da wo es um Flucht und Vertreibung der Deutschen geht, das sehr klar in den Kontext der nationalsozialistischen Vernichtungs- und Expansionspolitik eingeordnet, die vom Dritten Reich sehr systematisch dann ab 1933 und dann vor allem ab '38 ja in die Wege geleitet wurde.
Das ist völlig unstrittig und auch in der Konzeption entsprechend dokumentiert, dass sozusagen Hitler dann die Büchse der Pandora geöffnet hat. Und das Instrumentarium von Vertreibungen, was es eben vorher im besagten Maßstab so auf dem Balkan und im griechisch-türkischen Bereich gab, sozusagen mitten nach Europa hinein geholt hat. Und ja auch schon mit Plänen von Generalplan Ost, wo sozusagen Dutzende Millionen Menschen in Osteuropa dann eben auch entwurzelt worden wären. Und eben nicht nur Pläne, sondern teilweise, einiges davon ist ja durchaus auch bereits umgesetzt worden. Zamoœæ beispielsweise, eine Region in Polen, die da dem zum Opfer gefallen ist. Und auch etwa viele Hunderttausende Polen sind ja gleich 1939/40 dann auch Opfer von Vertreibung geworden. Also das wird alles dann im Kapitel Zweiter Weltkrieg selbstverständlich entsprechend dokumentiert.
Aber vorher ist eben wichtig, sozusagen die Gesamtgeschichte, wenn man das Thema sozusagen eben auch gesamteuropäisch, und das war Konsens in den Gremien der Stiftung, auch gesamteuropäisch darstellt, beginnend ab dem frühen 20. Jahrhundert, dann kommen eben auch diese anderen Schicksale von anderen Nationen oder Teilen von Völkern, die von Vertreibung betroffen waren, auch mit in den Fokus.
Führer: Aber der Hauptakzent liegt trotzdem auf der Geschichte der Deutschen, das steht ja auch auf der Homepage Ihrer Stiftung. Und ich will mal kurz zitieren den polnischen Historiker Tomasz Szarota, der ja den wissenschaftlichen Beirat Ihrer Stiftung eben im Jahr 2009 verlassen hat. Der zweifelt ja schon den Begriff der Vertreibung an. Er sagt, wenn die Deutschen von Vertriebenen sprechen, dann stelle ich die Frage, wie viele davon waren Flüchtlinge. Und wie viele davon wurden von Russen, Polen oder Tschechen tatsächlich vertrieben. Und er sagt, in Polen wird dieser Begriff Vertreibung sehr, sehr selten verwendet. Man spricht normalerweise von Zwangsaussiedlung oder eben für die Polen, die von den Russen während des Zweiten Weltkrieges in den Osten verfrachtet wurden, spricht man von Deportationen.
Kittel: Also richtig ist, dass der Begriff Vertreibung, also in dem Begriffspaar Flucht und Vertreibung also ein sehr, sehr deutscher Begriff ist, der sich auch so in der Prägung des Begriffes bei uns so eingebürgert hat. Man muss aber dazu auch sagen, und das sehe ich etwas anders als Herr Szarota, dass diese dann zu starke - in Anführungszeichen - "Differenzierung" zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen den realen historischen Vorgängen auch nicht unbedingt gerecht wird. Alldieweil ja nun ganz viele Flüchtlinge, die erst mal vor der Roten Armee überwiegend geflohen sind, vor den Kriegsereignissen, ja dann später gerne wieder in ihre Heimat östlich von Oder und Neiße zurückgegangen wären.
Das war eben dann nicht mehr möglich, das hat man dann ja verhindert. Insofern sind dann auch aus vier Millionen Menschen, die zuerst Flüchtlinge waren, sozusagen im zweiten Schritt dann auch ja Vertriebene geworden, spätestens ab dem Zeitpunkt, als die Brücken an Oder und Neiße sozusagen für sie dicht waren. Und es gibt ja unzählige Fälle, wo das versucht worden ist, also insofern ... Und was Sie mit dem Begriff, zu dem Begriff noch mal meinten, muss man zwischenzeitlich ja schon auch darauf hinweisen, dass auch in der polnischen Debatte durchaus der Begriff Vertreibung, Vertriebene, der lange, da haben Sie völlig recht, jahrzehntelang sozusagen nur mit ganz, ganz spitzen Fingern ...
Führer: Ja, wie in der DDR ja auch ...
Kittel: Genau, der jetzt durchaus auch. Es gibt einen neueren Atlas zur Vertreibung und Zwangsmigration, der den Begriff Vertreibung durchaus auch auf Polnisch benutzt. Also, auch da ist einiges im Fluss.
Führer: Herr Kittel, eine Frage möchte ich zum Schluss gerne noch schnell loswerden, bitte Sie um eine kurze Antwort. Denn die Geschichte, also die Gründung Ihrer Stiftung geht ja, und auch das Dokumentationszentrum geht ja im Grunde genommen auf die Initiative von Erika Steinbach zurück, also der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Die musste ja, wir haben es gehört im Beitrag von Stephanie Rohde, auf ihren Sitz im Stiftungsrat verzichten und hat wirklich ja nicht versöhnend gewirkt, also wie der Auftrag der Stiftung ja lautet. Wie ist Ihr Verhältnis heute zu Erika Steinbach?
Kittel: Also Erika Steinbach hat ja auch gestern in einer Presseerklärung ihres Verbandes sich noch mal geäußert zu dem heutigen Bau und hat da selbst noch mal drauf hingewiesen, dass zusammen mit ihr Peter Glotz, der zwischenzeitlich verstorbene ...
Führer: Herr Kittel, aber wie ist denn Ihr Verhältnis heute zu Frau Steinbach?
Kittel: Wir kooperieren hier natürlich jetzt nicht in den Stiftungsgremien, da sitzt Frau Steinbach ja nicht, da sitzen sechs ihrer Mitarbeiter. Aber wir haben – man sieht sich ja immer wieder auch bei Veranstaltungen auch in den nächsten Tagen, ein gutes, entspanntes Arbeitsverhältnis. Weil wir natürlich mit dem Bund der Vertriebenen auch immer wieder wegen Objekten für die Dauerausstellung und anderen Dingen in Zusammenarbeit sind. Aber es wird nicht, wenn Sie das, ich weiß nicht, vielleicht vermuten mit Ihrer Frage, irgendwie der Versuch unternommen, der Stiftung jetzt irgendwie da hineinzureden.
Führer: Nein, ich vermutete gar nichts, ich wollte es wirklich, ganz offen, nur wissen. Herr Kittel, leider ist unsere Zeit um. Ich danke Ihnen für das Gespräch. Manfred Kittel ist der Direktor der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, und heute wurde der Baubeginn des Dokumentationszentrums vollzogen. Danke schön, tschüs!
Kittel: Ich danke Ihnen für das Gespräch, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.