Ein Handelsvertreter namens Holländer
Dortmunds Oper braucht einen Neuanfang. Am Ende der vergangenen Saison war die Platzauslastung auf unter 50 Prozent gesackt. Die mitten in der Spielzeit geschiedene Intendantin Christine Mielitz hinterließ ein auseinanderfallendes Ensemble und ein Haus, das trotz großer Tradition nur noch Desinteresse auslöste.
Die Hoffnungen ruhen auf dem neuen Chef Jens-Daniel Herzog, der in Zürich und München erfolgreich Oper inszeniert und am Nationaltheater Mannheim einige Jahre das Schauspiel geleitet hat. Doch Herzog startete mit einer wirren und mutlosen Inszenierung des "Fliegenden Holländer" von Richard Wagner.
Herzog verlegt die Handlung in eine seltsam piefige Fünfziger-Jahre-Welt. Der erste Akt spielt nicht auf See, sondern im Büro von Dalands Firma, die kurz vorm wirtschaftlichen Kentern ist. Der Holländer tritt auf wie ein Handelsvertreter. Sein erster Satz "Die Frist ist um" könnte auch auf eine unbezahlte Rechnung verweisen. Warum der Steuermann so ängstlich vor ihm flieht, wieso zwischen den Akten ein Messer steckt, wofür ein Büro überhaupt einen Steuermann braucht – solche Fragen sollte man sich besser nicht stellen.
Erst recht nicht, weshalb der zweite Akt in einem Frisiersalon spielt und Frauen in blauen Putzfrauenkitteln vom Spinnen singen. Es mag ja alles angehen, wenn das Regieteam halt so Einfälle hat, die nichts mit dem Stück zu tun haben. Wenn wenigstens Atmosphäre und Gefühl stimmen würden. Doch davon liefert Jens-Daniel Herzog ebenfalls nichts. Andreas Macco steht die zweieinhalb pausenlosen Stunden steif in der Gegend herum, als habe er einen Mast verschluckt. Dieser Holländer hat mit all dem Gewese um ihn herum überhaupt nichts zu tun und singt die Rolle ohne Schwärze und Dämonie auf einem Ton souverän herunter.
Jens-Daniel Herzog hat ein junges Ensemble mit nach Dortmund gebracht, das zum Teil Potenzial erkennen lässt. Vor allem Christiane Kohl überzeugt mit strahlendem Sopran als Senta, die sich ganz ihren Träumen hingibt. Was dazu führt, dass sie dem hemmungslos in sie verknallten Jäger übel mitspielt, ihm Hoffnungen macht und bitter enttäuscht. Wobei man nicht wirklich Mitleid haben kann mit dem kleinen Mann, der auf Frustration mit Gewalt reagiert und mit aller Lungenkraft gegen das laute Orchester anschreit.
Dirigent Jac van Steen, Dortmunds Generalmusikdirektor, muss in zwei Jahren gehen. Sein Vertrag wurde nicht verlängert, weil das Orchester die Zahl seiner Konzerte mangels Publikumsinteresse verringern musste und der Holländer nicht als Opernfachmann gilt. Van Steen scheint seine Kritiker in Grund und Boden dirigieren zu wollen, lässt es hemmungslos krachen und vernachlässigt die Zwischentöne.
Im dritten Akt, der in einer Kneipe spielt, soll es doch noch gruselig werden. Bevor der Chor der Geistermatrosen anhebt, explodiert die Jukebox, es gibt Nebel und buntes Licht. Doch das alles wirkt so harmlos, putzig und niedlich wie die gesamte Inszenierung. Das Publikum jubelte, aber ob dieser "Holländer" der Oper Dortmund eine bessere Zukunft bringt, wird sich erst im Repertoirebetrieb zeigen.
Jens-Daniel Herzog hat nichts Zeitgenössisches angesetzt, nur eine Rarität von Berthold Goldschmidt am Ende der Saison. Er will die Zuschauer mit bekannten Klassikern wieder zurück in die Oper holen, mit der "Lustigen Witwe" und "La Bohéme", mit "Norma" und dem Musical "Ganz oder gar nicht". Doch mit einem ähnlichen Spielplan ist auch Christine Mielitz gescheitert. Die Oper Dortmund braucht ein klares Gesicht, keine Verwechselbarkeit, ein starkes Ensemble, eine Verankerung in der Stadt. Jens-Daniel Herzog hat das begriffen, aber noch nicht umgesetzt. Er hat noch Zeit.
Theater Dortmund: "Der fliegende Holländer"
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Erst recht nicht, weshalb der zweite Akt in einem Frisiersalon spielt und Frauen in blauen Putzfrauenkitteln vom Spinnen singen. Es mag ja alles angehen, wenn das Regieteam halt so Einfälle hat, die nichts mit dem Stück zu tun haben. Wenn wenigstens Atmosphäre und Gefühl stimmen würden. Doch davon liefert Jens-Daniel Herzog ebenfalls nichts. Andreas Macco steht die zweieinhalb pausenlosen Stunden steif in der Gegend herum, als habe er einen Mast verschluckt. Dieser Holländer hat mit all dem Gewese um ihn herum überhaupt nichts zu tun und singt die Rolle ohne Schwärze und Dämonie auf einem Ton souverän herunter.
Jens-Daniel Herzog hat ein junges Ensemble mit nach Dortmund gebracht, das zum Teil Potenzial erkennen lässt. Vor allem Christiane Kohl überzeugt mit strahlendem Sopran als Senta, die sich ganz ihren Träumen hingibt. Was dazu führt, dass sie dem hemmungslos in sie verknallten Jäger übel mitspielt, ihm Hoffnungen macht und bitter enttäuscht. Wobei man nicht wirklich Mitleid haben kann mit dem kleinen Mann, der auf Frustration mit Gewalt reagiert und mit aller Lungenkraft gegen das laute Orchester anschreit.
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Im dritten Akt, der in einer Kneipe spielt, soll es doch noch gruselig werden. Bevor der Chor der Geistermatrosen anhebt, explodiert die Jukebox, es gibt Nebel und buntes Licht. Doch das alles wirkt so harmlos, putzig und niedlich wie die gesamte Inszenierung. Das Publikum jubelte, aber ob dieser "Holländer" der Oper Dortmund eine bessere Zukunft bringt, wird sich erst im Repertoirebetrieb zeigen.
Jens-Daniel Herzog hat nichts Zeitgenössisches angesetzt, nur eine Rarität von Berthold Goldschmidt am Ende der Saison. Er will die Zuschauer mit bekannten Klassikern wieder zurück in die Oper holen, mit der "Lustigen Witwe" und "La Bohéme", mit "Norma" und dem Musical "Ganz oder gar nicht". Doch mit einem ähnlichen Spielplan ist auch Christine Mielitz gescheitert. Die Oper Dortmund braucht ein klares Gesicht, keine Verwechselbarkeit, ein starkes Ensemble, eine Verankerung in der Stadt. Jens-Daniel Herzog hat das begriffen, aber noch nicht umgesetzt. Er hat noch Zeit.
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