Ein Haus für einen Euro

Von Silvia Plahl |
Die einen sprechen von "Gutsherren-Mentalität" und befürchten ein "Ghetto" - der zugereiste Pfarrer glaubt, dass die beiden Brüder das Herz am richtigen Fleck haben... Die Brüder Karl und Jakob Immler, seit über 30 Jahren in der Immobilienbranche tätig, wollen der Kleinstadt Isny im Allgäu eine Siedlung mit kinderreichen Familien vermachen.
Sie planen über die nächsten 15 Jahre 50 Einfamilienhäuser à 200 Quadratmeter: Für deutsche Staatsbürger, die seit drei Jahren im Luftkurort Isny leben, verheiratet sind, mindestens vier Kinder haben, sich jeden Monat 20 Stunden ehrenamtlich engagieren und zwei Senioren mit einziehen lassen. Dieses Dasein à la Immler kostet dann einen Euro Miete im Monat. Die Brüder gründeten die "Stiftung Groß-Familie" und wollen ihr Projekt wissenschaftlich begleiten lassen. Isnys parteiloser Bürgermeister denkt an die Arbeitsplätze und weiß aus eigener Erfahrung: Wer das Geld der Immlers will, muss sich an ihre Bedingungen halten: Als sie der Stadt eine Realschule vorfinanzierten, wollten die Mäzene als Gegenleistung, dass jedes Jahr ein "Neidhammelfest" gefeiert wird. Lehrer und Eltern weigerten sich, also weigerten sich auch die Brüder, einen neuen Anbau zu sponsern.

Es ist Mittagszeit. In der Kleinstadt Isny im Allgäu läuten die Kirchenglocken. Die Cafés in der Fußgängerzone füllen sich. Schulkinder eilen nach Hause. Vom Kindergarten am Schloßgraben holen Mütter ihren Nachwuchs zum Mittagessen ab. Vom Angebot der Gebrüder Immler haben sie in der Zeitung gelesen.

Frau: "Man lebt ja heut gern mit Großeltern zsamm. Jeder in seiner eigenen Wohnung oder Haus. I find’s scho toll. Wie früher halt. Da hant die au unter einem Dach glebt. I würd so was machen. Doch. Weil die meisten ja heut weniger Kinder wahrscheinlich deswegen auch haben. Weil sie nix finden. Oder weil die Mütter nicht mehr zum Arbeiten können, weil die Kinder net versorgt sind. Bei uns ins Ländliche passt’s. Obwohl des sollt man auch in der Großstadt machen. Aber da fängt man vielleicht an, im Ländlichen. "

Isny ist ein Luftkurort im schwäbischen Alpenvorland mit 14.000 Einwohnern. Zwei Söhne der Stadt wollen von hier aus den deutschen Sozialstaat restaurieren. Die Brüder Karl und Jakob Immler - Millionäre in der Immobilienbranche - planen 50 Häuser für Großfamilien. Die Hausbewohner sollen aus Isny sein, mindestens vier Kinder haben und mit zwei Senioren zusammenziehen.

Frau: "Man kennt’s ja von den Bauern von früher, wo ja auch mehrere Generationen unter einem Dach gelebt haben. Nun haben wir in Isny direkt nicht so viel Bauern, aber ich denk, dass das keine schlechte Idee ist. Prinzipiell. Nicht nur für Isny, sondern zum Beispiel auch für Berlin. "

Frau: "Aber die Konditionen, die weiß i net ganz genau. I weiß nur, dass es mit sozialen Leistungen als Gegenleistung glaub zu tun hat. "

Das Angebot der Immlers - Die Familie bewohnt für einen Euro Miete im Monat ein neues Heim mit Garten und übernimmt ein Ehrenamt.

Frau: "Gebrüder Immler haben so viel Kohle, sag ich jetzt einfach mal, dass man sich da nicht abhängig fühlen muss. Sie engagieren sich ja vielfach sozial hier im Isnyer Raum und auch ein bisschen außerhalb von Isny. Da trifft’s auch keine Armen. "

Frau: "Teilweise, ja ist’s natürlich immer bissl provokativ, und ich hab das Gefühl, teilweise ist es so unter dem Deckmäntelchen des Sozialen. Was se machen. Aber - es kann die Stadt nur beleben, so gesehen. (schmunzelt) "

Im Isnyer Gewerbegebiet steht inmitten von Lagerhallen und Baumärkten ein großes weißes Haus mit Gaubenfenstern. Hier residieren Karl und Jakob Immler im ersten Stock.

Sie teilen sich einen engen Büroraum unter schrägen Wänden. Zwei große Schreibtische stehen sich gegenüber.

Nebenan haben sich Immlers unter dem Dach einen Konferenzraum eingerichtet. In der Mitte ein ovaler Holztisch aus Nußbaum, schwergewichtig wie die beiden Brüder selbst.

Jakob Immler: "Wie vieles bei uns hat des halt auch Symbolik. Wenn Sie den Tisch anschauen, hat der zwei sehr massive Füße. Des sind die Brüder Karl und Jakob Immler. Dann diese Tischplatte, auf der einmal das Wappen der Familie Immler und das Wappen der Familie Rupf, von der Mutter Seite her drauf isch. Das ist alles Tradition. Und dann die Wappen in all diesen Städten, in denen wir arbeiten. "

35 Wappenintarsien säumen die Tischplatte. Karl - 57 Jahre alt, ein Diplombetriebswirt - und Jakob - 55 Jahre, ein Bankkaufmann - haben 1973 ihre Firma gegründet. Sie haben Reihenhäuser gebaut, Mietshäuser saniert, haben Konkursobjekte abgewickelt und bauen seit einigen Jahren fast nur noch Fachmärkte im süddeutschen Raum. Über fünfzig Angestellte werden von ihnen beschäftigt. Die Gebrüder Immler sind Mäzene der Stadt Isny.

Jakob Immler: "Des hört sich so an wie ein Industrieboss, der auf einem Stuhl hoch sitzt. Und dann müssen die da kommen und betteln. Und dann gibt der Herr Krupp. So sehen wir uns it. Wir sind Bürger dieser Stadt. Es geht uns gut, wir ham Erfolg g’habt. Und sind deshalb auch bereit, von dem was wir Erfolg hatten, etwas abzugeben. "

Die beiden schweren Männer sind heimatverbunden, bodenständig, katholisch und kritisch. Sie tragen Vollbärte und teuren Loden. Sie haben die Junge Union am Ort mit gegründet, sind später aus der CDU wieder ausgetreten. Nun sitzen sie am Konferenztisch in kurzärmeligen Poloshirts, der eine in Hellblau, der andere in Orange. Karl und Jakob Immler sind keine stillen Gönner, sie mischen sich ein.

Jakob Immler: "Mir sehen halt Probleme, und dann kann man dran verzweifeln. Oder man kann versuchen, sie zu lösen. "

In der Isnyer Altstadt trägt so manches historische Gebäude die Handschrift der Immlers. Finanzieren sie eine Sanierung, lassen sie sich dabei nicht dreinreden. Farben und Fenstergrößen bestimmen sie als Sponsoren. So viel Eigenmächtigkeit brüskiert Verwaltung und Gemeinderat. Es gab oft Streit, und zahlreiche Gerichtsverhandlungen.

Karl Immler: "Natürlich hätten die gerne, dass ich ihne an unbeschränkten Scheck gebe und sage: Macht irgendetwas. Aber ich kann nicht Leute Geld geben, die nachweislich ... keine Perspektiven haben. "

Jakob Immler: "Jeder, wie er Talente hat! Talente sind halt unterschiedlich verteilt - aber wenn alle zsamme tunt, kommt zum Schluss a schönes Bild raus. "

Karl Immler: "Ein SPDler kann nicht für ein Projekt von einem CDUler sein. Solche Dinge sind leider auch bei uns des öfteren zu spüren und des ist etwas bedauerlich. Da kämpf mer eigentlich dagege. "

Jakob Immler: "Für uns isch entscheidend: Da vorne isch des Ziel, und da müss mer hin. "

Stur, mit Biss und Rotstift arbeiten die beiden Allgäuer an jedem Projekt. Nun haben sie ganz Deutschland im Visier: Die Immlers wollen nicht länger zusehen, wie dem Sozialstaat der Boden wegbricht. Es fehlen Kinder. Und das soziale Nest: Die Familien. Also muss man in die investieren. Heiligabend im Jahre 2004 gingen Karl und Jakob Immler zum Notar und gründeten eine Stiftung mit 13 Millionen Euro Startkapital. Diese ersten Millionen sollen der Grundstock sein für die 50 neuen Häuser. Kurze Zeit später präsentierten die Brüder die Idee dem Gemeinderat. Sie stellten klar: Stimmt die Stadt zu, wird in Isny gebaut. Ansonsten anderswo. Die entmündigten Räte - CDU und Freie Wähler mit absoluter Mehrheit, SPD in der Opposition - sagten eine wohlwollende Prüfung zu.

Pfarrer Matthäus Karrer empfängt in seinem Gemeindehaus. Er ist einer der wenigen in Isny, der bereit ist, sich öffentlich zum "Phänomen Immler" zu äußern. Die Politiker hüllen sich in Schweigen.

Pfarrer: "Die bösen Buben würd ich nicht parteipolitisch markieren. Einfach in der Situation, in der Außendarstellung kann ich mir da schon vorstellen, dass sich manche da schwer tun, ne gute Position zu finden. "

Der Pfarrer sieht die Volksvertreter in der Bredouille stecken.

Pfarrer: "Wie gehen wir mit einer solchen sehr innovativen Anfrage um. Entweder ich geh wieder auf den Konfrontationskurs. Dann geht die Vorgeschichte so weiter, wie’s bisher war. Oder ich begrüß’ es jetzt voll und ganz. Dann heißt es: ja, jetzt isch die Stadt eingeknickt gegenüber den Immlern. "

Die Stadt ist nicht eingeknickt, sondern hat ausnahmsweise ein Thema mal zügig behandelt, findet der katholische Geistliche. Mattäus Karrer ist 36 und selbst ein Kind der Region. Die Brüder Karl und Jakob sieht er als Menschen mit Herz und Gemüt. Die Schwierigkeiten der Politiker mit Immlers‘ Aktionen erklärt der Pfarrer aus der Stadtgeschichte heraus. Waren die Isnyer doch schon vor Jahrhunderten auf ein Gleichgewicht der Kräfte bedacht. Zunächst konfessionell, später wirtschaftlich.

Pfarrer: "Also war immer so die Leitlinie im großen Teil der Bevölkerung: Es gibt bei uns niemand, der uns bestimmen kann. Davor haben glaube ich viele jetzt Angst, wenn wir hier Unternehmerpersönlichkeiten haben, die es in der Stadt schon immer gegeben hat, die aber sehr dezidiert und klar hier in Isny ihre Vorstellungen zu verwirklichen versuchen. Und auch das nötige Geld dazu haben. "

Bei Taufgesprächen erfuhr Matthäus Karrer vom Interesse junger Familien am Projekt der Immlers. Er als Katholik findet die Idee sowieso gut. Großfamilie und Kitas für unter Dreijährige und Ganztagsschule müssen sich aber ergänzen, betont er. - Von zahlreichen Anrufen im Büro berichten auch die Immlers. Interessenten und Bewerber hätten sich gemeldet. Ihre Namen werden jedoch nicht notiert. Die sollen sich keine falschen Hoffnungen machen, sagen die Brüder. Denn noch haben die Investoren kein Grundstück für die Siedlung parat. Eine 50.000 Quadratmeter große Fläche soll es sein.
Bürgermeister: "Das liegt zwischen Stadt und Industriegebiet... "

Bürgermeister Manfred Behrning schlägt den Stadtplan auf.

Bürgermeister: "Auf der Schiene liegt das Industriegebiet und da geht’s um diese Fläche hier, die eigentlich einen guten Bezug hat. Und auch im Flächennutzungsplan ausgewiesen ist als Wohngebiet. Im Anschluss an das bestehende Wohngebiet. "

Hier kann sich Isnys Bürgermeister die Immler-Siedlung gut vorstellen. Ein Drittel des Areals gehört bereits zur Hälfte der Familie, zur Hälfte der Stadt. Mit einem Drittel könnte man doch anfangen, meint Behrning. Er findet, diese 50 Häuser stünden Isny gut zu Gesicht.

Bürgermeister: "Wir haben relativ starken Industriebesatz, mit nem Lohnniveau, das nicht an der Spitze liegt. Das sind Industrien im Mittellevel. Und von daher isch das für eine bestimmte Bürgerschaft mit Sicherheit ein Angebot, das angenommen wird. "

2800 von 14.000 Einwohnern arbeiten in Isnys kleinem Industriesektor, darunter viele junge Leute. Deutschland ältester Wohnwagenbauer ist der größte Arbeitgeber, es folgt ein Gardinenstangen- und Rollohersteller. Eine Druckerei, eine Firma für medizinische-Reha-Geräte - Betriebe, die gut laufen, sagt der Bürgermeister.

Bürgermeister: "Wir hatten früher von den Firmen teilweise Betriebswohnungen, die das kompensiert haben, die das Lohnniveau kompensiert haben. Das leisten die Firmen nicht mehr. "

Manfred Behrning ist parteilos und seit 13 Jahren das Oberhaupt der Stadt. Er weiß: Das Wohnmodell der Gebrüder Immler wird Arbeitnehmer nach Isny bringen. Arbeitnehmer stützen den wirtschaftlichen Aufschwung. Behrning muss mit den Immlers kooperieren.

Bürgermeister: "Dieses Angebot ist für die Stadt, das Zusammenarbeitsangebot ist für die Stadt von so tragender Bedeutung, dass das natürlich aufgenommen sein muss. Sie haben mitgeholfen, das war der größte Schub, die Realschule auf den Weg zu bringen. Sie stellen uns das Gebäude für das Heimatmuseum - seit Jahren schon - kostenlos zur Verfügung. Es gibt gestiftete Brunnen - Des isch herausragend, was dort an Unterstützung für die Stadt läuft. "

Die Immlers haben den 60-Jährigen allerdings auch schon manchen Schweißtropfen gekostet. Das Desaster um die neue Realschule zum Beispiel ist immer noch nicht ausgestanden. Karl und Jakob Immler hatten der Stadt den Bau zinslos vorfinanziert und wollten im Gegenzug, dass die Schule jedes Jahr ein so genanntes "Neid-hammelfest" veranstaltet. Damit die Isnyer mal über ihre Missgunst nachdenken.

Bürgermeister: "Da wird immer etwas hingekuckt. Die haben furchtbar viel Geld. Und die Gebrüder Immler empfinden diese Anspielungen als Neidkomplex. Und das isch ein Thema für sie. "

Eltern und Lehrer haben sich dem Fest zunächst verweigert. Die Brüder drehten prompt den Geldhahn für einen Erweiterungsbau ab. Könnte man nicht doch eine Projektwoche zum Thema Neid veranstalten? - Manfred Behrning versucht zu vermitteln.

Bürgermeister: "Des isch die Aufgabe des Bürgermeisters. "

Einstweilen machen Karl und Jakob ihr Vorhaben überregional bekannt. Sie sitzen in Talkrunden und geben fleißig Interviews. Es gilt, die Republik jetzt aufzurütteln. Ein schlichtes Edelstahlschild am Eingang zum Firmenbüro weist die Richtung: "Immler Großfamilienstiftung - Lebensfreude im Familienverbund".

Jakob Immler: "In diesem Modell sollen die Kinder in die Schule gehen. Oma, Opa ischt zu Hause, wenn die Kinder heim kommen, hat die Oma Mittagessen gkocht, dann geht die mit denen auf den Spielplatz oder guckt nach de Hausaufgabe. Papa und Mama könne zum Schaffe gange. "

Vom Ideal der intakten Großfamilie erzählen die beiden Männer, wenn sie von der eigenen Kindheit sprechen. Sie waren sieben Geschwister auf einem Bauernhof. Das Idyll von damals ist Vergangenheit. Die Brüder wollen es reaktivieren.

Jakob Immler: "Es isch Pflicht, dass er vier Kinder hat. … Wir möchten, dass mehr Kinder sind. Für das ledige Mädle, die schwanger wird, für die gibt’s ja Programme. Es gibt, für alle Randgruppen gibt’s Programme! Bloß für den ganz normalen Arbeiter, der als Mechaniker oder als Maurer oder am Fließband arbeitet, für den tut niemand was. Wen der wirklich sagt: Ich will vier Kinder, dann macht der einen sozialen Abstieg! "

Im Stiftungsvertrag sind die Klauseln für das Ein-Euro-Haus der Immlers festgeschrieben: Wohnort, Kinderzahl, Generationenpakt. Und jeden Monat 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Die Gegenleistung.

Jakob Immler: "Es kann im Kirchenchor oder im Hasenzuchtverein sein. Es kann im Museum oder in der Partei sein. Des isch mir vollkommen egal. Ich möchte nur erreichen, dass jemand was bekommt und es wieder der Gemeinschaft zurückgibt. Ich möcht erreichen, dass man wieder über diese Werte nachdenkt. In jedem Verein wird gjammert, dass ma niemand mer haben. "

Karl Immler: "Wenn jemand sagt: Das ist furchtbar! Dann muss i sagen: Du bischt ein furchtbarer Bürger! Du bist zu faul und zu feige, dich in diesem Staat zu engagieren. "

Vorbild der Familienstiftung ist die Fuggerei in Augsburg. Sie gilt als die älteste Sozialsiedlung der Welt. "Beim Fugger", sagt Karl Immler, "mussten die Bewohner jeden Tag drei Gebete für ihn sprechen. Bei mir können sie das gerne auch tun. Aber wir verlangen nichts für uns."

Jakob Immler: "Wenn er die Kriterien nicht mehr einhält - Angenommen, die Großeltern sterben, damit sind sie nicht mehr da. Jetzt hat er die Möglichkeit, entweder er nimmt andere Senioren auf, dann kann er weiterhin bleiben. Wenn nicht, muss er ausziehen. Wir haben eine Bedingung vom Finanzamt, deshalb ist es eine mildtätige Stiftung, die steuerfrei isch mit ihren Einnahmen… Und dafür aber müssen diese Bedingungen eingehalten werden. Jetzt wird natürlich gsagt, des sei ja ungerecht. Aber was isch ungerecht. Wenn I jemand a Jahr lang jeden Monat tausend Mark schenk. Bin I dann verpflichtet, dass I dann im nächschten Jahr des au mache? Und isch es dann ungerecht, dass er im dreizehnte Monat des nicht mehr kriegt? Des isch a Frage! Bei uns hat keiner einen Rechtsanspruch drauf, dass er des Haus erhält. "

Was passiert bei einem Jobverlust? Was ist, wenn die Kinder nach der Ausbildung oder dem Studium aus dem Haus gehen?

Jakob Immler: "Diese Bedenken, die viele haben. Das Modell, des isch schön und gut, aber welche Probleme kommen da, welche Probleme... Wir wissen auch jetzt schon, dass es Probleme gibt. Aber dann lösen mer die Probleme, wenn se da sind. Des wer mer dann learning by doing - wir werden’s dann scho hinbringen. "

Diese hemdsärmelige Art stört in Isny vor allem die Zugezogenen. Viele von ihnen arbeiten in sozialen Berufen und sympathisieren mit der SPD. Deren Gremien haben allerdings entschieden, das "Projekt Großfamilie" nicht zu kommentieren. Weil sie der Sache Erfolg wünschen. Weil alle Beteiligten davon profitieren. Auf der Homepage des SPD-Ortsvereins jedoch schlagen die emotionalen Wellen hoch. Die einen entrüsten sich über die "Gutsherren-Mentalität" der Gebrüder. Die anderen befürchten ein "Großfamilien-Ghetto", ein Isnyland wie Disneyland. Wieder andere brandmarken, dass die Immlers doch nur Steuern sparen und ein riesiges Grundstück erwerben wollen, dass sich 50 Häuser dieser Art gar nicht realisieren lassen. Auswärtige melden sich zu Wort und wundern sich über die Zustände in dem Allgäuer Städtchen. Isnys SPD-Chef Hans Jürgen Schmid reihte sich ein, mit seiner persönlichen Meinung. Zitat:

SPD: "Mit der Stiftung verbinden deren "Väter" bestimmte konservative Werte. (...) Diese Wertediskussion ist von entscheidender Bedeutung für uns alle (...) Umso wichtiger ist, dass die Diskussion auch mit einer breiten öffentlichen Beteiligung geführt wird. (...) Eine Selbstverpflichtung des Gemeinderats zur Nicht-Einmischung kann es unter den gegebenen Voraussetzungen nicht geben. (...) Es ist außerdem nicht hilfreich, eine Drohkulisse aufzubauen nach dem Motto, wer uns nicht vorbehaltlos unterstützt, ist gegen das Projekt, um es dann woanders zu realisieren. "

Bis Ende 2005 wollen die Gebrüder Immler die Grundstücksfrage geklärt haben. Sonst investieren sie nicht in Isny. Andere Gemeinden hätten sich schon gemeldet. Fünf aus dem Umkreis, eine aus dem Emsland. Aber das ist ihnen zu weit weg, die Brüder wollen heimatnah bleiben. Wenn man ihnen wohl gesonnen ist. Die eigenen Geschäfte haben sie bereits verlegt.

Karl Immler: "Wenn sich da in Isny was ändert, dann kommen wir gerne wieder mehr zurück. Aber derzeit sind wir halt zu zehn Prozent in Isny und neunzig Prozent außerhalb. "

Die Sponsoren rechnen vor: Wenn alle Häuser stehen, jedes individuell geplant und gebaut, wenn die Leute zufrieden da wohnen, einen Sportplatz in der Mitte, eine Turnhalle, ein Kindergarten. Dann fallen die Betreuungskosten für die Kinder weg, ebenso die Pflegeheimkosten für die Großeltern. Der Staat muss nicht mehr zuzahlen, weil sich die Familien finanziell nicht übernehmen.

Jakob Immler: "Wir würden uns am meisten freuen, wenn wir Nachahmer finden würden, wenn wir ein Sauerteig wären. Wenn in Hamburg und in Rostock und in Flensburg und in Berlin und in Nürnberg und in Essen jemand wär - es gibt Leute, die sind viel, viel reicher wie wir. Wenn die sagen, anstatt a Million von der Seite auf die andere zu beugen, wenn die sagen, i bau au so a Siedlung, oder bloß oi oinzigs Haus macht und sagt, da hilf ich jetzt meiner Gemeinde. "

Karl und Jakob Immler stellen laufend nächste Weichen. Diplomanden der Pädagogischen Hochschule Weingarten sollen erforschen: Was ist gemeinschaftsstiftend? Früher im Dorf waren es ein Waschhaus, ein Backhaus, was könnte es heute, in einer Großfamiliensiedlung sein? Eine Ideenfindung mit den Isnyer Bürgern steht an, ein Architektenwettbewerb wird ausgeschrieben. Auf 30 Millionen wollen die Immlers das Stiftungsgeld in den nächsten 15 Jahren aufstocken. Das Erbe der Kinder - drei von Karl, zwei von Jakob - wird kleiner ausfallen. Mit ihrer Zustimmung. Sie sollen die Großfamilienstiftung à la Immler weiterführen.

Pfarrer: "Isny wäre dumm, wenn sie die Gebrüder Immler nicht auch in ihre Projekte integrieren würde, nicht auch die finanziellen Möglichkeiten nützen würde. "

Bürgermeister: "Das wird sich so realisieren lassen. Also von unserer Seite, aus der politischen Seite seh ich kein Problem. "

Frau: "Man kann sich des noch gar nicht richtig vorstelle, im Ganzen. Aber wenn da mal der Rohbau fertig isch, und dann gfällt einem des, warum it? Also i find’s a super Sache. "

Frau: "Man muss halt, ja, die Voraussetzungen erfüllen, aber dann denk ich, kann man das auch mit gutem Gewissen wahrnehmen. Also da hätt ich jetzt kein Problem mit. "