Ein Herz für den Euro
In "Europas unvollendete Währung" verlässt der renommierte Ökonom Thomas Mayer die üblichen Pfade und sammelt Argumente für eine funktionierende Währungsunion. So liefert er - trotz aller rationaler volkswirtschaftlicher Bedenken - ein engagiertes Plädoyer für den Euro ab.
Es gibt Bücher, die man am liebsten von hinten lesen würde. Zu ihnen gehört das Sachbuch von Thomas Mayer.
Wie geht es weiter mit dem Euro? So lautet der Untertitel. Und genau das will man jetzt wissen. Denn die Antworten der politischen Entscheidungsträger darauf sind bisher reichlich unbefriedigend gewesen. So unbefriedigend, dass man mutmaßen muss, sie wüssten es selber nicht.
Wie also würde der renommierte Ökonom die Währungsunion vollenden? Vor allem: Würde er es überhaupt tun? Würde er ihr wirklich noch eine Chance geben?
Ja, das tut er. Im letzten Kapitel seines Buches entwirft er einen Rahmen, in dem der Euro überleben und damit das "historisch einzigartige" Experiment des Währungszusammenschlusses souveräner Staaten doch noch ein Erfolg werden könnte.
"Meiner Ansicht nach kann eine Europäische Währungsunion nur dann funktionieren, wenn sie in eine politische Union nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten Mitte des 19. Jahrhunderts integriert wird."
Mayer fordert hiermit also kein starkes politisches Zentrum, keine europäische Regierung mit üppigen finanziellen Mitteln und umfassender Macht. Schon gar nicht fordert er den Untergang des souveränen Nationalstaates. Dafür ist er zu sehr Realist:
"Die Wahrscheinlichkeit, dass in absehbarer Zeit eine derartige europäische Regierung aus der Eurokrise hervorgehen wird, tendiert nahezu gegen null."
Aber gerade das ist für einen Freigeist kein Grund, die Währungsunion abzuschreiben, so wie es Kritiker seit Jahren tun. Sie verurteilen den Euro zum Scheitern, weil sie die politische Union nicht wollen und einen umfassenden Souveränitätsverzicht der Mitgliedsstaaten ablehnen, der angeblich unvermeidlich wäre. Mayer ist da weniger apodiktisch, konstruktiver – oder sagen wir, alles andere als verbohrt.
"Es müsste eine Föderation souveräner Staaten entstehen, in der zwischenstaatliche Finanztransfers eng begrenzt sind, die Mitgliedsländer voll und ganz für ihre jeweiligen Finanzangelegenheiten verantwortlich sind, die gemeinsame Währung von einer politisch unabhängigen Zentralbank verwaltet wird und Wirtschafts- und Finanzkrisen effektiv bekämpft werden."
Das gibt es natürlich nicht umsonst, sondern zum Preis eines Staatsbankrotts: kein Bail-out, also kein Beistand mehr für insolvente Länder - so wie es derzeit (noch) der Fall ist. Notfalls drohte der Austritt aus der Währungsunion, nicht aber aus der EU als Ganzes.
Zu Mayers neuer Euro-Welt gehören eine wirklich unabhängige Zentralbank, der Europäische Ausschuss für Systemrisiken und ein Europäischer Währungsfonds. Diese neue "Troika" müsste eng abgestimmt arbeiten, die Zentralbank sozusagen einbetten, damit diese nie mehr unter den politischen Druck gerät, Staatsschulden zu monetarisieren – oder anders gesagt, die Notenpresse anzuwerfen.
Wie geht es weiter mit dem Euro? So lautet der Untertitel. Und genau das will man jetzt wissen. Denn die Antworten der politischen Entscheidungsträger darauf sind bisher reichlich unbefriedigend gewesen. So unbefriedigend, dass man mutmaßen muss, sie wüssten es selber nicht.
Wie also würde der renommierte Ökonom die Währungsunion vollenden? Vor allem: Würde er es überhaupt tun? Würde er ihr wirklich noch eine Chance geben?
Ja, das tut er. Im letzten Kapitel seines Buches entwirft er einen Rahmen, in dem der Euro überleben und damit das "historisch einzigartige" Experiment des Währungszusammenschlusses souveräner Staaten doch noch ein Erfolg werden könnte.
"Meiner Ansicht nach kann eine Europäische Währungsunion nur dann funktionieren, wenn sie in eine politische Union nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten Mitte des 19. Jahrhunderts integriert wird."
Mayer fordert hiermit also kein starkes politisches Zentrum, keine europäische Regierung mit üppigen finanziellen Mitteln und umfassender Macht. Schon gar nicht fordert er den Untergang des souveränen Nationalstaates. Dafür ist er zu sehr Realist:
"Die Wahrscheinlichkeit, dass in absehbarer Zeit eine derartige europäische Regierung aus der Eurokrise hervorgehen wird, tendiert nahezu gegen null."
Aber gerade das ist für einen Freigeist kein Grund, die Währungsunion abzuschreiben, so wie es Kritiker seit Jahren tun. Sie verurteilen den Euro zum Scheitern, weil sie die politische Union nicht wollen und einen umfassenden Souveränitätsverzicht der Mitgliedsstaaten ablehnen, der angeblich unvermeidlich wäre. Mayer ist da weniger apodiktisch, konstruktiver – oder sagen wir, alles andere als verbohrt.
"Es müsste eine Föderation souveräner Staaten entstehen, in der zwischenstaatliche Finanztransfers eng begrenzt sind, die Mitgliedsländer voll und ganz für ihre jeweiligen Finanzangelegenheiten verantwortlich sind, die gemeinsame Währung von einer politisch unabhängigen Zentralbank verwaltet wird und Wirtschafts- und Finanzkrisen effektiv bekämpft werden."
Das gibt es natürlich nicht umsonst, sondern zum Preis eines Staatsbankrotts: kein Bail-out, also kein Beistand mehr für insolvente Länder - so wie es derzeit (noch) der Fall ist. Notfalls drohte der Austritt aus der Währungsunion, nicht aber aus der EU als Ganzes.
Zu Mayers neuer Euro-Welt gehören eine wirklich unabhängige Zentralbank, der Europäische Ausschuss für Systemrisiken und ein Europäischer Währungsfonds. Diese neue "Troika" müsste eng abgestimmt arbeiten, die Zentralbank sozusagen einbetten, damit diese nie mehr unter den politischen Druck gerät, Staatsschulden zu monetarisieren – oder anders gesagt, die Notenpresse anzuwerfen.
Argumente jenseits der üblichen Pfade
Thomas Mayer verlässt eingetretene Argumentationspfade. Das ist seine Stärke. Er legt dar, warum die gängigen Begründungen für den Euro nicht taugen, dass er Katalysator für die vollständige politische Union Europas, Garant des europäischen Friedens oder Instrument für allerlei wirtschaftliche Vorteile sei.
"Daraus könnte man den Schluss ziehen, das stärkste Argument für die Beibehaltung des Euro seien die politischen und wirtschaftlichen Kosten, die seine Abschaffung verursachen würde."
Sein stärkstes Argument für den Euro ist die Größe des Währungsgebietes, der ein Gegengewicht zum Dollarraum garantiert und dadurch einzelnen Staaten sogar zu mehr Entscheidungsspielräumen verhilft, als sie durch den Euro verlieren. Denn die Übertragungseffekte aus anderen Währungsräumen mildern sich ab.
"Hätte jedes Land seine eigene nationale Währung, würde Europa über nur sehr geringe Währungsreserven verfügen. In einer Welt internationaler Kapitalmobilität wären die Länder ständig damit beschäftigt, den Aufwärts- oder Abwärtsdruck auf ihre Wechselkurse gegenüber den Währungen größerer Schwellenländer, dem US-Dollar oder den jeweils anderen europäischen Währungen abzuwehren."
Zweifelsohne litte die Realwirtschaft. Es würde zunehmend schwieriger, nationalstaatliche Wirtschaftspolitik im eigenen Interesse zu betreiben.
Es wäre vielleicht nicht im Sinne des Autors, aber wer sich in Mayers Buch tatsächlich von hinten nach vorne arbeitet, gewinnt einen tiefen und vor allem vielschichtigen Einblick in historische Zusammenhänge, in Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt, die schließlich auf die Realwirtschaft einwirken, in ökonomische Gesetze einer globalisierten Welt, in politische Entscheidungsprozesse und ihre Unwägbarkeiten.
All das hat er in seinen Ideen für eine funktionierende Währungsunion bedacht und steuert konsequent auf das Finale zu. Vor allem lässt sich sein Gedankengang auch verstehen, wenn man Seiten überspringt, auf denen es zu detailliert historisch, zu technisch oder auch zu ökonomisch wird. Als interessiertem Leser mit knappem Zeitbudget muss man ihm dafür danken.
"Mein Herz als Europäer schlägt für die Wirtschafts- und Währungsunion von Europa; aber mein rationales volkswirtschaftliches Denken sträubt sich beharrlich gegen dieses Projekt",
schreibt Thomas Mayer zu Beginn seines Buches. Am Ende siegt selbst bei einem der bekanntesten deutschen Ökonomen das Herz.
Nicht, dass es die Reflexion des Denkers unterbindet. Im Gegenteil, das Herz fordert den Geist heraus, Wege zu finden, das möglich zu machen, was in der Geschichte bisher immer zum Scheitern verurteilt war: eine Währungsunion souveräner Staaten. Jeder, der den Euro nicht aufgeben will, sollte dieses Buch lesen. Jene, die den Euro am liebsten zum Teufel schicken würden, allerdings erst recht.
"Daraus könnte man den Schluss ziehen, das stärkste Argument für die Beibehaltung des Euro seien die politischen und wirtschaftlichen Kosten, die seine Abschaffung verursachen würde."
Sein stärkstes Argument für den Euro ist die Größe des Währungsgebietes, der ein Gegengewicht zum Dollarraum garantiert und dadurch einzelnen Staaten sogar zu mehr Entscheidungsspielräumen verhilft, als sie durch den Euro verlieren. Denn die Übertragungseffekte aus anderen Währungsräumen mildern sich ab.
"Hätte jedes Land seine eigene nationale Währung, würde Europa über nur sehr geringe Währungsreserven verfügen. In einer Welt internationaler Kapitalmobilität wären die Länder ständig damit beschäftigt, den Aufwärts- oder Abwärtsdruck auf ihre Wechselkurse gegenüber den Währungen größerer Schwellenländer, dem US-Dollar oder den jeweils anderen europäischen Währungen abzuwehren."
Zweifelsohne litte die Realwirtschaft. Es würde zunehmend schwieriger, nationalstaatliche Wirtschaftspolitik im eigenen Interesse zu betreiben.
Es wäre vielleicht nicht im Sinne des Autors, aber wer sich in Mayers Buch tatsächlich von hinten nach vorne arbeitet, gewinnt einen tiefen und vor allem vielschichtigen Einblick in historische Zusammenhänge, in Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt, die schließlich auf die Realwirtschaft einwirken, in ökonomische Gesetze einer globalisierten Welt, in politische Entscheidungsprozesse und ihre Unwägbarkeiten.
All das hat er in seinen Ideen für eine funktionierende Währungsunion bedacht und steuert konsequent auf das Finale zu. Vor allem lässt sich sein Gedankengang auch verstehen, wenn man Seiten überspringt, auf denen es zu detailliert historisch, zu technisch oder auch zu ökonomisch wird. Als interessiertem Leser mit knappem Zeitbudget muss man ihm dafür danken.
"Mein Herz als Europäer schlägt für die Wirtschafts- und Währungsunion von Europa; aber mein rationales volkswirtschaftliches Denken sträubt sich beharrlich gegen dieses Projekt",
schreibt Thomas Mayer zu Beginn seines Buches. Am Ende siegt selbst bei einem der bekanntesten deutschen Ökonomen das Herz.
Nicht, dass es die Reflexion des Denkers unterbindet. Im Gegenteil, das Herz fordert den Geist heraus, Wege zu finden, das möglich zu machen, was in der Geschichte bisher immer zum Scheitern verurteilt war: eine Währungsunion souveräner Staaten. Jeder, der den Euro nicht aufgeben will, sollte dieses Buch lesen. Jene, die den Euro am liebsten zum Teufel schicken würden, allerdings erst recht.
Thomas Mayer: Europas unvollendete Währung - Wie geht es weiter mit dem Euro?
Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2013
240 Seiten, 19,90 Euro
Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2013
240 Seiten, 19,90 Euro