Friedhelm Greis ist Redakteur beim IT-Fachportal Golem.de. Er studierte Elektrotechnik, Theologie, Spanisch, Philosophie und Journalistik. Er arbeitete bei der Netzeitung, als Journalist und freier Autor in New York und als Herausgeber und Redakteur bei der Nachrichtenagentur ddp/dapd. Greis betreibt das Tucholsky-Blog Sudelblog.de.
Die große Bevormundung durch Google und Apple
04:27 Minuten
Vor einem Jahr kündigten mehrere Minister und die Chefs von Deutscher Telekom und SAP "die beste Corona-App der Welt" an. Der Nutzen der App blieb aber sehr begrenzt. Daran seien auch die großen IT-Konzerne Schuld, meint Journalist Friedhelm Greis.
Um es gleich vorwegzunehmen: Der Datenschutz hat zu keinem Zeitpunkt verhindert, die App so zu nutzen, dass sie mehr epidemiologisch auswertbare Daten hätte liefern können. Nicht die Politik oder die Datenschützer haben die Grundsatzfrage zwischen zentraler und dezentraler Auswertung der Risikobegegnungen entschieden. Das haben Google und Apple übernommen.
Denn es waren die beiden mächtigen IT-Konzerne, die weltweit für ihre Smartphone-Betriebssysteme Android und iOS das Verfahren für den Datenaustausch der Corona-Apps festlegten. Die Entscheidung fiel im Sinne eines maximalen Datenschutzes aus, in der coronarelevante Daten über die Bluetooth-Verbindung der Handys ausgetauscht und ausschließlich in den Geräten selbst und damit dezentral gespeichert werden.
Mit ihrer Grundsatzentscheidung haben die Firmen weltweit alle Staaten über einen Kamm geschoren. Selbst unter höchsten Datenschutz- und Sicherheitsstandards ist es nicht möglich, die Schnittstelle für ein zentrales System zur Auswertung von Corona-Daten zu nutzen. Dabei stellte sogar die deutsche Datenschutzkonferenz fest, dass es grundsätzlich möglich ist, Corona-Daten zentral zu erfassen und gleichzeitig datenschutzrechtliche Vorgaben einzuhalten.
Denn es waren die beiden mächtigen IT-Konzerne, die weltweit für ihre Smartphone-Betriebssysteme Android und iOS das Verfahren für den Datenaustausch der Corona-Apps festlegten. Die Entscheidung fiel im Sinne eines maximalen Datenschutzes aus, in der coronarelevante Daten über die Bluetooth-Verbindung der Handys ausgetauscht und ausschließlich in den Geräten selbst und damit dezentral gespeichert werden.
Mit ihrer Grundsatzentscheidung haben die Firmen weltweit alle Staaten über einen Kamm geschoren. Selbst unter höchsten Datenschutz- und Sicherheitsstandards ist es nicht möglich, die Schnittstelle für ein zentrales System zur Auswertung von Corona-Daten zu nutzen. Dabei stellte sogar die deutsche Datenschutzkonferenz fest, dass es grundsätzlich möglich ist, Corona-Daten zentral zu erfassen und gleichzeitig datenschutzrechtliche Vorgaben einzuhalten.
Kaum Hinweise zur besseren Epidemiebekämpfung
Ein zentralisiertes Konzept für Corona-Daten hätte den Gesundheitsbehörden mehr epidemiologisch auswertbare Hinweise liefern können. Mit diesen Daten hätte das Robert-Koch-Institut den Verlauf der Epidemie besser modellieren oder die Wirksamkeit von Kontaktbeschränkungen einschätzen können. Damit wäre es vielleicht möglich gewesen, die Epidemie effektiver zu bekämpfen und starke Grundrechtseinschränkungen wie pauschale Ausgangssperren oder monatelanges Homeschooling zu vermeiden. So diente die App lediglich dazu, Nutzer nachträglich über Risikobegegnungen zu informieren und sie damit zu einem Test zu animieren.
Die Vorgaben untersagten es zudem, mit Hilfe der App die Standorte von Risikobegegnungen per GPS zu sammeln. Dabei hätten solche Daten dabei helfen können, lokale Corona-Ausbrüche zu erkennen und die Infektionsketten effektiver nachzuverfolgen.
Die Vorgaben untersagten es zudem, mit Hilfe der App die Standorte von Risikobegegnungen per GPS zu sammeln. Dabei hätten solche Daten dabei helfen können, lokale Corona-Ausbrüche zu erkennen und die Infektionsketten effektiver nachzuverfolgen.
Fehlalarm aufgrund von Bluetooth-Technik
Aber selbst bei einer zentralisierten Datenauswertung wären die Einschränkungen der Kontaktnachverfolgung mit Hilfe der Bluetooth-Technik unverändert bestehen geblieben. Denn diese Technik für den Datenaustausch im Nahbereich ist blind für wesentliche Infektionsgefahren. So kann man sich etwa in Innenräumen auch ohne direkte Begegnung infizieren, wenn sich ein Infektiöser vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten hat.
Ebenfalls kann die Bluetooth-Technik nicht unterscheiden, ob eine Person durch eine FFP2-Maske geschützt ist oder nicht. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit von Fehlalarmen. Solche Effekte haben dazu beigetragen, dass der Nutzen der App bei der Unterbrechung von Infektionsketten relativ gering ist.
Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass zwischen 110.000 und 230.000 Personen durch die App vor einer tatsächlichen Infektion gewarnt wurden. Das entspricht drei bis sechs Prozent aller Infektionen in Deutschland. Das ist nicht viel, aber besser als nichts. Leider verzichten 30 bis 40 Prozent der Infizierten App-Nutzer immer noch darauf, ihre Kontakte über die App zu warnen.
Wenige nutzen die App
Besser hätte es auch mit der Verbreitung der App laufen können. Aktuell dürfte die Corona-Warn-App von rund 20 Millionen Menschen in Deutschland genutzt werden. Zudem nutzt die Hälfte der über 65-Jährigen überhaupt kein Smartphone.
Wie fällt nun die Bilanz nach einem Jahr Corona-Warn-App aus? Wunder darf von Apps niemals erwarten und in diesem konkreten Fall nicht einmal die Aufgabe, zu einem zentralen Baustein in der Pandemiebekämpfung zu werden.
Digitale Werkzeuge wie Apps können das verantwortungsvolle Verhalten der Menschen nicht ersetzen. Sie könnten jedoch relevante Daten liefern, um die Ausbreitungsmechanismen des Virus in Verbindung mit virologischen und epidemiologischen Erkenntnissen besser zu verstehen.
Eine effektive Corona-Warn-App, die ihr Potenzial voll ausschöpft, scheiterte bislang vor allem an den Vorgaben zur Daten-Schnittstelle von Google und Apple. Die beiden Konzerne sollten auf mit Blick auf die Zukunft sehr genau prüfen, ob sie die richtige Entscheidung getroffen haben.
Wie fällt nun die Bilanz nach einem Jahr Corona-Warn-App aus? Wunder darf von Apps niemals erwarten und in diesem konkreten Fall nicht einmal die Aufgabe, zu einem zentralen Baustein in der Pandemiebekämpfung zu werden.
Digitale Werkzeuge wie Apps können das verantwortungsvolle Verhalten der Menschen nicht ersetzen. Sie könnten jedoch relevante Daten liefern, um die Ausbreitungsmechanismen des Virus in Verbindung mit virologischen und epidemiologischen Erkenntnissen besser zu verstehen.
Eine effektive Corona-Warn-App, die ihr Potenzial voll ausschöpft, scheiterte bislang vor allem an den Vorgaben zur Daten-Schnittstelle von Google und Apple. Die beiden Konzerne sollten auf mit Blick auf die Zukunft sehr genau prüfen, ob sie die richtige Entscheidung getroffen haben.