Ein Jahr nach Hanau-Attentat

"Wichtig ist eine lückenlose Aufklärung"

06:41 Minuten
Menschen halten Transparente mit Bildern der Hanau-Opfer in die Luft.
Erinnerung an rassistischen Anschlag: In Berlin haben Menschen einen Tag vor dem Jahrestag des Angriffs in Hanau der Opfer gedacht. © picture alliance / Anadolu Agency/ Abdulhamid Hosbas
Harpreet Cholia im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
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Ein Jahr nach dem Anschlag von Hanau sind viele Fragen noch offen. Diese zu klären, ist für die Hinterbliebenen besonders wichtig, sagt Soziologin Harpreet Cholia. Ebenso wichtig sei es, die Namen der Opfer nie zu vergessen.
Vor einem Jahr ermordete ein 43-Jähriger im hessischen Hanau zehn Menschen. Neun Menschen mussten den Ermittlungsergebnissen zufolge sterben, weil sie einen Migrationshintergrund aufwiesen. Die zehnte Person war die Mutter des Täters, der sich nach anschließend selbst tötete.

Familien noch in Schock

Noch sind nicht alle Umstände der rassistischen Tat geklärt. So ist etwa unklar, ob Notrufe möglicherweise nicht angenommen wurden und Notausgänge in einer der Bars, in die der Täter eindrang, verschlossen waren.
Die Soziologin Harpreet Cholia begleitet die trauernden Angehörigen am Jahrestag auf den Friedhof. "Es ist ein sehr schweres Gefühl und es ist ein Tag, an dem ganz viele Menschen Schmerz im Herz tragen", sagt sie vor der Gedenkfeier. "Für die Familien ist das eine Zeit, in der alles hochkommt." Viele Familien befänden sich noch im Schockzustand, erklärt die Vorsitzende des Hessischen Flüchtlingsrats.
Auch ein mögliches Versagen seitens der Behörden beschäftige die Hinterbliebenen besonders, sagt Cholia. "Die Angehörigen kämpfen sehr damit. Sie sind super starke Menschen, aber eben auch nur Menschen."

Die Opfer beim Namen nennen

Während der Name des Täters im Trauerkontext medial eher nicht genannt wird, sollen die der Opfer nicht in Vergessenheit geraten. Sie finde es sehr sehr gut, dass Bundeskanzlerin Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Trauerrede die Namen ausgesprochen hat, unterstreicht Cholia, "denn diese Menschen haben Geschichten und Biografien". Es dürfe nicht sein, einfach nur über die Ermordeten zu sprechen.
Kanzlerin Merkel sitzt bei der Trauerfeier für die Hanau-Opfer neben den Angehörigen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nahmen 2020 an der Trauerfeier für die Opfer des Hanau-Anschlags teil.© picture alliance / Associated Press / Kai Pfaffenbach
Unter dem Hashtag #saytheirnames sollen Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kenan Kurtović, Vili-Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov in Erinnerung blieben. Dabei steht der Hashtag, der ursprünglich aus den USA stammt, normalerweise in einem anderen Zusammenhang, erläutert die Soziologin. Damit werden im US-Kontext Personen bezeichnet, die wegen ihrer Hautfarbe willkürliche Gewalt beispielsweise durch die Polizei erleben. "In Deutschland wird das ganz anders übersetzt", so Cholia weiter.

Lückenlose Aufklärung ist wichtig

Einen Prozess mit einem Hauptangeklagten wird es nach dem Hanau-Attentat wohl nicht geben, denn gegen einen Toten kann nicht vor Gericht gezogen werden. Dennoch gibt es weitere Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat. Bis Ende Februar haben Angehörige der Opfer sowie Überlebende Zeit, die bisherigen Ermittlungsergebnisse einzusehen und Stellung zu beziehen.
"Was total wichtig ist, ist eine lückenlose Aufklärung", sagt die Soziologin. Es gebe bereits viele Informationen zum Täter, seiner Tatvorbereitung und bewaffneten Vorfällen in seiner Vergangenheit. Dennoch steht für Cholia eine zentrale Frage weiterhin im Raum: "Hätten wir verhindern können, was am 19. Februar passiert ist?" Diese Frage bleibe besonders schmerzhaft für die Hinterbliebenen.
(lsc)
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