Ein Jahrmarkt der Attraktionen
Der polnische Regisseur Jan Klata macht Franz Kafkas "Amerika" zu einer fantastischen Nummernshow. An die Stelle Kafkas dumpf lauernden Geheimnissen tritt das Zirzensische.
Klata ist nach meinem Kenntnisstand der fantasievollste unter den jungen polnischen Regisseuren. Der Meisterschüler von Jerzy Jarocki und Krysztian Lupa ist in Polen bekannt geworden durch seine Inszenierung von Gogols Stück "Der Revisor", das er im Jahre 1993 ins kommunistische Polen versetzte. In die erste Reihe der jungen europäischen Regisseure ist er aufgerückt mit Inszenierungen von Shakespearestücken wie "Richard III" und "Hamlet", die von einem Spannungsverhältnis zwischen der Shakespearezeit und Nachwendezeit in Polen lebten.
In Deutschland ist er in die Schlagzeilen gekommen durch die Inszenierung seines eigenen Dokumentarstücks "Transfer", dem Erlebnisberichte von deutschen und polnischen Vertriebenen zugrunde lagen. Schon in dieser Inszenierung bewies er seine Fähigkeit, Vorgänge in die groteske Zuspitzung zu treiben, als er den Opfern des Zweiten Weltkriegs überlebensgroß die Verursacher ihrer Not Stalin, Churchill und Eisenhower gegenüberstellte.
Auch in seiner szenischen Umsetzung von Kafkas Romanfragment "Amerika" strebt er nicht eine psychologisch-realistische Eins-zu-eins-Nachzeichnung des Textes an, sondern eine theatralisch-fantastische Nummernshow. Schon die erste Szene, die Ankunft des 16-jährigen Karl Rossmann im Hafen von New York, zeigt die Richtung an. Karl, der angetrieben von Redlichkeit und Gerechtigkeitssinn, den Heizer verteidigen will, sieht sich einer Wand von Anklägern gegenüber. Weit oben, fünf Meter über seinem und des Heizers Kopf, thronen martialische Gestalten, die Mitglieder einer American-Football-Mannschaft mit Brust- und Schulterpanzer sein könnten. Die Rechtfertigungssuada des Heizers wird übertönt von rhythmischen Schlägen von Fingern auf Schutzhelmen und Brustpanzern.
Auch in den folgenden Szenen tritt an die Stelle von Kafkas dumpf lauernden Geheimnissen das Zirzensische. Nichts Gespenstisches, eher ein Jahrmarkt der Attraktionen. Am Speisetisch des Geschäftsmannes Pollunder, an dem sich bei Kafka das kommende Unheil ankündigt, umtanzen Kübel tragende und Suppenlöffel schwingende schwarz gekleidete Kobolde das Mahl.
Gänzlich löst sich Klata dann im zweiten Teil von Kafkas Roman. Aus dem Hotel Occidental in Ramses, in dem Karl als Liftboy untergekommen ist, wird ein ägyptischer Tempel, bevölkert von Tempeltänzerinnen und –tänzern, darunter Karls Gönnerin, die Oberköchin und seine still leidende Freundin Therese. Unter dem Staccato des Tempeltanzes geht etwas Wesentliches verloren: die Solidarität der kleinen Leute. Und wenn sich Karls Peiniger, der Oberkellner und der Oberportier, in gedrechselten Tanzeinlagen regelrecht übertreffen wollen, bleibt in der Verhörszene die für Kafka typische Aussichtslosigkeit auf der Strecke, mit der sich das arme Schwein Karl im Gestrüpp von erlogenen Anfeindungen und menschenverachtenden Ritualen verheddert.
Den Karl spielt der junge Schauspieler Dimitri Schaad. Unter den windigen Spukgestalten ist sein Karl der einzige fühlende Mensch. In seinem Bewegungsvokabular an Charlie Chaplin erinnernd, tänzelt Schaad durchs Stück, taumelt und bricht am Ende hilflos zusammen. Der junge Schauspieler kämpft ständig ums Überleben, um seine Minichance des Neuanfangs. Wunderbar die Szene, in der er mit sichtlicher Anstrengung und nur ungenügend verborgener Abscheu die Exaltiertheiten und Gemeinheiten der reichen Tochter Klara über sich ergehen lässt, wenn er auf Klaras Befehl ein Klavierstück mit Lied vorträgt und schließlich weinend zusammenbricht. Wenn dieser vom Leben so gebeutelte Junge den Glücksverheißungen des "Naturtheaters von Oklahoma" nicht so recht glauben kann, dann versteht ihn noch der Zuschauer in der letzten Reihe.
Insgesamt ein fantasievoller Abend, dessen theatralische Mittel sich allzu schnell abnutzen, der uns aber die Begegnung mit einem außergewöhnlich begabten jungen Schauspieler bringt.
In Deutschland ist er in die Schlagzeilen gekommen durch die Inszenierung seines eigenen Dokumentarstücks "Transfer", dem Erlebnisberichte von deutschen und polnischen Vertriebenen zugrunde lagen. Schon in dieser Inszenierung bewies er seine Fähigkeit, Vorgänge in die groteske Zuspitzung zu treiben, als er den Opfern des Zweiten Weltkriegs überlebensgroß die Verursacher ihrer Not Stalin, Churchill und Eisenhower gegenüberstellte.
Auch in seiner szenischen Umsetzung von Kafkas Romanfragment "Amerika" strebt er nicht eine psychologisch-realistische Eins-zu-eins-Nachzeichnung des Textes an, sondern eine theatralisch-fantastische Nummernshow. Schon die erste Szene, die Ankunft des 16-jährigen Karl Rossmann im Hafen von New York, zeigt die Richtung an. Karl, der angetrieben von Redlichkeit und Gerechtigkeitssinn, den Heizer verteidigen will, sieht sich einer Wand von Anklägern gegenüber. Weit oben, fünf Meter über seinem und des Heizers Kopf, thronen martialische Gestalten, die Mitglieder einer American-Football-Mannschaft mit Brust- und Schulterpanzer sein könnten. Die Rechtfertigungssuada des Heizers wird übertönt von rhythmischen Schlägen von Fingern auf Schutzhelmen und Brustpanzern.
Auch in den folgenden Szenen tritt an die Stelle von Kafkas dumpf lauernden Geheimnissen das Zirzensische. Nichts Gespenstisches, eher ein Jahrmarkt der Attraktionen. Am Speisetisch des Geschäftsmannes Pollunder, an dem sich bei Kafka das kommende Unheil ankündigt, umtanzen Kübel tragende und Suppenlöffel schwingende schwarz gekleidete Kobolde das Mahl.
Gänzlich löst sich Klata dann im zweiten Teil von Kafkas Roman. Aus dem Hotel Occidental in Ramses, in dem Karl als Liftboy untergekommen ist, wird ein ägyptischer Tempel, bevölkert von Tempeltänzerinnen und –tänzern, darunter Karls Gönnerin, die Oberköchin und seine still leidende Freundin Therese. Unter dem Staccato des Tempeltanzes geht etwas Wesentliches verloren: die Solidarität der kleinen Leute. Und wenn sich Karls Peiniger, der Oberkellner und der Oberportier, in gedrechselten Tanzeinlagen regelrecht übertreffen wollen, bleibt in der Verhörszene die für Kafka typische Aussichtslosigkeit auf der Strecke, mit der sich das arme Schwein Karl im Gestrüpp von erlogenen Anfeindungen und menschenverachtenden Ritualen verheddert.
Den Karl spielt der junge Schauspieler Dimitri Schaad. Unter den windigen Spukgestalten ist sein Karl der einzige fühlende Mensch. In seinem Bewegungsvokabular an Charlie Chaplin erinnernd, tänzelt Schaad durchs Stück, taumelt und bricht am Ende hilflos zusammen. Der junge Schauspieler kämpft ständig ums Überleben, um seine Minichance des Neuanfangs. Wunderbar die Szene, in der er mit sichtlicher Anstrengung und nur ungenügend verborgener Abscheu die Exaltiertheiten und Gemeinheiten der reichen Tochter Klara über sich ergehen lässt, wenn er auf Klaras Befehl ein Klavierstück mit Lied vorträgt und schließlich weinend zusammenbricht. Wenn dieser vom Leben so gebeutelte Junge den Glücksverheißungen des "Naturtheaters von Oklahoma" nicht so recht glauben kann, dann versteht ihn noch der Zuschauer in der letzten Reihe.
Insgesamt ein fantasievoller Abend, dessen theatralische Mittel sich allzu schnell abnutzen, der uns aber die Begegnung mit einem außergewöhnlich begabten jungen Schauspieler bringt.