Ein Kleidungsstück als Hauptdarsteller

Ein Lieblingskleidungsstück auf großer Fahrt soll Kindern und Jugendlichen die Globalisierung erklären: Wolfgang Korn beschreibt in "Die Weltreise einer Fleeceweste" jeden Schritt des Herstellungs- und Transportprozesses. So ist ein spannendes Sachbuch gelungen, das Information und Fantasie, Fakten und Fiktion geschickt miteinander verbindet.
Schon der Untertitel von Wolfgang Korns "Die Weltreise einer Fleeceweste" sagt, womit wir es hier zu tun haben. Nicht mit einer Reportage, sondern mit einer "kleinen Geschichte über die große Globalisierung". In dieser Mischung aus Erzählung und Bericht ist es dem Autor hervorragend gelungen, Information und Fantasie, Fakten und Fiktion so miteinander zu verbinden, dass sie sich gegenseitig zu einem spannenden Sachbuch ergänzen.

Wolfgang Korns Ziel ist es, Jugendlichen die Globalisierung so anschaulich wie möglich zu erklären. Zum Hauptdarsteller macht er darum ein typisches Produkt der Globalisierung: ein Kleidungsstück, seine eigene, geliebte rote Fleeceweste.

In zehn Kapiteln erzählt er quasi ihr "Leben", von der "Geburt" - der Förderung des Rohöls im Persischen Golf -, über ihre Herstellung in Bangladesch und ihre Vermarktung und Entsorgung in Deutschland bis hin zu ihrem Wiederauftauchen im Senegal - aus einer Kleiderspende.

Faszinierend für den Leser ist vor allem die Unmenge von Informationen, die er zu jedem Schritt im Herstellungs- und Transportprozess der Fleeceweste bekommt. Was man über die Ölförderung in Dubai und das Spinnen der Polyesterfäden in Bangladesch erfährt, über das Weben und Färben des Fleece-Stoffes, über Öltanker und Containerschiffe, über Preisdumping in Europa und die Verwendung von Kleiderspenden in Afrika - das ist total interessant und immer wieder zu Staunen.

Am ganz konkreten Beispiel zeigt Wolfgang Korn, wie Globalisierung funktioniert: als weltweiter Austausch von Geld, Waren, Informationen und auch Menschen. Diese Informationsflut überfordert den Leser aber nicht, denn Korn erklärt weniger als dass er sehr lebendig und farbig von den jeweiligen Lebensbedingungen vor Ort erzählt.

Wir begleiten den Sohn des reichen Ölhändlers in Dubai zum Eishockey-Training, beobachten die bitterarme Näherin in Bangladesch bei der Arbeit, schippern auf einem Öltanker und einem Containerschiff über die Meere, erleben den kargen Alltag der Markfrau in Afrika und die dramatische Flucht eines Senegalesen in einem Boot auf die Kanarischen Inseln. Diese Geschichten in der Geschichte sind ebenso authentisch wie bewegend.

Dabei läuft Wolfgang Korn keinen Augenblick Gefahr, den pädagogischen Zeigefinger zu erheben. Er reißt den Leser vielmehr mit, redet ihn direkt an und kommt zwischendurch immer wieder auch auf seine ganz eigene Situation beim Schreiben dieses Buches zurück. Und er ist ehrlich genug zuzugeben, dass er die Reise seiner Fleeceweste nicht selbst mitgemacht, sondern recherchiert hat. Seine Offenheit wirkt sehr sympathisch.

Wolfgang Korn will nicht belehren, sondern informieren. Er verurteilt die Globalisierung nicht, sondern entmythologisiert sie und zeigt sehr differenziert ihre Auswirkungen auf. Gerade diese sachlich-neutrale Haltung überzeugt und macht nachdenklich. Denn es wird klar, dass die Chancen auf der Erde sehr ungleich verteilt sind und Globalisierung auch unsere Mitverantwortung bedeutet - für alle Menschen und ihre Lebensbedingungen.

Rezensiert von Sylvia Schwab

Wolfgang Korn: Die Weltreise einer Fleeceweste. Eine kleine Geschichte über die große Globalisierung
Ab zwölf Jahren
Verlag Bloomsbury 2008
168 Seiten, 14,90 Euro