Ein König als Identifikationsfläche
Friedrich der Große war als schöngeistiger Kronprinz, der Literatur und Philosophie zugewandt, als Feldherr hob er Preußen in den Rang einer Großmacht. Jens Bisky, Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", zeigt in seinem aktuellen Buch "Unser König" auf wie viele Facetten der "Alte Fritz" hatte.
Vermutlich hätte dem medienbewussten König das Bild auf dem Umschlag gefallen: Andy Warhols in Pink, Kanariengelb und Knallblau aufgepopte Fassung des berühmten Anton-Graff-Gemäldes. Ganz sicher aber hätte der Titel von Jens Biskys Lesebuch seinen Beifall gefunden: "Unser König". Denn Friedrich II. ist nicht nur derjenige unter den deutschen Monarchen, über den - gerade auch jenseits der Fachwelt - am meisten gestritten wurde, sondern er ist auch der König, mit dem sich "noch keine Generation gelangweilt hat."
Seit jeher, so des Autors These, bot Friedrich der Große jedem etwas als Identifikationsfläche: rebellischen Gemütern einen Kronprinzen, der den Aufstand gegen einen strengen Vater probte, Konservativen einen Wirtschaftsplaner, der sein Land voranbrachte, Politbörsianern einen Hasardeur, der im Feld alles auf eine Karte setzte. Weil Bisky den Schriftsteller und Philosophen auf dem Thron für überschätzt hält - "die Philosophiegeschichte des 18. Jahrhunderts kann getrost geschrieben werden, ohne seine Abhandlungen zu berücksichtigen" - konzentriert er sich in seinem Lesebuch auf Friedrich als Machthaber und Mensch und darauf, wie sich seine Taten im Meinungsbild seiner Zeitgenossen spiegeln.
Dafür hat der Preußenkenner und Feuilletonredakteur der Süddeutschen Zeitung eine gelungene Auswahl von Briefen, Memoiren und Tagebucheinträgen getroffen, von Voltaire, Goethe oder Kant, von Weggefährten und Kammerdienern, darunter auch entlegenere Originalquellen wie den Bericht eines anonymen Augenzeugen über des Königs (vereitelten) Selbstmordversuch nach einer desaströs verlorenen Schlacht. Erfreulich ist, dass Bisky auf das übliche Anekdotenmenü verzichtet.
Stattdessen kommen Zeitgenossen und Nachfahren zu Wort, die Friedrich rühmen und bewundern, ihn aber auch mit skeptischer Distanz betrachten: ein hannoverscher Diplomat etwa, der den Preußenkönig schon im schlesischen Feldlager hellsichtig als Meister der Verstellung charakterisiert, der alle und alles vor den Karren seiner politischen Ambitionen spannt; oder der Dichter Christian Fürchtegott Gellert, der aus einem Dialog mit dem König, in dem dieser rüde die aufblühende deutsche Literatur abkanzelt, ein komisches Dramolett macht. Zutage tritt so eine zwischen überragender Intellektualität und ausgeprägter Boshaftigkeit schillernde Figur, eine "Königsmaschine", die fasziniert, auch wenn man sie nicht mögen muss.
Wie gewohnt folgt auch Bisky der Chronologie. Bei ihm heißen die Kapitel "Jugend, Glanz, Krieg und Alter". Neben Zeittafeln zu Beginn eines jeden Abschnitts, neben hilfreichen, die einzelnen Dokumente knapp erläuternden Steckbriefen, die auch historisch weniger Versierte durch die Epoche lotsen, sind es vor allem die vier brillant geschriebenen, schlanken Essays, die sein Buch wohltuend über das Mittelmaß mancher neueren Friedrich-Studien hinausheben.
Wenn er treffsicher die auf den Siebenjährigen Krieg folgende bleierne Zeit - nach der männlichen Hauptfigur von Lessings "Minna von Barnhelm" - die "Tellheim-Zeit" nennt oder wenn er die Modernität des jungen Monarchen darin ausmacht, dass der sich "gleichsam das Drehbuch" seiner Regentenjahre selbst geschrieben habe, dann dürfen sich über so viel unkonventionelle Pointierlust nicht nur die alten Hasen, sondern auch die Preußenneulinge freuen.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Jens Bisky: "Unser König. Friedrich der Große und seine Zeit – ein Lesebuch"
Rowohlt Verlag, Berlin 2011
400 Seiten, 19,95 Euro
Seit jeher, so des Autors These, bot Friedrich der Große jedem etwas als Identifikationsfläche: rebellischen Gemütern einen Kronprinzen, der den Aufstand gegen einen strengen Vater probte, Konservativen einen Wirtschaftsplaner, der sein Land voranbrachte, Politbörsianern einen Hasardeur, der im Feld alles auf eine Karte setzte. Weil Bisky den Schriftsteller und Philosophen auf dem Thron für überschätzt hält - "die Philosophiegeschichte des 18. Jahrhunderts kann getrost geschrieben werden, ohne seine Abhandlungen zu berücksichtigen" - konzentriert er sich in seinem Lesebuch auf Friedrich als Machthaber und Mensch und darauf, wie sich seine Taten im Meinungsbild seiner Zeitgenossen spiegeln.
Dafür hat der Preußenkenner und Feuilletonredakteur der Süddeutschen Zeitung eine gelungene Auswahl von Briefen, Memoiren und Tagebucheinträgen getroffen, von Voltaire, Goethe oder Kant, von Weggefährten und Kammerdienern, darunter auch entlegenere Originalquellen wie den Bericht eines anonymen Augenzeugen über des Königs (vereitelten) Selbstmordversuch nach einer desaströs verlorenen Schlacht. Erfreulich ist, dass Bisky auf das übliche Anekdotenmenü verzichtet.
Stattdessen kommen Zeitgenossen und Nachfahren zu Wort, die Friedrich rühmen und bewundern, ihn aber auch mit skeptischer Distanz betrachten: ein hannoverscher Diplomat etwa, der den Preußenkönig schon im schlesischen Feldlager hellsichtig als Meister der Verstellung charakterisiert, der alle und alles vor den Karren seiner politischen Ambitionen spannt; oder der Dichter Christian Fürchtegott Gellert, der aus einem Dialog mit dem König, in dem dieser rüde die aufblühende deutsche Literatur abkanzelt, ein komisches Dramolett macht. Zutage tritt so eine zwischen überragender Intellektualität und ausgeprägter Boshaftigkeit schillernde Figur, eine "Königsmaschine", die fasziniert, auch wenn man sie nicht mögen muss.
Wie gewohnt folgt auch Bisky der Chronologie. Bei ihm heißen die Kapitel "Jugend, Glanz, Krieg und Alter". Neben Zeittafeln zu Beginn eines jeden Abschnitts, neben hilfreichen, die einzelnen Dokumente knapp erläuternden Steckbriefen, die auch historisch weniger Versierte durch die Epoche lotsen, sind es vor allem die vier brillant geschriebenen, schlanken Essays, die sein Buch wohltuend über das Mittelmaß mancher neueren Friedrich-Studien hinausheben.
Wenn er treffsicher die auf den Siebenjährigen Krieg folgende bleierne Zeit - nach der männlichen Hauptfigur von Lessings "Minna von Barnhelm" - die "Tellheim-Zeit" nennt oder wenn er die Modernität des jungen Monarchen darin ausmacht, dass der sich "gleichsam das Drehbuch" seiner Regentenjahre selbst geschrieben habe, dann dürfen sich über so viel unkonventionelle Pointierlust nicht nur die alten Hasen, sondern auch die Preußenneulinge freuen.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Jens Bisky: "Unser König. Friedrich der Große und seine Zeit – ein Lesebuch"
Rowohlt Verlag, Berlin 2011
400 Seiten, 19,95 Euro