Treffen der Platzhirsche
Es ist ein Jahrgang der großen Ensemble-Arbeiten und der Einzelakteure. Regisseurinnen sind in der Minderheit, Schwergewichte wie Frank Castorf, Matthias Lilienthal und Joachim Meyerhoff dominieren die Auswahl. Freie Produktionen sind kaum vertreten. Eine Leistungsschau der Großen eben.
Wo wird Frank Castorfs "Faust"-Inszenierung gezeigt? Diese Frage dürfte all jene umgetrieben haben, die den Theaterstreit um die Nachfolge der Volksbühne verfolgt haben. Klar, dass Castorfs siebenstündige Best-Off-Produktion – sein Abschied nach 25-Jahren Intendanz - beim diesjährigen Theatertreffen nicht fehlen darf. Schließlich ist die Volksbühne "Theater des Jahres", die Hauptdarstellerin Valery Tscheplanowa "Schauspielerin des Jahres". Aber würde Castorf seinen "Faust" im Haus des ungeliebten Nachfolgers aufführen?
Castorf überlässt seinen "Faust" nicht Chris Dercon
Nein, teilte die Festivalleitung mit. Das Angebot Chris Dercons, den "Faust" in "seiner" Volksbühne zu spielen, habe Castorf abgelehnt. Neuer Spielort: das Haus der Berliner Festspiele. Ein neuer Spielort muss auch für das Nationaltheater Reinickendorf gefunden werden, jenes Pop-Extrem-Theater des Künstlerpaares Vegard Vinge und Ida Müller. Im Berliner Stadtteil Reinickendorf hatten sie für ihre 12-Stunden-Performance faszinierende, eigene Theater-Räume entworfen. Überbordend, überfordernd, selbstverausgabend auch ihr Spiel. Jetzt sind sie zum zweiten Mal beim Theatertreffen.
Zwei von gleich mehreren Theatertreffen-Einladungen, die von der Verausgabung leben: Auch Joachim Meyerhoff – erfolgreicher Buchautor und mindestens genauso überwältigender Schauspieler - versenkt sich in die Psyche des Autors Thomas Melle und bringt dessen Krankheits-Biografie "Die Welt im Rücken" als furioses Solo auf die Bühne des Wiener Burgtheaters.
Ein Jahrgang der großen Einzelakteure
Es ist ein Jahrgang der großen Ensemble-Arbeiten und der großen Einzelakteure: Nina Hoss beispielsweise in "Rückkehr nach Reims", Thomas Ostermeiers Bühnenfassung des Eribon-Erfolgsbuches. Ein Kommentar zur Frage, wie das Versagen der Linken zum Erstarken des Front National führte. Und: die Rückkehr ins Theatertreffen nach 12 Jahren.
Endlich dabei ist Ulrich Rasche mit seinem "Woyzeck" aus Basel. Er konnte im vergangenen Jahr seine "Räuber" aus technischen Gründen nicht zeigen. Jetzt aber können die Theatertreffen-Besucher seine spektakuläre Dreh-Senk-Hebebühne endlich in Aktion erleben.
Matthias Lilienthal darf sich gleich über zwei Einladungen freuen und sich in seinem umstrittenen Theaterkurs an den Münchner Kammerspielen bestätigt fühlen. Besonders eine Inszenierung wird sicherlich für Diskussionen sorgen: Anta Helena Reckes Neu-Interpretation von Anna-Sophie Mahlers "Mittelreich". Ihre Bühnenfassung nach dem Roman von Josef Bierbichler gastierte vor zwei Jahren beim Theatertreffen. Recke besetzt die gleich Inszenierung noch einmal neu: mit schwarzen Darstellern. Ein ungewöhnlicher, provozierender Blick auf eingeübte Theaterstrukturen und –präsentationen.
Regisseurinnen in der Minderheit
Das Theatertreffen 2018 wird ein Treffen der Theater-Platzhirsche. Die Anzahl der geladenen Regisseurinnen entspricht leider dem realen Verhältnis im Theaterbetrieb: etwa 30 % sind Frauen. Susanne Kennedy, Signa Köster oder Yael Ronen haben es nicht in die Auswahl geschafft. So wie auch keine freie Produktion – abgesehen von der Koproduktion Vegard/Vinge mit den Berliner Festspielen.
Die Provinz kommt nicht vor. Und auch der Osten nicht. Hat man nicht gesucht? Doch, so das immer lautende Argument der Jury, der man Faulheit sicher nicht nachsagen kann.
Also ist die Auswahl 2018 eine Leistungsschau der Großen. Ob diese Konzentration auf die Theatermetropolen am Ende tatsächlich aufgeht – das werden die Theatertreffen-Besucher im Mai entscheiden.